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Die Gründung und ihre Vorgeschichte
Die Versuche der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED die ökonomische und politische Bindung West-Berlins an die Entwicklung in Westdeutschland zu verhindern, verschärfen sich im Juni 1948 durch die Abriegelung und Blockade der drei Westsektoren Berlins. Bis Mai 1949 kann der eingeschlossene Westteil Berlins nur durch die Luftbrücke der drei westalliierten Schutzmächte versorgt werden. In dieser Situation eine Universitätsgründung vorzubereiten, erfordert Mut. Diesen Mut bringen überwiegend Studenten auf, die nicht bereit sind, sich an der 1946 im sowjetischen Sektor neu eröffneten Berliner Universität Unter den Linden abermals einer politischen Indoktrination zu unterwerfen. Am 4. Dezember 1948 erfolgt im Steglitzer Titania-Palast die feierliche Gründung der Freien Universität. An dem Festakt nehmen die drei westallierten Stadtkommandanten, Repräsentanten der Stadtverordnetenversammlung und des noch amtierenden Magistrats teil. Im Wintersemester 1948/49 wird der Lehrbetrieb unter denkbar einfachen Bedingungen in Dahlem aufgenommen. Der Schwarz-Weiß-Film "Eine freie Universität" von Wolfgang Kiepenheuer behandelt die Vorgeschichte und die Gründungsphase der Freien Universität Berlin: – "Eine freie Universität" von Wolfgang Kiepenheuer/Ikaros-Film (1949)
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Mai 1945Das Ende des 2. Weltkrieges und der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland2.5.1945 7.5.1945 8./9.5.1945 |
11.7.1945Errichtung der Viermächteverwaltung BerlinsDie vier Siegermächte (USA, UdSSR, Großbritannien, Frankreich) übernehmen gemeinsam die Regierungsverantwortung für Groß-Berlin. Die Stadt wird in vier Sektoren aufgeteilt. Am 23.7. zieht die Alliierte Kommandantur in das Gebäude in der Kaiserswertherstraße 16-18, den heutigen Sitz des Präsidiums der FU. |
Januar 1946Eröffnung der Berliner Universität20.1.1946 29.1.1946 Die "Universität Berlin" hat keinen autonomen Status, sondern gilt juristisch als eine Dienststelle der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone. Zu ihrem ersten Rektor wird der Altphilologe Johannes Stroux ernannt. Beim Festakt spricht für die Militärregierung General Pjotr Solotuchin, für die Verwaltung für Volksbildung deren Präsident Paul Wandel und für die Studentenschaft Georg Wrazidlo. |
1.5.1946Studenten protestieren gegen kommunistische Embleme.Ungefähr dreißig Mitglieder der "Studentischen Arbeitsgemeinschaft" und andere Studenten protestieren schriftlich beim Rektor gegen das Hissen einer roten Flagge und die Anbringung des Emblems der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) über dem Haupteingang der Universität und übergeben ihren schriftlichen Protest der Presse. Kurz darauf wird der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Georg Wrazidlo, seines Postens enthoben. |
17.12.1946"Vorläufiges Studentenstatut für die Hochschulen der sowjetischen Besatzungszone"Als allgemeine Vertretung der Studentenschaft hat der von den Studenten gewählte "Studentenrat" folgende Aufgaben:
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Januar 1947Die erste Ausgabe des Periodikums "Forum – Zeitschrift für das geistige Leben an den deutschen Hochschulen" erscheint unter sowjetischer Lizenz. |
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6.2.1947Wahlen an der Berliner UniversitätVon den 4 200 wahlberechtigten Studenten beteiligen sich 76,4 % an der Wahl der 28 Mandate des Studentenrates. Die überlieferten Angaben des Wahlergebnisses sind unvollständig. Die bekannten Mandate verteilen sich wie folgt: SPD: 5, SED: 3, CDU: 2, LDP (Liberal-Demokratische Partei): 1, Parteilose: 12. |
