Thema / Programm
Der Begriff der Intersubjektivität hat in der Philosophie des
20. Jahrhunderts eine herausragende Stellung erlangt. Seit der
Antike spielen Konzepte der Intersubjektivität vor allem in der
praktischen Philosophie eine wichtige Rolle. Mit der Neuzeit gewann
der Begriff stetig auch an epistemologischer Relevanz. Im 20.
Jahrhundert ist er in dem Maße zu einem Schlüsselbegriff ganz
unterschiedlicher Philosophien avanciert, wie pragmatistische
Tendenzen sich in diesen Philosophien durchgesetzt haben. Diese
Entwicklung hat das Resultat, daß in allen Debatten um die >großen<
Begriffe der Philosophie - wie Wahrheit und Objektivität, Moralität
und Legitimität, Bedeutung und Interpretation oder umfassend um
den Begriff der Rationalität - implizit auch immer Status, Bestimmung
und Reichweite des Konzepts der Intersubjektivität verhandelt
werden.
Die Prominenz des Intersubjektivitätsbegriffs führt aber nicht
dazu, daß dessen Status in philosophischen Theorien geklärt wäre.
Mit Blick auf die Frage nach dem Status zeichnet sich vielmehr
ein Streit ab. Auf der einen Seite stehen Philosophien, die diesen
Begriff für irreduzibel und fundamental halten. Hier ist zum Beispiel
an pragmatisti-sche Sprachphilosophien oder Wahrheitstheorien
zu denken, an Autoren wie Wittgenstein, Austin, Sellars, Davidson
und Brandom. Aber auch an die Philosophien der hermeneutischen
Tradition von Gadamer, Apel und Habermas. Auf der anderen Seite
stehen zum Beispiel Autoren wie Lévinas, Derrida oder Lyotard,
die in ihren Philosophien Zusammenhänge geltend machen, die sich
gerade nicht in Begriffen intersubjektiver Strukturen analysieren
lassen. Der in diesen Philosophien profilierte Begriff der Andersheit
sprengt das symmetrische und reziproke Geschehen intersubjektiver
Verhältnisse. Aber auch die Begriffe der Intentionalität (Husserl,
auch Fodor/Lepore u.a.) oder des guten Lebens (Nussbaum) kommen
als Kandidaten in Betracht, die die Unüberschreitbarkeit intersubjektiver
Strukturen in Frage stellen.
Das Kolloquium fragt im Sinne dieses Streits nach Rolle und Spielraum
des Intersubjektivitätsbegriffs. Erörtert werden sollen Intersubjektivitätskonzeptionen
aus unterschiedlichen Traditionen und verschiedenen philosophischen
Disziplinen. Daher geht es nicht allein um unterschiedliche Versionen
dieses Begriffs, sondern um seinen Funktionen in philosophischen
Theorien und auch um seine Grenzen aus der Perspektive dieser
Theorien.
Beiträge zum 7. Internationalen französisch-deutschen Philosophie-Kolloquium
können also sowohl bestimmte Intersubjektivitätsbegriffe zur Diskussion
vorschlagen wie solche bestimmter Theorien erötern, können die
Grenzen der Reichweite dieses Begriffs aufzeigen oder grundsätzliche
Einwände gegen seine theoretische Relevanz vorbringen. Das Ziel
des Kolloquiums ist es, das philosophische Spielfeld des Intersubjektivitätsbegriffs
und die explikativen Figuren zu klären, in denen dieser Begriff
auftritt.
Programm
Lundi, 16 juillet 2001
Matin
9:30 Alexei Krjukov (Bremen): Das Ich und Intersubjektivität
bei Husserl und Sartre
11:00 Rémy Gagnon (Québec): La source de
l'intersubjectivité: Exploration de l'asubjectivité
chez Jan Patocka
Après-midi
16:00 Dominique Weber (Paris): Ego sum expositus: Descartes
a-t-il jamais été un penseur solipsiste ?
17:30 Saku Hara (Mainz/Tokio): Die Zustandsraum-Semantik
und die Ähnlichkeit der Bedeutung
Mardi, 17 juillet 2001
Matin
9:30 David Lauer (Berlin): Wittgensteins Käfer. Intersubjektivistische
und subjektivistische Perspektiven auf das Verstehen.
11:00 Jens Kertscher (Heidelberg): Farblos grüne
Ideen schlafen wütend - Zur Intersubjektivität
der Sprache zwischen normativistischem Dogmatismus und hermeneutischem
Naturalismus.
Après-midi: Workshops
16:00 Ralf Krause (Berlin): Workshop - Sartre
16:00 Karin de Boer (Amsterdam): Workshop - Hegel
16:00 Karen Feldman/Ellen Cox (Berkeley/Paris): Workshop
- Intersubjektivität und Performativität
Mercredi, 18 juillet 2001
Matin
9:30Luigi Pastore (Bremen/Lecce): Der junge Heidegger über
die Begriffsbildung
11:00 Hans Bernhard Schmid (StGallen): Mitsein und Gemeinsamkeit
Après-midi libre
Jeudi, 19 juillet
Matin
9:30 Georg W. Bertram (Gießen): Intersubjektivität,
Normativität und die Regeln des Anderen
11:00 Andreas Cremonini (Basel): M'être. Jacques
Lacans kritische Transformation des hegelischen Anerkennungsgeschehens
Après-midi
16:00 Fotini Vaki (Essex): Marx and Habermas on Intersubjektivity
17:30 Stefan Blank (Berlin): Zu Habermas' Modell elementarer
Vergesellschaftung
Vendredi, 20 juillet 2001
Matin
9:15 Christophe Laudou (Madrid): L'intersubjectivité
à l'épreuve de la parole
10:30 Dirk Hommrich (Frankfurt/M.): "Cyborg-Semiologies"
zwischen Autorschaft und Re-Präsentation (Haraway)
11:45 Chris Troostwijk (Luxemburg/Amsterdam): Une phrase
de rien: communication sans adresse.
Après-midi
16:00 Abschlussdiskussion
Organisation:
Georg W. Bertram (Berlin), Robin Celikates (Amsterdam), David
Lauer (Berlin). In cooperation with: Alessandro Bertinetto (Udine), Karen Feldman (Berkeley), Jo-Jo Koo (Dickinson), Christophe Laudou (Madrid), Claire
Pagès (Paris), Diane Perpich (Clemson), Hans Bernhard Schmid (Wien),
Contact:
evian@philosophie.fu-berlin.de
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