Interview: Das Blumencafé im Prenzlauer Berg

Das Café im Kurhaus in der Schwedter Straße ist für Besucher:innen geöffnet. Foto: Matthäa Mollenhauer

Interview: Das Blumencafé im Prenzlauer Berg

Wer sich im Berliner Kiez Prenzlauer Berg herumtreibt, kennt es sicherlich: Das Blumencafé von Michael Schaarschmidt in der Schönhauser Allee. Seit einiger Zeit jedoch gibt es hier keinen Kaffee mehr zu trinken. Umfassende Renovierungsarbeiten, ein gescheitertes Fundraising und die Corona-Pandemie erschweren das Arbeiten. Die Mitarbeitenden Jenny und Sebastian erzählen uns mehr.

von Matthäa Mollenhauer

Das Blumencafé ist momentan auf den Verkauf von vielfältigen Zimmerpflanzen und schönen Schnittblumen beschränkt. Das zweite Café im Kurhaus in der Schwedter Straße ist jedoch offen für Gäste und nur wenige Gehminuten entfernt. Auch hier wird das Konzept von grünem Flair beim Kaffeekränzchen gelebt. In der Schönhauser Allee soll im April 2022 neu eröffnet werden und nach Abschluss der Renovierungsarbeiten ist auch hier wieder ein Ort für Kuchen und Pflanzenliebe. Wie geht es dem Blumencafé zwischen 2G+ Regelung und Renovierungsstress?

Zur Geschichte des Blumencafés

Für alle, die das Blumencafé nicht kennen: Wie würdet ihr das Konzept von Gastronomie und Floristik in einem erklären?

Sebastian: Es ist unterm Strich sogar mehr als nur Floristik und Gastronomie. Wir sind auch insbesondere beim Thema Zimmerpflanzen sehr aktiv, mehr als die meisten Blumenläden. Das sollte nochmal herausgestellt werden. Wir machen im Grunde Gartenbau, Floristik und Gastronomie. Im Gartenbau verkaufen wir Zimmerpflanzen, machen aber auch Innenraumbegrünung für Unternehmen, Hotels oder auch Privaträume – alles von der Konzeptentwicklung bis hin zur Umsetzung. In der Floristik haben wir viele Kunden im Laden, beliefern aber auch Events. In der Gastronomie das Gleiche: Dienstleistung am Standort aber auch für Veranstaltungen.

Woher kam diese Idee?

Sebastian: Die ursprüngliche Idee von Micha war es, ein Café und Blumen zusammenzubringen. Diese Atmosphäre ist in der Ergänzung besonders schön. So kann man nach dem Kaffeetrinken noch ein Sträußchen mitnehmen.

Im Blumencafé gibt es nicht nur Schnittblumen, sondern auch viele Zimmerpflanzen. | Foto: Matthäa Mollenhauer

Jenny: Oder andersherum: Während man auf den Strauß oder das Gesteck wartet, kann noch gemütlich ein Kaffee getrunken werden. Es war auch von Anfang an ein Laden mit vielen Zimmerpflanzen. Unser Gründer Micha ist ursprünglich gelernter Gärtner und hat sich die Floristik autodidaktisch angeeignet. Pflanzen gab es hier schon immer. Mit dem großen Angebot an Zimmerpflanzen waren wir auch lange die Einzigen.

Wie lange seid ihr jetzt schon dabei?

Sebastian: Der Betrieb hat als reiner Blumen- und Pflanzenladen angefangen vor 26 Jahren, seit mittlerweile 16 Jahren ist das Café im Betrieb und auch das Mischkonzept. Ich bin jetzt seit 4 Jahren dabei.

Jenny: Bei mir ist es eher ein Zurückkommen. Ich habe vor 20 Jahren hier meine Ausbildung als Floristin gemacht, damals auf der anderen Seite der Schönhauser Allee. War dann zwischendurch in anderen Bereichen tätig und jetzt seit circa einem Jahr zurück, aber nicht als Floristin, sondern eher im Bereich Marketing und Social Media. Natürlich stehe ich auch hin und wieder vorn im Laden, aber nicht mehr primär. 

Das Blumencafé in Corona-Zeiten

Was hat sich konkret verändert durch Corona für das Blumencafé? Gab es besonders schwierige Momente, die in Erinnerung geblieben sind? (Kurzarbeit, etc.)

