Für eine sorgende und lebendige Nachbarschaft

Für eine sorgende und lebendige Nachbarschaft. Foto: Wiebke Beuster

Für eine sorgende und lebendige Nachbarschaft

Seit 2019 bringt die Nachbarschaftshilfe Steglitz-Zehlendorf ehrenamtliche Helfer*innen und Menschen mit Unterstützungs- oder Kontaktbedarf zusammen. Im Nachbarschaftsladen in der Berlinickestraße erzählen Koordinatorin Nina Karbe, Helfer Marcel M. und Nachbarin Dolores Mellenthin von ihrem Projekt.

von Wiebke Beuster

Projektkoordinatorin Nina Karbe: Vernetzt seit 2019 Menschen in Steglitz-Zehlendorf | Foto: Wiebke Beuster

Die Tür steht einladend offen, auf der Holzbank daneben gibt es eine Bücherkiste und die Fenster zieren informative Aufkleber. Der Nachbarschaftsladen in der Steglitzer Berlinickestraße ist das Herzstück der Nachbarschaftshilfe Steglitz-Zehlendorf, einer gemeinnützigen Initiative des Trägers Mittelhof e.V. Die Idee entsprang den Herausforderungen des Demografischen Wandels: Mehr als ein Drittel der Einwohner*innen in Steglitz- Zehlendorf sind älter als 65 Jahre. Beim Mittelhof beobachtete man einen großen Wunsch unter den Senior*innen, möglichst lange im eigenen Zuhause wohnen zu bleiben. Gesundheitliche Beschwerden, aber auch Einsamkeit stünden dem jedoch oft im Wege, so Projektkoordinatorin Nina Karbe. Daher gründete man 2019 die Nachbarschaftshilfe, die seither je rund 400 Nachbar*innen und Helfer*innen vernetzt hat. 

„Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass man hierherkommen kann.“ 

Der dreißigjährige Marcel M. ist einer derjenigen, die sich ehrenamtlich engagieren: „Ich finde das hier ein tolles Projekt, dass ich mit meinen Mitteln unterstützen möchte.“ Nachdem er merkte, dass der Beruf des Heilerziehungspflegers nicht das Richtige für ihn ist und nach längerer Krankschreibung, möchte Marcel im September eine neue Ausbildung beginnen. „Bis dahin gibt mir der Einsatz bei der Nachbarschaftshilfe eine Aufgabe und es tut einfach gut“, meint er. Derzeit steht er zwei Steglitzerinnen zur Seite. Eine von ihnen unterstützt er einmal wöchentlich beim Einkauf und bei organisatorischen Details ihrer Pflege. Die andere ist Dolores Mellenthin. „Ich wohne seit ungefähr 30 Jahren in dieser Gegend und mit dem zunehmenden Alter, ich bin inzwischen 84, gibt es natürlich manchmal Probleme. Seitdem ich mitgekriegt habe, dass es hier die Nachbarschaftshilfe gibt, ist mir ein Stein vom Herzen genommen worden, und zwar ein richtig dicker Stein. Bisher habe ich noch nicht so viel Hilfe gebraucht, aber es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass man hierherkommen kann.“, erzählt sie. Zuerst habe sie sich mit Marcel getroffen, weil sie Hilfe bei der Bedienung ihres neuen Smartphones brauchte. Später entwickelten sich daraus gemeinsame Spaziergänge, Kaffeetrinken und Gespräche über Klimaschutz und viele andere Themen.

Marcel und Dolores vor dem Nachbarschaftsladen: Die Nachbarschaftshilfe verbindet Generationen. | Foto: Wiebke Beuster

Die Leistungen der Nachbarschaftshilfe sind vielseitig, aber nicht grenzenlos

Neben Unterstützung bei Einkäufen und sozialem Austausch bietet die Nachbarschaftshilfe auch eine Reihe anderer Leistungen. Steglitzer*innen können sich melden, wenn sie eine Begleitung für den Arztbesuch brauchen, sich Unterhaltung wünschen, Hausaufgabenhilfe für ihre Kinder möchten oder kleinere Handwerksarbeiten in ihrem Heim nötig sind. Für viele dieser Angebote gäbe es keine Alternative, oder nur eine Bezahlalternative, so Nina Karbe. Doch auch in Steglitz könnten sich viele Menschen letztere nicht leisten: „Wir sagen daher immer, dass wir einen Beitrag leisten wollen für eine sorgende und lebendige Nachbarschaft. Und es gibt einen total großen Bedarf.“ Doch die Initiative habe ihre Grenzen, räumt sie ein. So bietet die Nachbarschaftshilfe beispielsweise keine pflegerischen Tätigkeiten an.

Die Nachbarschaftshilfe baut Brücken

Sowohl Marcel als auch Dolores schätzen die Nachbarschaftshilfe vor allem für ihre Kraft, zu verbinden. Marcel stellt heraus: „Ich hätte auf normalem Weg niemals eine 84-jährige Dame kennengelernt. Es gibt so wenig Berührungspunkte sonst im Leben. Das generationenübergreifende und dass sich jetzt hier so ein netter Kontakt entwickelt hat, finde ich toll.“ Dolores fügt hinzu: „Es gibt alte Leute, die sich zu der Jugend hingezogen fühlen. Die kommen aber schlecht zusammen. Das ist sehr schade, denn jeder würde vom anderen profitieren. Die Nachbarschaftshilfe ist eine Sache, die verbindet. Sie gibt eine Grundlage, die vorher nicht gewesen ist, dass Menschen zusammenkommen, die vorher jeder für sich waren.“ Als Beispiel nennt sie das Nachbarschaftsfest, dass die Nachbarschaftshilfe kürzlich veranstaltet hat: „Da haben sich einige Kontakte ergeben, ein paar Frauen haben mir ihre Handynummern übergeben und gesagt, es wäre doch mal schön, was zusammen zu machen.“

Ein Korb vor dem Nachbarschaftsladen bietet Bücher zum Tausch an: Austausch auf allen Ebenen. | Foto: Wiebke Beuster

„Man lernt viel über sich und über das Leben“

Wer sich ehrenamtlich bei der Nachbarschaftshilfe engagieren möchte, oder Unterstützung sucht, kann sich telefonisch oder per Mail bei Nina Karbe melden – oder direkt im Nachbarschaftsladen vorbeischauen. Über seine ehrenamtliche Tätigkeit sagt Marcel: „Ich würde es anderen auf jeden Fall auch ans Herz legen. Man lernt viel über sich und das Leben dadurch und ich glaube, das kann nur vorteilhaft sein.“


Wiebke Beuster studiert im vierten Semester Englische Philologie sowie Publizistik-und Kommunikationswissenschaft. Sie freut sich darauf, das kommende Jahr als Erasmusstudentin an der University of Edinburgh zu verbringen.


2022-10-22T00:03:53+02:00 Kategorien: Berlin + Brandenburg, Lesen|Tags: , , , , , , |