8.11.1947Polemischer Artikel im Tagesspiegel: "Universitas oder Parteihochschule?"Der Artikel erhebt den Vorwurf, die Zentralverwaltung für Volksbildung habe die Berliner Universität in eine "Volksuniversität" verwandelt, die "kommunistische Funktionäre" ausbilde, "die nebenher auch heilen, richten, abrichten", während die Professoren, "überaltert, unpolitisch, sorglich darauf bedacht, sich nicht bloßzustellen", nahezu widerspruchslos der SED-Politisierung verfielen. |
Dezember 1947Erste Forderung nach Neugründung einer UniversitätOtto Hess (SPD) fordert in der Zeitschrift "Colloquium" eine "internationale Universität Berlin". Die Planung solle von einem internationalen Kuratorium aus Wissenschaftlern, Künstlern, Wirtschaftsfachleuten und Gewerkschaftlern übernommen werden. |
11.12.1947Wahlen zum 2. Studentenrat an der Berliner UniversitätDie Wahlbeteiligung beträgt 75,5%. Die 30 Mandate verteilen sich wie folgt: SED: 3, CDU: 3, SPD: 2, LDP: 1, Parteilose: 21. In der Philosophischen Fakultät erhält der Vorsitzende der SPD-Hochschulgruppe, Otto Stolz, mehr als zwei Drittel der gültigen Stimmen. Die Juristische Fakultät wählt den Vorsitzenden der CDU-Hochschulgruppe, Ernst Benda, den späteren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. |
Januar 1948Entnazifizierung der Berliner UniversitätDurch die Entnazifizierung der Berliner Universität verlieren 349 Mitglieder des Lehrkörpers ihre Stellungen. |
15.1.1948Beschluss zur Errichtung einer "Hochschule für Politik"Die Stadtverordneten von SPD, CDU und LDP (Liberal-Demokratische Partei) beschließen gegen die Stimmen der SED die Errichtung einer "Hochschule für Politik", die außerhalb der Berliner Universität den städtischen Behörden, und damit der nichtkommunistischen Mehrheit des Magistrats, unterstellt werden soll. Die Hochschule wird am 15.1.1949 eröffnet. Siehe auch den Eintrag zum 28.7.1950 |
Ab Januar 1948Studenten der Universität Unter den Linden publizieren kritische Artikel in der Zeitschrift "Colloquium".In der Studentenzeitschrift "Colloquium" erscheinen satirische Artikel von Otto Stolz, z. B. über die Amtseinführung des neuen Rektors der Linden-Universität. Außerdem erscheinen kritische Kommentare von Otto Hess unter dem Titel "Wie lange noch? Kampf um die Universität". Die Veröffentlichungen richten sich gegen den Einfluss der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) auf die von den sowjetischen Behörden kontrollierte Universität.
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29.4.1948Antrag auf Einrichtung einer "freien Hochschule"Die SPD beantragt in der Berliner Stadtverordnetenversammlung, dass der Magistrat beauftragt wird, "sofort alle Maßnahmen für die Errichtung einer freien Hochschule zu ergreifen, an der Freiheit und Unabhängigkeit der Wissenschaft und Lehre und eine demokratische Haltung der Studentenschaft gewährleistet ist." Am 11.5. wird der Antrag angenommen – gegen die Stimmen der SED-Fraktion. |
21.5.1948Die Expertenkommission der US-Militärregierung befürwortet die Neugründung einer Universität im amerikanischen Sektor Berlins.Ein am 4. Mai von General George Hays, stellvertretender Militärgouverneur in der amerikanischen Besatzungszone, unter dem Vorsitz von Kendall Foss eingerichtetes Komitee (Committee on the Establishment of a German University in the US Sector of Berlin) prüft positiv die "Durchführbarkeit der Errichtung einer deutschen Universität im US-Sektor von Berlin", erwartet jedoch eine Initiative von Seiten der Berliner. Schon seit 1946 bestand das Projekt, im amerikanischen Sektor Berlins eine Forschungshochschule nach dem Vorbild der "Schools for Advanced Studies" zu gründen (siehe den Eintrag zum 4.11.1946). Es wird wegen der Gründung der Freien Universität nicht mehr weiterverfolgt. |
