Virtueller Campus

Forschung und Entwicklung für Neues Lehren und Lernen

17.-19. September 1996

Audiovisuelles Medienzentrum Universität - Gesamthochschule - Siegen

  • Bereich Multimediales Lehren und virtuelle Seminare: Entwicklungsbeispiele und Erfahrungen

  • Arthur E. Imhof (FU Berlin): Geschichte multimedial und webbetreut


Geschichte multimedial und webbetreut
Beispiele und Erfahrungen

Arthur E. Imhof


Gehen Sie bitte on-line und rufen Sie im folgenden die unterlegten Hotwords auf.

Design / best view : Netscape 2.0; 1024x768; 65K colours


Abstract

Seit dem Wintersemester 1995/96 erfolgt der überwiegende Teil meiner Lehrveranstaltungen unter massiver Einbeziehung von (eigenproduzierten) CD-ROMs und WWW, eine im übrigen ideale Kombination. Die digitalisierte Grundmasse besteht aus Hunderten von seinerzeitigen Unterrichts-Dias, die beim Aufkommen der neuen Medien auf Photo-CDs überführt wurden. Hieraus entstanden nicht nur mehrere mittlerweile auf dem Markt erschienene interaktive CD-ROMs, die im WWW kontinuierlich weiterbetreut werden. Auch studentische Teilnehmergruppen brachten ihre als Leistungsnachweise anerkannten und im WWW vorgestellten CD-ROM-Seminararbeiten bis zur Produktionsreife.



Drei wesentliche Punkte gehen schon aus dem obigen Abstract hervor:

  • Zum einen ist in allen meinen Lehrveranstaltungen die Arbeit mit Bildern, Grafiken, Figuren grundlegend. Menschen sind meines Erachtens "Augentiere". Wir nehmen 80 % unserer Eindrücke visuell wahr.
  • Zum anderen macht es beim Stand der heutigen Technik (noch) Sinn, voluminöse (Bild-) Dateien auf CD-ROM zu speichern und dort auch gleich in HTML zu kommentieren. Vertiefende Erläuterungen, aktualisierende Ergänzungen und Hinweise erfolgen sodann online über das World Wide Web.
  • Zum dritten ist diese Ausbildung in den Geisteswissenschaften praxisbezogen und arbeitsmarktorientiert (Schule, Journalismus, Bibliotheks- und Museumslaufbahn usw.).


Beispiele

Mein eigentliches Fachgebiet im Rahmen der Sozialgeschichte der Neuzeit ist die Historische Demographie. Seit 1975 vertrete ich diese Disziplin in Forschung und Lehre an der Freien Universität Berlin beziehungsweise seit Anfang der 1980er Jahre in Intensivkursen für Postgraduierte an unterschiedlichen Universitäten Brasiliens sowie in anderen Schwellen- und Entwicklungsländern (die uns in vielen diesbezüglichen Entwicklungen nachfolgen). Aus Hunderten von im Lauf der Jahre entstandenen Lehr-Diapositive wurden 1994/95 die immer wieder zum Zuge kommenden aussagekräftigsten ausgewählt. Mit einem Team wurde sodann auf dieser Grundlage eine interaktive CD-ROM "Historische Demographie I" bis zur marktfähigen Produktionsreife gebracht. Seit ihrem Erscheinen um die Jahreswende 1995/96 wird ihr ein- für allemal (ROM-) fixierter Inhalt von mir im World Wide Web kontinuierlich betreut. Auf diese Weise behält sie ihre Aktualität auf Jahre hinaus bei. Sie kann folglich diesbezüglichen Lehrveranstaltungen hier oder anderswo auf der Welt weiterhin zugrunde gelegt werden.