Sebastian: Eine große und überraschende Sache, die viele Betriebe betrifft, ist Folgende: Zu Beginn der Krise wurde von staatlicher Seite sehr intensiv darauf hingewiesen, dass es Hilfsgelder gibt und kein Betrieb wegen Corona pleite gehen soll. Allerdings stecken jetzt viele Betriebe in der Situation, diese Gelder zurückzahlen zu müssen. All das trotz massiver Umsatzeinbrüche in dieser Zeit. Wir tragen selbstverständlich die Maßnahmen der Politik mit. Trotzdem sind wir der Meinung, dass wenn von staatlicher Seite Schließungsmaßnahmen angeordnet werden, diese entsprechend kompensiert werden müssen. Den aktuellen Umgang sehen wir daher recht kritisch. Diese Last muss in der Gesellschaft gleichmäßig verteilt werden. Es wurde entschieden, diese hauptsächlich der Gastronomie aufzuerlegen.
Auch die 2G+-Regelung soll natürlich einen Anreiz für die Booster-Impfung leisten, das finden wir sinnvoll. Aber natürlich führt das zu Umsatzrückgängen in der sowieso schon pandemiegeplagten Gastronomie. Das hätte man von politischer Seite früher mitdenken müssen. Die nächsten Monate werden sicherlich wieder sehr spannend und schwierig, für alle Betriebe – besonders in der Gastronomie und auch für uns. Wir sind noch nicht über den Berg. Wir hoffen nach wie vor, dass wir es dank treuer Kunden und unseres Einsatzes in Floristik und Gartenbau irgendwie schaffen werden das durchzustehen. Diese Herausforderung wird uns sicherlich die nächsten Monate begleiten.

Jenny: Natürlich auch eine Herausforderung im ersten Lockdown war der spontane Aufbau einer völlig neuen Infrastruktur, beispielsweise für unseren Online-Shop und Lieferungen. Da ist viel Zeit und Geld hineingeflossen. Ein ständiges Umdenken und Neudenken, Agieren und Reagieren. Ich denke, wir haben das mit Bravour gemeistert, aber es schlaucht natürlich auch. Man weiß nie, wie lange gilt dieser Zustand und wann kommt die nächste Änderung?

Sebastian: Auch hier sprechen wir stellvertretend für jeden in der Service-Industrie. Vieles ist einfach der Pandemie geschuldet, da hätte keine Politik etwas dran ändern können. Aber man hätte diese gesellschaftlichen Lasten besser verteilen müssen. Das wirst du wahrscheinlich von jedem Gastronomen oder Friseur momentan hören.

Das Blumencafé an der Schönhauser Allee ist aktuell nur als Blumenladen geöffnet. | Foto: Matthäa Mollenhauer

Wenn ihr die letzten zwei Jahre zusammenfassen müsstet, im Hinblick auf das Blumencafé und die Corona-Schutzmaßnahmen – mit welchen 3 Worten würdet ihr die Situation beschreiben?

Es war eine sehr anstrengende, nervenaufreibende und intensive Zeit für die Service-Industrie die letzten zwei Jahre.

Ihr habt im Juli 2021 ein Crowdfunding gestartet mit aufwendiger Videoproduktion. Leider war dies trotz liebevoller Gestaltung nicht erfolgreich. Plant ihr zukünftig einen neuen Versuch?

Jenny: Ich kann nicht genau benennen, woran es lag, dass unser Crowdfunding nicht so erfolgreich war, wie erhofft. sicherlich war es ein Zeitpunkt, zu dem sehr viele eine ähnliche Kampagne gestartet haben und es ist ja auch nicht unbedingt erfreulich. Vielleicht waren die Leute auch müde von all den schlechten Nachrichten. Es gab treue Unterstützer, leider nur nicht genug. Wer weiß, ob die Leute selbst nicht viel Geld hatten im Moment oder die Kampagne in all den Nachrichten untergegangen ist. Natürlich waren wir sehr enttäuscht, ich war es auf jeden Fall. Trotz allem hat es sehr viel Spaß gemacht, daran zu arbeiten. Es sind viele Gedanken in dieses Projekt geflossen, ich glaube nicht, dass wir das in nächster Zeit noch einmal schaffen. Vielleicht wenn wir einen positiveren Anlass dazu finden. Es gab auch viel Resonanz, viele positive Rückmeldungen und wir schauen, wie es weitergeht.

Was wünscht ihr euch von der Politik für den Umgang mit Corona?

Sebastian: Man muss natürlich sagen, dass die Regelungen nicht alle Vertreter einer Branche immer gleich treffen. Es gibt beispielsweise viele Läden, die schon immer TakeAway genutzt haben, die haben zu Teilen sogar profitiert in den letzten Monaten. Da ist eine Regelung wie 2G oder 2G+ nicht gravierend. Aber besonders Cafés, bei denen man meist spontan vorbeischaut, leiden sehr unter diesen Maßnahmen und dem Kundenrückgang, vermutlich am meisten. Die Politik müsste das erkennen. Hier wurde bewusst entschieden, dass diese Bereiche die Kosten der Gesellschaft in erster Linie tragen müssen. Das kotzt uns ehrlich gesagt an, das muss man auch in dieser Deutlichkeit mal sagen.
Wir sind der Meinung, dass diese Schritte durchaus sinnvoll sind. Aber die Kosten müssen besser verteilt werden. Wir müssen diese schwierige Zeit gemeinsam schultern.