25.5.1948Aufruf des "Tagesspiegel" an "ganz Deutschland"In einem Artikel ruft der Tagesspiegel dazu auf, eine private Stiftung für eine freie Berliner Universität zu gründen. Die Professorenschaft der Humboldt-Universität habe sich mit wenigen Ausnahmen "der Tyrannei gefügt". Von Diskussionen und Resolutionen habe die Berliner Bevölkerung genug. "Theorien mögen vertreten werden, wenn die Universität gegründet ist". |
24.6.1948Beginn der "Berlin-Blockade"Die Arbeit des Gründungsausschusses fällt in die Zeit der "Berlin-Blockade", die am 24.6.1948 beginnt. Die Blockade ist eine Folge der Währungsreformen in West- und Ost-Deutschland. Am 20. Juni hat eine Währungsreform durch Einführung der D-Mark in den drei westlichen Besatzungszonen (ohne West-Berlin) stattgefunden. Ihr folgt am 23. Juni eine separate Währungreform in der Sowjetischen Besatzungszone, inkl. Ost-Berlin. Am 24. Juni dehnen die Kommandeure der westlichen Sektoren Berlins die Währungsreform auf ihre Sektoren aus. Die Sowjetunion erklärt die Vier-Mächte-Verwaltung Groß-Berlins für "praktisch beendet". Die sowjetischen Besatzungsbehörden blockieren am 24.6.1948 sämtliche von den westlichen Alliierten genutzten Landwege zu den Sektoren von Berlin. Ab dem 26.6.1948 wird die Bevölkerung von West-Berlin durch die Alliierten über eine "Luftbrücke" versorgt. Mit fast 200 000 Flügen werden rund 1,5 Millionen Tonnen lebenswichtiger Güter nach Berlin transportiert. Alle 2 bis 3 Minuten landet eine Maschine – von den Berlinern "Rosinenbomber" genannt – auf einem der drei West-Berliner Flughäfen. Beendet wird die Blockade erst am 12.5.1949. |
22.9.1948Der Magistrat Reuter I mit der Oberbürgermeisterin Louise Schroeder stimmt der "Errichtung einer Freien Universität" zu.Der Magistrat Reuter I beauftragt die Abteilung für Volksbildung, umgehend eine Satzung für die Universität zu entwerfen, damit der Lehrbetrieb zum Wintersemester 1948 aufgenommen werden kann. Siehe den Eintrag zum 4.11.1948 |
Wintersemester 1948/49Gründung des Geographischen InstitutsDie Geowissenschaften gehören von Beginn an als Fachgebiet zur Freien Universität. Im ersten Universitätsjahr ist das Geographische Institut, das 1946 aus dem Institut für Geomorphologie und Kartographie der Akademie der Wissenschaften entstand, ein Teil der Philosophischen Fakultät. Es befindet sich in der Potsdamer Straße 11 (Lichterfelde-West). Im Wintersemester 1949/50 wird zunächst das Geographische Institut in die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät eingegliedert, später folgen das Geologische Institut (ebenfalls in der Potsdamer Straße 11) und das Institut für Meteorologie und Geophysik (Kiebitzweg 20). 1953 zieht das Geologische Institut in die Altensteinstraße 33. Ab 2001 untergliedert sich der Fachbereich Geowissenschaften in drei wissenschaftliche Einrichtungen: Geologische Wissenschaften, Geographische Wissenschaften und Meteorologie. Gleichzeitig wird mit der Planung des "GeoCampus" in Lankwitz begonnen. Siehe auch den Eintrag zum 1.4.1980. |