"Historische Demographie I" lässt "Historische Demographie II" erwarten. Wie hängen die beiden Projekte zusammen? Die bereits vorliegende CD I führt anhand zahlreicher Schaubilder in die Bevölkerungsvorgänge der letzten vier-, fünfhundert Jahre ein. Ihr hauptsächlichstes Quellenmaterial sind "harte" Daten: Geburts- und Sterbeeintragungen aus Kirchenbüchern, Angaben zu Lebenserwartungen und Todesursachen aus Statistischen Ämtern, von anderen Forschern publizierte oder eigene Berechnungen über Kinderzahlen oder Müttersterblichkeit und dergleichen mehr. Kennzeichnend für historische Bevölkerungen ist - wie sich hierbei immer wieder zeigt - die verglichen mit heute hohe Mortalität und als Folge davon die niedrige durchschnittliche Lebenserwartung. Noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts betrug sie - mit grossen Abweichungen nach unten und oben - bloss um die 30 bis 40 Jahre. Säuglinge, Kinder, Mütter, Erwachsene allen Alters wurden aufgrund von "Pestilenzen, Hunger, Krieg" immer wieder vorzeitig hinweggerafft.

"Historische Demographie II" greift diesen Sachverhalt auf. Im Gegensatz zur ersten CD liegen hier jedoch "weiche" Daten zugrunde. 300 ausgewählte Votivtafeln aus der Wallfahrtskirche von Sammarei (= Sankt Marien; nahe bei Passau in Niederbayern) führen uns drastisch vor Augen, weshalb die durchschnittliche Lebenserwartung in vergangenen Tagen keine 40 Jahre betrug. (Votivtafeln sind Bitt- oder Dankesbezeugungen einer überirdischen Stelle gegenüber. Mangels anderer Möglichkeiten wandten sich unsere Vorfahren in Notsituationen an bestimmte Heilige oder an die Muttergottes, damit diese als dem Herrn besonders Nahestehende bei ihm ein gutes Wort für sie einlegten und um Abwendung oder doch Linderung baten. Als Gegenleistung wurde die Stiftung einer Tafel versprochen ["ex voto" = aufgrund eines Versprechens oder Gelöbnisses]. Diese Tafel mit der bildlichen Darstellung der Notsituation wurde anschliessend zur grösseren Ehre des hilfreichen Patrons oder der Patronin für alle Gläubigen gut sichtbar in einer Kirche öffentlich angebracht.) Auf solchen Votivtafeln findet sich das gesamte Spektrum alltäglicher Notsituationen illustriert, also nicht nur solche, die unmittelbar zu einem vorzeitigen Tod führten. So sehen wir Bitten um Befreiung aus jahrelanger Schwermut ebenso wie eine grosse Zahl von Haushalts-, Arbeits-, Transport- und Verkehrsunfällen, viele mit lebensqualitätsmindernden Langzeitauswirkungen. Andere Tafeln wiederum zeigen durchbrennende Pferde oder wild gewordene Stiere, beissende Hunde oder ausschlagende Rösser in grosser Zahl; noch andere räuberische An - und Überfälle, Schlägereien und Messerstechereien. Das Spektrum umfasst des weiteren bedrohte Haustierbestände ebenso wie Blitzeinschläge und Feuersbrünste, Lungen- und sehr häufig Augenleiden oder Sehbeschwerden genauso wie Gehbehinderungen wegen Knie- oder Fersenschmerzen, Brandwunden, Verbrühungen, Verbrennungen, in Kriegsgefangenschaft geratene Soldaten und chirurgische Eingriffe mit ungewissem Ausgang. Rührend ist die grosse Besorgtheit um Säuglinge und Frauen in Kindsnöten, überhaupt um alles Irdische und nicht zuletzt um das ewige Seelenheil. Es gibt keine andere Quelle, die uns gleichermassen bildhaft die überall und jederzeit gefährdete Existenz vergangener Zeiten, aber auch das Gottvertrauen so eindrücklich vor Augen führen und in Erinnerung rufen könnte.

