Thema / Programm
Die Philosophie des 20. Jahrhunderts hat insgesamt eine Bewegung
hin zur Sprache vollzogen. Der sogenannte "linguistic turn" der
analytischen Philosophie ist nur ein Moment dieser Bewegung, die
z.B. auch im hermeneutischen (Heidegger, Gadamer), gesellschaftstheoretischen
(Habermas) und neostrukturalistischen Kontext (Lacan, Deleuze,
Lyotard) sichtbar wird . Die Verschiebung philosophischer Fragestellungen
hin zur Sprache hat also aufs Ganze gesehen keinen gemeinsamen
Verlauf genommen, sondern sehr unterschiedliche Positionen hervorgebracht.
Das
wird besonders an den Konsequenzen deutlich, die diese Entwicklung
für den Begriff des Subjekts hat. Das Subjekt bekommt auf der
einen Seite aus den sprachbezogenen Überlegungen heraus einen
großen Stellenwert zugeschrieben, da es die Instanz abgibt, die
Sprechakte vollzieht oder Sprache mit Intention verbindet. Auf
der anderen Seite wird es regelrecht destruiert, wenn Sprache
als ein System begriffen wird, das sich jeder Beherrschbarkeit
entzieht. Prominent ist aus dieser Debatte das Schlagwort vom
"Tod des Subjekts" hervorgegangen.
Das
Kolloquium fragt also nach der Korrelation von Sprachen und Subjekt.
Dabei ist es nicht in erster Linie interessant, polemische Konfrontationen
vorzunehmen. Vielmehr sollen hinsichtlich dieser Frage positive
Ortsbestimmungen unternommen werden. Welchen Ort hat das Subjekt
aus der Perspektive der sprachreflexiven Wende? Welche Funktionen
hat das Subjekt im Rahmen einer Sprachtheorie? Das sind einige
der Fragen, die das Kolloquium leiten sollen.
Diese
Fragerichtung ist dabei nicht als historische Beschränkung des
Themas zu verstehen. Es soll nicht behauptet werden, daß Subjekt
und Subjektivität allein aus den Positionen des 20. Jahrhunderts
heraus gedacht werden könnten. Auch die Verortungen des neuzeitlichen
Rationalismus oder des Deutschen Idealismus z.B. sind im Rahmen
der Fragestellung von Relevanz, besonders wenn sie in sprachtheoretischer
Perspektive reformuliert werden. Die Themenstellung hat zugleich
das Ziel, eine Debatte zwischen den unterschiedlichen Positionen
des 20. Jahrhunderts, besonders den analytischen, hermeneutisch-
phänomenologischen und (neo)strukturalistischen Philosophien,
zustande zu bringen. Exemplarisch sind es hier die Aspekte von
Bewußtsein und Intention, von Verstehen und Sprachpragmatik, von
Sprachkritik und Intersubjektivität, die das Spannungsfeld der
Korrelation von Subjekt und Sprachen umreißen.
Die
Frage nach dem Ort des Subjekts vor dem Hintergrund seiner Relevanz
in und für Sprachen und Sprechen schließt ein, grundsätzlich einen
Begriff von Sprache und einen Begriff von Subjekt zu entwickeln
und zu diskutieren. Der Begriff der Sprache in der Spannung zwischen
dem Primat des Zeichens oder dem des Satzes beispielsweise kann
dabei genauso betrachtet werden wie die Differenz, das Subjekt
als Reflexionsform oder als Epiphänomen zu explizieren. Sofern
solcherlei Bestimmungen zur Beantwortung der Frage "Wer spricht?"
beitragen, sind sie Teil des Themas, das dem Kolloquium gestellt
ist.
Programm
LUNDI / MONTAG, 12.7.1999
matin / Vormittag
Kurt Röttgers (Hagen): Ça parle - Wer sagt
das? Le retour des zombies / Es spricht - Qui dit ça ?
