Workshop: Votivtafeln digital

Dienstag, 26. September 1995, 14:30 - 18:00 Uhr

im Rahmen des
30. Deutschen Volkskundekongresses
25.-29. September 1995

an der
Fachhochschule Karlsruhe
Moltkestr. 4, Raum 205
76133 Karlsruhe

Ein HTML- Beitrag für den Kongress-Sammelbericht
von
Arthur E. Imhof



Die Zahl der Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer belief sich auf gut vierzig, was in etwa der Anzahl Plätze in dem vom Rechenzentrum der Fachhochschule zur Verfügung gestellten PC-Raum entsprach. Während der gesamten Dauer der Veranstaltung bestand eine 64kbit/s-Online-Verbindung zum World Wide Web. Als Browser dienten die aktuellen Versionen von Netscape und (GNN-) Mosaic bzw. Mosaic). - Für ihr entgegenkommendes Verständnis und ihre technische Hilfestellung gebührt Prof. Dipl.-Ing. Heinrich Herbstreith, Dipl.-Inform. Peter Scherzer und Dipl.-Inform. Marcel Augenstein - alle vom Rechenzentrum - ein grosses Dankeschön.

Wie vor dem Kongress im Abstract angekündigt, wurden im Workshop die folgenden Punkte besprochen und anhand von CD-ROM- und Internet-Demonstrationen praktisch erläutert und illustriert. Für den hier vorliegenden Bericht sind relevante Passagen aus dem seinerzeitigen Abstract mit entsprechenden http-Adressen unterlegt worden, so dass sie im Online-Betrieb durch Anklicken auf den Bildschirm geladen werden können. (Wo es sich um ausgewählte Beispiele aus vielen möglichen handelt, ist kein Werbeeffekt beabsichtigt.) Die Punkte waren:

