International Philosophy Colloquia Evian
20th Colloquium 2014 - Evian, 13-19 juillet 2014

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Kolloquium 2003: Was ist der Mensch?

20th Colloquium 2014


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Thema / Programm

Selbstverständigung gehört zum Menschen. Sowohl die religiösen Schöpfungsgeschichten als auch das Orakel von Delphi geben ein frühes Zeugnis davon, dass der Mensch sich als derjenige versteht, der nach sich selbst fragen kann und muss - dem es aufgetragen ist, sich selbst zu erkennen. Das wichtigste und würdigste Studienobjekt des Menschen ist daher er selbst, so Pascal, Montaigne, Rousseau, Herder und zahllose andere in einer langen Tradition. An deren Ende erklärt Heidegger die Selbstverständigung zur Bestimmung des Menschlichen, als desjenigen Seins, dem es "in seinem Sein um sein Sein selbst geht". Auch die Philosophie ist aus dieser Suche nach der Bestimmung des Menschen hervorgegangen: Das Wesen des Menschen sei es, wonach der Philosoph eigentlich forsche, sagt Sokrates im Theätet, und die europäische Philosophie hat diese Aufgabenstellung durch die Jahrhunderte weitergereicht: Wenn sie die Fragen der Erkenntnis, des Handelns oder der Unendlichkeit behandelt, fragt sie, so Kant, zuletzt immer auch nach dem Menschen.

Die Verständigung über den Menschen hat auch die Philosophie des 20. Jahrhunderts in vielfältiger Weise bestimmt: Explizit um den Menschen und seine eigentümlich ex-zentrische, gefährlich instabile Stellung in der Natur geht es der philosophischen Anthropologie Plessners und Gehlens, ebenso dem Existenzialismus Sartres, der die menschliche Existenz im tragischen Zwiespalt zwischen Geworfenheit und dem Zwang zum Selbstentwurf verortet. Auf je eigene Weise treiben beide Schulen den uralten Topos des Menschen als des Wesens, das sich nicht nur selbst erkennen, sondern selbst erschaffen muss, auf die Spitze. Doch auch in vielen anderen Debatten blicken wir letzten Endes dem Menschen ins Antlitz: So in der Kulturphilosophie, die den Menschen mit Cassirer als Schöpfer symbolisch vermittelter Welten (animal symbolicum) bestimmt, in den phänomenologischen Untersuchungen Merleau-Pontys, und auch in den schulbildenden Reflexionen Wittgensteins über das zoon logon echon als dem Tier, das nur als Teilnehmer sozialer Praktiken zu jener Sprache kommen kann, auf die es seinen Anspruch auf Einzigartigkeit gründet. Hinter all den prominenten Fragen nach Existenz, Kultur, Sprache, Praxis und Leib scheint die vierte, die letzte Kantische Frage auf.

Andererseits hat das 20. Jahrhundert diese Frage aber auch in bis dato ungekannter Weise problematisiert. Gegen das aktivistische Bild der menschlichen Selbstverständigung hat Lévinas darauf insistiert, dass der Mensch in die Frage nach sich selbst vom Anderen gerufen wird, dass er sich diese Frage nicht selbst zu stellen vermag. Derrida ist nicht müde geworden, auf den impliziten Herrschaftsanspruch in der Frage nach dem Menschen und der in ihr immer schon vorausgesetzten Hierarchie zwischen humanitas und animalitas hinzuweisen. Und Foucault schließlich sezierte den "Menschen" selbst als historisch jungen Effekt spezifischer diskursiver Formationen und fragte: "Müsste man nicht eher darauf verzichten, den Menschen zu denken?" Immer hat die Philosophie auch den Traum geträumt, den alten Adam endlich loszuwerden, zugunsten des ganzen, des neuen, des Übermenschen. Heute kehren diese Sehnsüchte wieder in biologistischen und technophilen Diskursen, welche die Selbstabschaffung als wahre Selbsterschaffung des Menschen, den Post- oder Antihumanismus als Vollendung des Humanismus deuten.