Denkt ihr, das Blumencafé konnte durch sein besonderes Konzept überleben?

Sebastian: Auf jeden Fall konnte das Blumencafé nur durch die Fusion aus Gastronomie und Pflanzenhandel überleben. Für uns kam erschwerend dazu, dass wir kurz vor Pandemiebeginn beschlossen hatten, einen zweiten Standort zu errichten und im September ein weiteres Café eröffnet haben. Dafür mussten viele Ressourcen ausgeschöpft werden für die Baustelle, Vorbereitungen, etc. Und da ist dann die “Kleinigkeit” Corona dazwischengekommen. Diese Neueröffnung inmitten einer Pandemie war schwierig. Hätten wir diese Herausforderung ohne die Blumen und Pflanzen angehen müssen, hätten wir es sicherlich nicht geschafft. Außerdem sind Floristik und Gartenbau keine Branchen, in denen man reich wird, das Gleiche gilt für die Gastronomie. Wir haben eine Fusion aus zwei Branchen, die sich durch geringe Magen und starken Wettbewerb auszeichnen. Aber trotzdem können wir so etwas anderes machen und konnten viele unserer Mitarbeiter halten. So zum Beispiel einen Kellner auch als Lieferanten für Pflanzen bezahlen. Dadurch war dieses Mischkonzept ein klarer Glücksfall.

Jenny: Ja und es gibt dieses Unternehmen ja auch schon seit vielen Jahren, der Laden ist im Grunde gar nicht mehr wegzudenken. Das sind bald 3 Jahrzehnte, da merkt man auch die Stammkundschaft. Man kann dabei zuschauen, wie die Kinder von damals heute mit ihren eigenen Kindern herkommen und Pflanzen kaufen, oder die Papageien anschauen. Wären wir ein Unternehmen, das erst vor wenigen Jahren eröffnet wurde, wäre die Lage bestimmt auch anders.

Die Papageien Arno und Charly sind gewissermaßen die Maskottchen des Cafés. | Foto: Matthäa Mollenhauer

Was gibt euch Hoffnung für die Zukunft?

Sebastian: Wenn alles klappt, hoffen wir auf eine Neueröffnung im April. Natürlich unter Vorbehalt, wer weiß wie sich die Lage gesamtgesellschaftlich entwickeln wird. Es ist momentan schwierig, feste Termine zu setzen. Es ist nicht immer alles an Material verfügbar und auch Termine bei Handwerkern sind schwer zu bekommen, und, und, und. Hinter dem April steht also realistischer weise ein Fragezeichen. Im Kurhaus läuft ja nach wie vor der Cafébetrieb. In der Schönhauser stehen noch einige Renovierungsarbeiten an, unter anderem die Sanitäranlagen und die Küche. Momentan versuchen wir die Fläche so sinnvoll wie möglich zu nutzen. So hatten wir in der Küche beispielsweise die Weihnachtswerkstatt, oder verkaufen jetzt mehr Zimmerpflanzen in der Gastraumfläche. Wir streben nach optimaler Produktivität. Und Zuversicht haben wir nach wie vor.

Jenny: Wir stecken nicht den Kopf in den Sand.

Wie kann dem Blumencafé eurer Meinung nach am besten geholfen werden?

Sebastian: Wir sind sehr froh, wenn unser Café im Kurhaus – 10 Minuten Spaziergang – weiter besucht wird oder in der Schönhauser ein Strauß Blumen gekauft wird. Es ist immer schön, wenn die Leute mit uns in Kontakt treten. Immer gerne auch mit Fragen zu Pflanzen, zum Beispiel bei Pflegetipps. Wir beraten und helfen immer gern. Unser Laden lebte schon immer und wird es auch in Zukunft von den Kunden und Gästen. Je öfter sie hier sind, desto besser geht es uns.

Jenny: Und natürlich immer gern weiterempfehlen. Die gute alte Mundpropaganda funktioniert meist doch mit am besten. In den letzten Monaten hat man auch gemerkt, dass einige Kunden sehr regelmäßig online bestellen oder vorbeikommen. Da weiß man manchmal schon, bald ist es wieder so weit. Wir freuen uns sehr über diese Unterstützung.

In Zukunft können Besucher*innen hoffentlich nicht nur ihren Blumenstrauß in der Schönhauser Allee besorgen, sondern auch wieder eine gemütliche Kaffeepause machen. | Foto: Matthäa Mollenhauer

Sebastian: Im Kurhaus sind wir unserem Konzept sehr treu geblieben. Auch da ist es schön grün und gemütlich. Dort funktioniert es auch mit der 2G+-Regelung sehr gut und der Standort wird weiterhin bestehen bleiben.

Jenny: Das ist praktisch die kleine Schwester von unserem Blumencafé in der Schönhauser. Wir freuen uns über jeden Besuch!


Matthäa Mollenhauer studiert im fünften Semester Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Politikwissenschaften im Nebenfach.