Die Rückkehr der Zobmies
Olivier Ammour-Mayeur (Paris): La passe équivoque
ou le don des langues / Die zweideutige Übergabe oder Die
Gabe der Sprachen
APRÈS-MIDI / NACHMITTAG
Agata Zielinski (Grenoble): Le silence de l'ami ou le don
fait au sujet / Das Schweigen des Freundes oder die dem Subjekt
gemachte Gabe
Andreas Gelhard (Bochum): La pensée de l'impossible
et le langage / Das Denken des Unmöglichen und die Sprache
MARDI / DIENSTAG, 13.7.1999
MATIN / VORMITTAG
Nicolas Soleymieux (Grenoble) : Proposition d'une pensée
radicale du corps-sujet chez Artaud / Vorschlag für ein radikales
Denken des Körper-Subjekts nach Artaud
Malgorzata Kwieniewska (Lodz): Qui parle? / Wer spricht?
APRES-MIDI / NACHMITTAG
Aline Mura-Brunel (Paris) : Le silence et le sujet dans
le roman balzacien / Schweigen und Subjekt in den Romanen Balzacs
Marion Picker (Paris / Baltimore): "
in dem
Gefäß, das dich erfreut": Toi et chose, mot du
nom et appel dans le Stundenbuch de Rilke / Du und Ding,
Namenwort und Anrede in Rilkes Stundenbuch
Stéphane Patrice (Lyon) : Les mots de l'histoire
dans le Vice-consul (Duras) / Die Worte der Geschichte
im Vizekonsul
MERCREDI / MITTWOCH, 14.7.1999
MATIN / VORMITTAG
Ellen Cox (Chicago / Paris) : Les lois qui parlent : Derrida,
Platon et une phénoménologie de l'admiration / Die
Gesetze, die sprechen: Derrida, Platon und eine Phänomenologie
der Bewunderung
Georg W. Bertram (Gießen): Différenciaition
des signes et intention / Zeichendifferenzierung und Intention
APRES-MIDI / NACHMITTAG: libre / frei
JEUDI / DONNERSTAG, 15.7.1999
MATIN / VORMITTAG
Stefan Blank (Berlin): L'autre est singulière. Promis
! / Der Andere ist einzig. Versprochen!
Philippe Saltel (Grenoble) : Amour et reconstitution subjective
/ Liebe und die Wiederherstellung des Subjekts
APRÈS-MIDI / NACHMITTAG
Karen Feldman (Frankfurt/Oder): Les succès performative
et l'échec rhétorique de la conscience dans Phénoménologie
de l'esprit de Hegel / Die performativen Erfolge und das rhetorische
Scheitern des Gewissens in der Phänomenologie des Geistes
von Hegel
Katrin Nolte (Berlin): Qui parle? Conventionalité
et subjectivité chez Gadamer / Wer spricht? Konventionalität
und Subjektivität bei Gadamer
VENDREDI / FREITAG, 16.7.1999
MATIN / VORMITTAG
Chris Doude von Troostwijk (Bruxelles) : 'Les confusion
d'Augustin'. Lyotard sur le discours confessif / 'Die Verwirrungen
des Augustinus'. Lyotard über den Bekenntnisdiskurs
Anita Kernwein (Stuttgart): "Au-delà du sujet":
La pensée faible de Gianni Vattimo / "Jenseits vom
Subjekt": Vattimos schwaches Denken
Marie-Helene Viart (Lille) : C'est toujours l'autre qui
parle / Und immer spricht der andere
APRES-MIDI / NACHMITTAG: libre / frei
SAMEDI / SAMSTAG, 17.7.1999
MATIN / VORMITTAG
Frauke Kurbacher (Münster): Comment parler?'
Réflexions sur le rapprochement et la fuite / 'Wie sprechen?'
Überlegungen zu Annäherung und Flucht
Thomas Bedorf (Bochum): Can the Subaltern Speak'?
Le sujet dans les Postcolonial Studies / 'Can the Subaltern Speak?'
Das Subjekt in den Postcolonial Studies
APRES-MIDI / NACHMITTAG: discussion terminale
Organisation:
Georg W. Bertram (Berlin), Robin Celikates (Amsterdam), David
Lauer (Berlin). In cooperation with: Alessandro Bertinetto (Udine), Karen Feldman (Berkeley), Jo-Jo Koo (Dickinson), Christophe Laudou (Madrid), Claire
Pagès (Paris), Diane Perpich (Clemson), Hans Bernhard Schmid (Wien),
Contact:
evian@philosophie.fu-berlin.de
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