Und doch scheint es, als würden wir den Menschen nicht so einfach los. Wie oft auch die Flut den Strand überspült - wenn sich die Wasser zurückziehen, lächelt immer noch das altvertraute Gesicht im Sand. Zeit also, die Kantische Frage erneut zu stellen: Was ist der Mensch? Diese Frage ist Teil auch der Selbstverständigung der Philosophie. Auch als solche soll sie die Tradition der Internationalen Französisch-Deutschen Philosophie-Kolloquien fortführen. Wir laden dazu ein, den Menschen aus allen philosophischen Perspektiven zu bedenken und Gründe zur Diskussion zu stellen, warum die Frage nach dem Menschen philosophisch im Spiel sein sollte oder warum nicht.


Programm

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Lundi, 14 juillet 2003

Der Status philosophischer Anthropologie heute
Christophe Laudou (Madrid): Anthropologie versus Ontologie
Jo-Jo Koo (Montreal): The Possibility of Philosophical Anthropology
Christian Lavagno (Osnabrück/Bremen): Der Mensch am Abgrund

Le visage dans le sable: Der Mensch nach Foucault
Arnaud Pelletier (Calais/Paris): Peut-il y avoir une grammaire de l'homme?
Jérôme Lèbre (Paris): Comment l'homme se caractérise. Les devenirs de l'anthropologie kantienne, entre Hegel et Foucault


Mardi, 15 juillet 2003

Elemente für einen Begriff des Menschen I: Relationalität und Aspektsehen
Werner Kogge (Berlin): Als Mensch sehen: Aspektwechsel und die Frage nach dem Menschen
Lyubov Bugaeva (Petersburg/Salzburg) / John Ryder (New York): Homo Relationales

Elemente für einen Begriff des Menschen II:
Benda Hofmeyr (Pretoria/Nijmegen): Self-created or Other-invoked? Foucault and Lévinas on What We Are
David Rose (Manchester): Vico, Heidegger and the Ontological Difference between the Human as Subject and the Human as Social Existence


Mercredi, 16 juillet 2003

Elemente für einen Begriff des Menschen III: Leib und Seele
Alain Beaulieu (Montréal): La redéfinition de l'homme par l'étude du corps vivant à partir de Nietzsche et Husserl
Olga Spharaga (Minsk): Leiblichkeit. Zwischen authentischem und sozialem Menschen
Georg W. Bertram (Hildesheim): Anthropologie der zweiten Natur

Après-midi libre


Jeudi, 17 juillet 2003

Elemente für einen Begriff des Menschen IV: Handeln, Freiheit und Schuld
Katrin Meyer (St. Gallen): "Gemischtes Handeln": Aristoteles, Arendt, Foucault
Elizabeth Butterfield (Atlanta): Sartre's Project of Reconceptualizing Human Being in his Later Marxist-Existentialist Works
Dirk Westerkamp (Braunschweig/Berlin): Der Mensch ist seine eigene Schuld (Schelling)

Elemente für einen Begriff des Menschen V: Scham und Langeweile
Birgit Griesecke (Berlin): Das Wesen, das verstummt: Scham, Schmerz, Sprachlosigkeit
Julia Ponzio (Bari): The Boredom of Present as Fundamental Characteristic of Human Being


Vendredi, 18 juillet 2003

Ausblicke: Die Zukunft des Menschen
Raphael Ntambue (Passac): L'anthropologie philosophique dans les sillages de la révolution numérique
Luiza Palanciuc (Bucuresti/Paris): Habeas corpus. De l'homme intermittent et autres absences
Stefan Deines (Gießen): Zwischen Humanismus und Antihumanismus. Zu einer kritischen Theorie nach Adorno, Foucault und Butler

Abschlussdiskussion

 

Organisation: Georg W. Bertram (Berlin), Robin Celikates (Amsterdam), David Lauer (Berlin). In cooperation with: Alessandro Bertinetto (Udine), Karen Feldman (Berkeley), Jo-Jo Koo (Dickinson), Christophe Laudou (Madrid), Claire Pagès (Paris), Diane Perpich (Clemson), Hans Bernhard Schmid (Wien), Contact: evian@philosophie.fu-berlin.de