Zum Monatswechsel ist meine Zeit an der Universität Hamburg abgelaufen. Zeitverträge sind besser als gar keine Verträge, aber sie bieten keinerlei Sicherheit, keinen Halt in Zeiten unsicherer Zukunftsaussichten am akademischen Arbeitsmarkt. Wenn einem der Arbeitsmarkt keinen Halt bietet und das Leben deshalb auch keinen festen Ort findet, ist es um so wichtiger, auf andere Weise den sonst bald arg gebeugten Rücken gestärkt zu bekommen. Sonst wird man irgendwann so krumm, dass man sich gar nicht mehr aufrichten und anderen in die Augen blicken kann.
Glücklicherweise hat sich diesen Monat bei zwei Gelegenheiten gezeigt, dass das Wagnis meiner Dissertation bzw. der dazugehörigen Buchveröffentlichung sich gelohnt hat. Sowohl auf der 3. Tagung des Atmosphärennetzwerks in München als auch auf der Konferenz Materialitäten in Mainz bin ich jeweils von mehreren Leuten angesprochen worden, die mein Buch gelesen haben und denen es sehr gut gefallen hat. Das ist ein fantastisches Erlebnis und gibt einem Mut. Ich interpretiere diese Rückmeldung so, dass es sich lohnt, offen zu sein, Risiken beim Schreiben einzugehen und sich nicht vorschnell vermeintlichen Standards des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens unterzuordnen, sondern in jedem Fall auf’s Neue zu entscheiden, was man wie ausdrücken kann und will – und auch mögliche Schwächen des eigenen Arbeitens einzuräumen. Das mag einem nicht unbedingt sofort Anerkennung und einen Job verschaffen, beim Peer Review habe ich damit auch noch keine guten Erfahrungen gemacht, aber es ist besser, richtiger und vermutlich auch wahrer.
In gewisser Weise habe ich die Arbeit von Anfang an aus meiner Perspektive bzw. aus Perspektive meiner Generation geschrieben – nämlich aus einer deutlich spürbaren Unzufriedenheit mit der wenig selbstkritischen und sich dabei um so wissenschaftlicher gerierenden etablierten Sozialforschung in Deutschland. Ich hatte dabei wichtige Mitstreiter im Graduiertenkolleg und einen für Experimente offenen Doktorvater, ohne die ich den Mut für die Arbeit, wie sie jetzt steht, nicht aufgebracht hätte. Das hilft aber alles wenig, wenn die Arbeit erst einmal vom Tisch, der Titel verteidigt und die Postdocstelle ausgelaufen ist.
Dann wird es um so wichtiger, wenn einem Andere mit ihrem Lob den Rücken stärken. Das waren zuerst die anderen Jungen und das sind auch immer noch und vor allem: Doktorandinnen, Masterstudenten, frischgebackene Doktorinnen. Für sie und mich habe ich diese Arbeit geschrieben. Ihre positive Rückmeldung ist mir am wichtigsten. Allerdings kann ich nicht verhehlen, dass es in einer derart prekären Lage auch wichtig wird, die frohe Kunde darüber hinaus von Leuten mit grauen Schläfen und eigenen Büros zu hören – das ist auf den vergangenen beiden Tagungen eigentlich das erste Mal passiert und das gibt mir Hoffnung, dass sich die Arbeit an den Wurzeln auch langsam in den mehr oder weniger welken alten Ästen und Baumkronen bemerkbar macht.
Mal schauen, wie es weiter geht. Bis dahin möchte ich mich in voller Ernsthaftigkeit bei allen bedanken, die mir Lob ausgesprochen und mir so Mut gemacht haben – ohne das würde ich nicht so weitermachen können. Danke.