Oktober/November 1948Proteste der Studentenräte in der sowjetischen Besatzungszone gegen die Errichtung der Freien UniversitätAm 25. Oktober 1948 drückt der Vorsitzende des Studentenrats der Universität Greifswald in seinem Brief an den "vorläufigen Studentenausschuss der Freien Universität" die "Empörung" des Studentenrats aus, dass sich "Studenten, die sich Deutsche nennen", zum "Werkzeug und Aushängeschild von Mächten" gemacht haben, "die die Zerreißung Deutschlands beabsichtigen". Am 2. November 1948 lehnt der Studentenrat der Universität Leipzig in einem Schreiben die Gründung der Freien Universität ab. Am 6. November 1948 verweigert der Studentenrat der Friedrich-Schiller-Universität Jena in scharfer Form die Zusammenarbeit mit dem Allgemeinen Studentenausschuss der "sogenannten Freien Universität". In offiziellen DDR-Dokumenten blieb die Freie Universität bis 1989 eine "sogenannte Freie Universität". |
10.11.1948Friedrich Meinecke wechselt zur Freien Universität.Der international angesehene Historiker Friedrich Meinecke, der eine Professur für Geschichte an der Berliner Universität Unter den Linden innehat, wechselt zur Freien Universität. Am 4.12.1948 wird Meinecke Gründungsrektor der FU. Er amtiert bis zum Wintersemester 1949. Siehe auch den Eintrag zu Herbst 1951. |
15.11.1948Beginn der Vorlesungen an der Freien UniversitätDie ersten Vorlesungen finden an der Philosophischen Fakultät statt. Zu ihr gehören auch die Mathematik und die Naturwissenschaften. Mangels technischer Ausstattung kann noch keine eigenständige Naturwissenschaftliche Fakultät eröffnet werden. Untergebracht ist die Philosophische Fakultät in der Boltzmannstraße 3 (ehemals Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie). Im selben Gebäude wird auch das Immatrikulationsbüro eröffnet. Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät beginnt ihren Vorlesungsbetrieb am 22.11. in der Ihnestraße 22. Am selben Tag nimmt die Medizinische Fakultät an zehn Kliniken in Berlin ihren Lehrbetrieb auf, unter anderem im Städtischen Krankenhaus Westend, in der Städtischen Frauenklinik Charlottenburg und im Kaiserin-Auguste-Viktoria-Kinderkrankenhaus. Die Universitätsleitung zieht in das Haus in der Boltzmannstraße 4, das 1927 für die Bauabteilung und das Planarchiv der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft errichtet wurde. In ihrem ersten Semester hat die Freie Universität 2 140 Studenten (ausgewählt aus 5 500 Bewerbern) und 128 Professoren, Dozenten und Lehrbeauftragte. Im Besitz der Universität befinden sich schon 350 000 Bücher, die innerhalb von drei Monaten durch Spenden und Ankäufe erworben werden konnten. Die FU übernimmt mehrere in Dahlem gelegene Gebäude der ehemaligen Friedrich-Wilhelms-Universität. Außerdem stellt die Max-Planck-Gesellschaft zahlreiche Institutsgebäude der ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Dahlem zur Verfügung. Zur Unterbringung von Instituten werden zusätzlich Villen gemietet. Unter den Studenten wird der Satz "Wo Villen sind, ist auch ein Weg." zum geflügelten Wort (Beispiel eines Mietvertrages).
"Wir fingen mit einem Stuhl und einzelnen Kisten an, in einem von der
Militärregierung geräumten kleinen Haus, das dann Rektor und
Senat, AStA und Außenkommission beherbergen sollte, und die
Frühzeit der Wissenschaft lebte noch einmal auf in dem
größeren Haus der Philosophischen Fakultät, das alle
Institute dieser Fakultät unter einem Dach vereinte: Kunst und
Theater über den Sprachen der Welt, die Philosophie im Erdgeschoss,
und ganz oben, in den niedrigen Räumen unter dem Dach, das
Kaffeestübchen für den nützlichen Müßiggang."
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Verantwortlich für den Inhalt: chronik@fu-berlin.de – zuletzt aktualisiert am: 12.12.2024