  • Digitalisierung von in Frage kommendem Ausgangsmaterial (in unserem Fall Votivtafeln) durch Anfertigenlassen von Photo-CDs. Jede solche CD vermag etwa 100 Bilder in standardmässig 5 verschiedenen Auflösungen zu fassen. Es handelt sich um eine platzsparende neue Möglichkeit der Sicherung und Archivierung. Photo-CDs können in jedem beliebigen Photogeschäft auf der Basis eingereichter Kleinbilddias in Auftrag gegeben werden. Kostenpunkt pro CD derzeit (Ende 1995) etwa DM 120 bis DM 150. (Bei grösserer Stückzahl Mengenrabatte aushandeln!)
  • Betextung der Photo-CD-ROM-Inhalte durch Erstellen eines Booklets im gleichen CD-ROM-Format (12 x 12 cm). Das Speichern und Abrufen der Texte ist selbstverständlich auch auf/von Diskette oder Festplatte möglich.
  • Bearbeiten der Photo-CD-ROM-Inhalte mit Hilfe einer einfachen Bildbearbeitungs-Software wie Paint Shop Pro 3 (im Hinblick auf das Downloaden der Shareware vgl. den Hinweis unten).
  • Votivtafeln digital (auf einer Photo-CD-ROM): vorzügliche Möglichkeit der Farbwiedergabe auf dem Monitor (z. B. zum Studium der religiösen Farbsymbolik); beliebiges Bearbeiten der Bilder ohne Beschädigung des Originals: Vergrössern (schwer lesbarer Schriften), Verkleinern, Drehen, Wenden, Spiegeln, Ausschneiden, Neuzusammenfügen, Anstellen von Vergleichen zwischen verschiedenen Tafeln oder Tafelausschnitten (z. B. variierende Gebetshaltung von Votanten über die Jahrhunderte) durch Nebeneinanderplazieren auf dem Monitor. Verifizieren/Falsifizieren von Bildvorlagen durch Vergleich mit ebenfalls digitalisierten "Realitäten" (als Beispiel vgl. die Wolken-CD, auf der fünfzig gemalte Wolkenformationen aus niederländischen Gemälden des 17. Jahrhunderts in der Gemäldegalerie Berlin-Dahlem mit fünfzig Wolkenaufnahmen heutiger Meteorologen verglichen werden).
  • Votivtafeln digital: Neue Möglichkeiten interdisziplinären Zusammenarbeitens durch visualisierendes Interpretieren (z. B. der vielfältig existenzbedrohenden Alltagsbeschwernisse unserer Vorfahren).
  • Ungewohnte neue Attraktivität von geschichtlich, volkskundlich, museal "verstaubten" Themen (magazinierter und damit verborgener Votivtafelbestände) durch didaktisch wohlüberlegte Einbeziehung zukunftsweisender Technologien in den Unterricht (auf allen nur denkbaren Stufen), in die Museumspräsentation, in den pädagogischen Dienst, zur Eigenbeschäftigung usw.
  • Neue Möglichkeiten ortsübergreifender interdisziplinärer Zusammenarbeit durch vernetztes Forschen: Errichten einer Votivtafel-Bilddatenbank; Einrichtung eines zentralen Servers; Einrichtung einer zentralen Homepage mit e-mail-online-Fragemöglichkeiten.
  • Neue Möglichkeiten internationaler Kooperation (konkret bereits mit Brasilien; reiche Votivtafelbestände vor allem in Minas Gerais und in Pernambuco).
  • Ausblick auf umfassendere (hyper- und multimedial-interaktive) CD-ROM-Möglichkeiten (unter Anwendung von Bearbeitungswerkzeugen wie ToolBook, Authorware, Hypercard; Einbeziehung von Sprache/Ton und Videosequenzen; Touchscreen; vorhergehendes Erstellen eines medienpädagogisch durchdachten "Drehbuchs").
  • Probleme, Widerstände, Erschwernisse: zahlreiche ungelöste Copyright- und Lizenz-Fragen (vgl. WWW Multimedia Law oder Intellectual Property Rights; vgl. aber auch das raffinierte Sich-aus-der-Schlinge-Ziehen (= Abschnitt Copyright- und Lizenzfrage) der treibenden Kraft hinter dem hervorragend bestückten WebMuseum aus Paris); Probleme bei der Beschaffung von Kleinbilddias; Zögerlichkeit bis Resistenz mancher Inhaber/Betreuer von (magazinierten) Votivtafelbeständen.
  • Notwendigkeit des Sich-auf-dem-Laufenden-Haltens auf dem derzeit sehr rasch expandierenden Multimedia-Feld durch gezielte Nutzung kostenloser Internetdienste, so etwa durch das Sicheintragen auf den Bezugslisten von auf hohem Niveau moderierten internationalen Diskussionsforen wie H-MMEDIA (= Multimedia in der Geschichte) oder - äusserst lehrreich - von H-TEACH (= weltweite Erfahrungen bei der Anwendung multimedialer neuer Technologien im höheren bzw. Universitäts-Unterricht); kostenloses Downloaden von (Bildbearbeitungs-) Shareware-Programmen (ein einfaches, aber für den Anfang sehr brauchbares Bildbearbeitungsinstrument im vorliegenden Zusammenhang ist die oben erwähnte Shareware Paint Shop Pro 3).

Ziel des Workshops war zum einen das Bekanntmachen mit einfachen, realisierbaren Möglichkeiten und zum anderen das Interessewecken bei Betreuern von Votivtafelbeständen zwecks einer möglichen Zusammenarbeit im oben skizzierten Sinne.



Diskussion, Gesichtspunkte, Hinweise

"Votivtafeln" war als Thema für den Workshop ausgesucht worden, weil es sich dafür in mehrfacher Hinsicht besonders gut eignete. So sind Volkskundler , Museumsleute und Historiker, die das Gros der Teilnehmenden stellten, seit langem gleichermassen mit dem Thema vertraut. Als Bildzeugnisse von Hilfsbedürftigkeit und Gottvertrauen (Harvolk 1979) illustrieren sie auf einzigartige und meist mit nur geringer Nachhilfe verständliche augenöffnende Weise die stets prekäre Existenz unserer Vorfahren während der letzten Jahrhunderte, aber auch ihr stabilisierendes Aufgehobensein.