Da mein Gesamtbestand an digitalisierten Sammareier Votivtafeln mittlerweile bei rund 1200 liegt (gespeichert auf entsprechend vielen Photo-CDs), versteht sich fast von selbst, dass dieses in Forschung und Lehre immer wieder benutzte attraktive Material auch bei Lehrveranstaltungsteilnehmern inzwischen auf so grosses Interesse stiess, dass sich besonders Engagierte zu Gruppen zusammenschlossen und Teilbereiche selbstständig bis hin zu eigenen interaktiven CD-ROMs weiterbearbeiteten. Die folgende Übersicht listet sowohl einige Standard-Ausführungen meinerseits im WWW dazu wie auch WWW-Informationen und -Erfahrungsberichte von Teilnehmerseite auf. Günstig wirkt sich in diesem Zusammenhang sicher aus, dass zu jeder einzelnen Votivtafel bereits ein Dokumentationsblatt vorliegt und zudem die Copyrightfrage befriedigend geklärt ist. In interdisziplinärer Hinsicht erfolgt ferner eine starke Stimulierung durch das immer wieder bezeugte Interesse von Seiten der Deutschen Volkskunde.



Ein zweites Beispiel, das sich bewährt hat, betrifft einen europäischen Erasmus-Kurs 1995/96, an dem Angehörige der Universitäten Alcala, Bremen, Helsinki, Joensuu, Leicester, Linz und Tampere teilnahmen. Ende 1995 waren die mir als einem der Dozenten (im Bereich Sozialgeschichte der Neuzeit) zugeteilten sechs Themen im WWW verfügbar, so dass sich sämtliche Teilnehmer zu Hause intensiv vorbereiten konnten. Vom 15.-20. April 1996 traf man sich dann nur noch zu einem Brain-storming realiter an der finnischen Koordinations-Universität Tampere. - Wer möchte, kann sich die Kursinhalte nun auch noch nachträglich aneignen:


Erfahrungen

Drei der nachhaltigsten und schönsten Erfahrungen seien vorab aufgeführt:

  1. die im Hinblick auf die eigene Forschung und Lehre permanent stimulierende globale INTERNET-Messlatte. - Wir sind nicht der Nabel der Welt. Augenöffnende Entdeckungen im WWW erfolgen so gut wie täglich. Je nachdem setzen sie einen in Erstaunen, sind heilsam anspornend oder holen einen auf den Boden der Realitäten zurück.
  2. das wiederholt festgestellte, weit überdurchschnittliche Lehrveranstaltungs-Teilnehmer-Engagement in kleinen hochmotivierten Teams zwecks sinnvoller Nutzung zukunftsweisender Technologien
  3. eine die eigene schöpferische Phantasie immer wieder beflügelnde Freude am Gestalten im WWW, und damit verbunden oft das Erfolgserlebnis: die Botschaft kommt an.

Teilnehmer lernen ganz neu hinsehen, zuerst auf den Monitor, dann - neugierig gemacht - auf das Original. Als Beispiele hierfür mögen einige Samples im folgenden "Test- und Demonstrationsfeld" dienen. Wichtig scheint mir hierbei, als Hochschullehrer (auch in den Geisteswissenschaften) die technischen Möglichkeiten selbst so weit zu beherrschen, dass ein inhaltlich gleichermassen sinnvolles wie ästhetisch überzeugendes Resultat entsteht. Hinsichtlich des WWW-Standard-Browsers Netscape 2.0 meint dies die relativ simple Handhabung von HTML-Gestaltungselementen wie Hotwords, Tables, Frames, Imagemaps. Mehr ist zu Beginn kaum notwendig. Vom Delegieren diesbezüglicher Arbeiten an Freaks, geschweige an Schreibkräfte halte ich wenig, vom Lernen von versierten Kollegen (aus anderen Diszplinen oder/und dem Netz) beziehungsweise von studentischen Teilnehmern eigener Lehrveranstaltungen wesentlich mehr, und noch mehr von einem ständigen Learning by Doing.

Die Samples stammen alle aus weiter oben angeführten Unterrichtseinheiten und können dort bei Interesse in grösserem Zusammenhang studiert werden. Nehmen wir als Exempel aus dem Erasmus-Kurs nochmals Holbeins Kaufmann Gisze. Es ist nach meinem Dafürhalten schon beeindruckend, bei geteiltem Bildschirm jeweils in der einen Monitorhälfte das "Original" beziehungsweise durch horizontales und vertikales Scrollen die gesuchte Bildpartie vor Augen zu haben, und in der anderen Hälfte gleichzeitig anhand der sensitiven Umzeichnung die entsprechende Erläuterung einblenden zu können. Je nachdem, ob man sich hierbei für einzelne "Schriftpartien" (linke Monitorhälfte) oder aber für "Gegenstände" interessiert (rechte Monitorhälfte), kann das Original durch Anklicken des unterlegten "Holbeins Kaufmann Gisze" abwechslungsweise in die rechte oder linke Monitorhälfte plaziert werden. - Wer würde sich hierdurch nicht angestachelt fühlen, anschliessend auch auf dem "richtigen Original" noch genau hinzusehen? Zumal es in der Gemäldegalerie Dahlem nur wenige Minuten vom Geschichtsinstitut entfernt hängt. Für nicht wenige Studierende selbst höherer Semester war es, man glaubt es kaum, der erste Besuch im Museum.

Aus dem Erasmus-Kurs stammt auch das Beispiel Hugo Simberg / H. C. Andersen. Diesmal handelt es sich um eine Monitorteilung, bei der links ein Bild des hierzulande kaum bekannten Finnen Hugo Simberg (1873-1917) erscheint und rechts in horizontal nochmals unterteilten Segmenten die deutsche beziehungsweise die englische Version eines Märchens von H. C. Andersen, das dem Künstler als Inspirationsquelle diente. Auf diese Weise lässt sich die Umsetzung von Text ins Bild Zug um Zug sehr schön und augenöffnend nachvollziehen.

Zu den erfreulichen Erfahrungen gehört sodann ferner sicher auch, auf ganz neue Weise in überregionale Zusammenhänge eingebunden zu werden. Auch hier sei ein konkretes Beispiel angeführt.

Bekanntlich ist 1996 wieder einmal ein Luther-Gedenkjahr: der 450. Todestag des Reformators (1483-1546). Entsprechend wurden die Themen der traditionellen Sonntagsvorlesungen im berühmten Predigerseminar der Lutherstadt Wittenberg gewählt. Den Anfang machte im Januar eine Veranstaltung zu Ars moriendi, der "Kunst des Sterbens" aus dem Spätmittelalter. Da ich diese Vorlesung mitsamt den dazu gehörenden Illustrationen bereits im WWW hatte, liess es sich der einfallsreiche Webmaster in Wittenberg nicht nehmen, sie seinerseits in die von ihm weitausholend und vorbildlich betreuteten Webseiten zum Luthergedenkjahr zu integrieren. Eine entsprechend weite Verbreitung erfuhr die Vorlesung, und entsprechend leicht ist für Interessierte eine nachträgliche Vertiefung in die Materie. - Am Rande sei erwähnt, dass sich aufgrund von derlei virtuellen "Vorlesungen" nicht nur unbekannte "Hörer" angesprochen fühlen und sich melden, sondern auch längst im Berufsleben stehende ehemalige Doktoranden, Magistranden, Studierende aller Art, die auf diese Weise ihre Kenntnisse auffrischen und auf den aktuellen Stand bringen wollen - ein keineswegs gering zu veranschlagender Nebeneffekt.

Die bisher gemachten, hier zumindest knapp skizzierten positiven Erfahrungen mit den neuen Medien in den letzten zwei, drei Jahren überwiegen die negativen bei weitem. Niemand wird annehmen, dass es diese nicht auch gäbe. Damit sind nicht die quasi systemimmanenten Frust-Elemente gemeint: Hard- und Software-Probleme, Systemzusammenbrüche, Warteschlangen, ein gerüttelt Mass an Zeit- und Arbeitsaufwand. Damit lässt sich leben. Begründeten Anlass zur Sorge gibt vielmehr das geruhsame Schlafen mancher Stellen mit Verantwortung tragender Entscheidungsbefugnis. Wie etwa soll man verstehen, dass den landespolitischen Haushaltsgremien beziehungsweise der eigenen Universitätsspitze angesichts - durchaus nachvollziehbarer - Sparzwänge als erstes einfällt, den Fachbereich Informatik aufzulösen und als zweites die ZEAM (Zentraleinrichtung für Audiovisuelle Medien)? Dass Dekane in den Geisteswissenschaften (Geschichte) den Standpunkt vertreten: "So etwas (Internet-angeschlossener CIP-Pool) kommt mir zu meinen Lebzeiten nicht ins Haus!" In den Geisteswissenschaften bilden wir Lehrer, Journalisten, Museumsfachleute aus. Wie sollen sich Lehrer vor Schülern behaupten, die mit den zukunftsweisenden neuen Technologien längst vertraut sind? Was machen Museen von angeblichem Weltrang in einer Möchtegern-Welt-Hauptstadt global für eine Figur, wenn sie zwecks WWW-Alibi seit Monaten einzig mit ihrer Anschrift und vielleicht gerade noch den Öffnungszeiten auf dem Bildschirm prangen? Es muss offenbar, um wieder auf den eigenen Bereich zurückzukommen, vielen Universitäten der Geldhahn noch weit stärker zugedreht werden, bis die Entscheidungsträger die neuen Technologien endlich angemessen zur Kenntnis nehmen und kostenreduzierend einsetzen. Hunderte, Tausende allein von Sekretariatsstunden würden täglich wegfallen, wenn die eigentlichen Ansprechpartner über E-mail verfügten und davon arbeits-, zeit- und kostensparend persönlichen Gebrauch machten. Ganz zu schweigen von einer eigenverantwortlichen, weltweit einseh- und beurteilbaren Präsenz im WWW - ohne Vorzimmerdamen.

Zu Beginn dieser Ausführungen fand sich ein Hinweis auf die Paralleltätigkeit in Brasilien beziehungsweise anderen Schwellen- und Entwicklungsländern. Notgedrungen ist dort die Aufgeschlossenheit den neuen Technologien gegenüber nicht selten entschieden grösser als hierzulande, entsprechend auch die Aufbruchstimmung. Wenn die eigene Campusbibliothek mehr als dürftig bestückt ist, sind alle Internet- (und CD-ROM!-) Angebote doppelt wertvoll, sei es - um nur zwei Beispiele zu nennen - das Blättern in Online-Katalogen der Library of Congress, der Bodleian Library oder - ganz vorzüglich - der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen, sei es eben die Teilhabe an virtuellen Vorlesungen, Vorträgen, Kursangeboten wie der geschilderten, nunmehr wo und wann auch immer aufrufbaren Ars moriendi oder dem Erasmus-Programm.

Auch wenn man angesichts der vibrierenden Aufbruchstimmung anderswo auf der Welt - und eben keineswegs nur in den USA oder Südostasien - ob der vielfachen Unbeweglichkeit hierzulande oft resignieren möchte, so besteht bei längerem Nachdenken doch wenig Anlass dazu. Die Verschlafenen werden binnen kurz oder lang von der aufgeweckteren nächsten und vor allem übernächsten Generation beseite gedrängt werden. Und was sodann - und vor allem! - die inhaltliche (und nicht bloss technische) Seite von CD-ROM und WWW betrifft, so verfügen wir in Europa nach wie vor über ein unermessliches kulturelles Erbe, mit dem wir wuchern können und das keinen Vergleich mit anderswo auf der Welt zu scheuen braucht. Wovon machten sämtliche Inhalte oben denn sonst Gebrauch? Ars moriendi, Holbeins Kaufmann Gisze, Hugo Simberg, H. C. Andersen, all die Hunderte von Votivtafeln? Die neuen Medien geben uns ein überaus kostbares und mächtiges Instrument in die Hand, dieses verpflichtende Erbe auf ganz neue Weise zu heben und einmal mehr für uns selbst wie im (Internet-) Austausch auch für andere auf der Welt fruchtbar zu machen. Und das wiederum hat sehr viel mit dem Konzept vom Lebensplan zu tun, mit - angesichts unserer vielen gewonnenen, aber keineswegs automatisch erfüllten Jahre - der Kunst zu leben und der Kunst zu sterben. Historische Demographie erschöpft sich nicht im Fliegenbeinezählen.


Erstellt: 15. März 1996

Last revision: Sunday, 17. March 1996 - 10:10:37

A. E. Imhof