Das fast einheitlich kleine Format dieser farbigen Einzelgeschichten kommt der archivierenden Digitalisierung zuerst auf Photo-CDs und davon ausgehend der oben beschriebenen Weiterbearbeitung auf dem heimischen PC sehr entgegen. Ferner experimentierte der Leiter des Workshops in den letzten zwei, drei Jahren im Sinne der Karlsruher Veranstaltung auf verschiedenen Ebenen selbst mit mehreren Votivtafelbeständen, so dass nicht nur aus dem Fundus gemachter Erfahrungen geschöpft, sondern auch immer wieder konkret auf bereits vorliegendes Material zurückgegriffen werden konnte. Bei diesem "vorliegenden Material" handelte es sich einerseits um eine Reihe von CD-ROMs mit Votivtafelbezug und andererseits um verschiedene Beiträge im World Wide Web, die alle ebenfalls auf die eine oder andere Weise mit Votivtafeln zu tun haben.

An Votivtafel-CD-ROMs existieren:

  • 14 Photo-CDs mit insgesamt rund 1400 Votivtafelmotiven vom 16. bis zum 20. Jahrhundert aus verschiedenen deutschen Beständen;
  • 1 interaktiv-hypermedial aufbereitete CD-ROM, die von einem wissenschaftlichen Verlag vertrieben wird;
  • 1 interaktiv-hypermedial aufbereite CD-ROM, die im Rahmen eines Hauptseminars im Sommersemester 1995 entstand und über die das daran beteiligte Studententeam im Internet berichtet.

Im Internet können folgende Beiträge mit Votivtafelbezug aufgerufen werden:

Der letzte Beitrag CD-ROM und WWW als eine hervorragende Kombination wirft bereits einen Blick in die (absehbare) Zukunft. Während sich CD-ROMs wegen ihren hohen Speicherkapazitäten (600 MB und mehr) beim Stand der heutigen Technik hervorragend für die Archivierung unveränderlicher Materialien (wie z. B. Votivtafeln) eignen, veralten sie hinsichtlich "aktueller" Inhalte sehr rasch. Was an Kommentaren, Erläuterungen, Literaturhinweisen heute Gültigkeit hat und den neuesten Forschungsstand widerspiegelt, kann morgen schon überholt sein.

Diese Misslichkeit lässt sich durch neue Internetmöglichkeiten weitgehend beheben. Die Kombination beider Medien sieht so aus, dass die unveränderlichen Bestandteile auf die CD-ROM kommen und von dort abgerufen werden, während Aktuelles oder Aktualisiertes gegebenenfalls täglich neu ins Netz gespeist beziehungsweise von dort abgerufen wird. Von Vorteil ist dabei, wenn beide Informationen (diejenigen auf der CD-ROM und diejenigen im WWW) in der gleichen "Sprache" abgefasst sind, nämlich in der WWW-Standardsprache HTML. Man legt dann die CD ins CD-ROM-Laufwerk ein, ruft seinen WWW-Browser auf (Netscape oder (GNN-) Mosaic bzw. Mosaic; vgl. oben) und lädt die CD-gespeicherten Bilder (Votivtafeln) und Kommentare auf den Monitor. Gleichzeitig geht man on-line ins World Wide Web, dessen neueste Informationen in derselben "Sprache" geschrieben sind und die somit ohne Verlassen des offenen Windows-Fensters ebenfalls auf den Monitor geladen werden können. Problemlos lässt sich nun zwischen den beiden Medien hin- und herwechseln. Als diesbezüglich überzeugendes Beispiel liegt seit kurzem der Digitale Umweltatlas Berlin vor. Die ein- für allemal fixierten Daten auf der CD-ROM können jederzeit durch den parallel betriebenen Online-Dienst aktualisiert werden.



Abschliessender Hinweis:

Im Gegensatz zu einem auf hergebrachte Weise gedruckten Workshopbericht mit Fussnoten und weiterführender Literatur, die in der Regel erst besorgt und auf die möglicherweise lange gewartet werden muss, sind derlei Verweise im vorliegenden Beitrag mit aufrufbaren Adressen verknüpft. Sie können folglich durch einfaches Anklicken sofort auf den Monitor geladen und eingesehen werden.

Da somit nicht alles zwei und drei Mal gesagt werden muss, ist dieser Text, der nicht mehr als eine knappe Überblicksorientierung über den Workshop sein sollte, kurz gehalten. An zahlreichen Stellen führen unterlegte Hotwords indes Interessiertere in grössere Tiefen. Je mehr Zeit folglich jemand investiert und je interaktiver der Kurztext dadurch arrondiert wird, umso grösser kann der Gewinn sein.



Für Interessierte mögen folgende Links hilfreich sein: