„Du musst zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.“

„Du musst zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.“

2013 zog es die gebürtige Erfurterin Juliane Vogel (21) in die Hauptstadt. Neben ihrer Ausbildung zur Augenoptikerin, die sie Anfang des Jahres erfolgreich abschloss, gelang ihr auch der Sprung in die Modewelt. Sie erzählt aus dem Alltag eines Nachwuchsmodels und spricht über die Frage, ob es beim Modeln eher um Kunst oder Profit geht.

Von Laura-Charlott Kahlert

Wie bist du zum Modeln gekommen?

Über Umwege. Ich habe in Erfurt als Komparsin beim Film angefangen. Das habe ich in Berlin neben meiner Ausbildung fortgesetzt. Am Set haben mich Leute aus der Maske und vom Kostüm angesprochen. So kam ich auf die Idee, mich bei verschiedenen Agenturen vorzustellen.

Also gewissermaßen Entdeckung und Eigeninitiative?

Genau.

Wie wird man in eine Agenturkartei aufgenommen?

Ich habe mich bei meiner jetzigen Agentur persönlich vorgestellt. Wir haben dann direkt ein paar Fotos gemacht und im Laufe der nächsten Wochen haben wir das Ganze vertraglich besiegelt.

Würdest du dich als Nachwuchsmodell bezeichnen?

Das ist eine sehr gute Frage. Natürlich sehe ich mich als Nachwuchsmodell, aber jedes Mal, wenn ich auf meine Arbeit als Model angesprochen werde, ist mir das gar nicht so recht. Natürlich ist es etwas Schönes und eine sehr angenehme Arbeit, aber ich freue mich auch schon riesig auf mein Studium, deshalb würde ich mich wahrscheinlich eher als Studentin sehen. Ich hab auch viele andere Models getroffen, die das ganz genauso sehen.

jule1

Juliane Vogel im Studio von Dan Crosby in Mexico City, 2016

Wie hat dein familiäres Umfeld reagiert?

Sie stehen alle hinter mir. Anfangs war meine Familie vielleicht etwas amüsiert, dass ich aus der Kleinstadt kommend, in Berlin diesen Weg einschlage.

Gerade kommst du aus Mexiko zurück – dein erster Auslandsaufenthalt als Modell?

Ja. Meine deutsche Agentur hat mich an eine mexikanische Agentur vermittelt. Es hätte allerdings auch jedes andere Land sein können. Südafrika wäre auch eine Option gewesen. Mexiko war letztendlich eine zufällige Entscheidung. Für mich als „Nachwuchsmodell“ perfekt, um mich auszuprobieren, da der Markt dort eher unbekannt ist. Wichtig ist auch, dass man Bilder für sein Modellbuch sammeln kann, mit welchem man sich bei Castings bei den jeweiligen Kunden vorstellt.

Anfang des Jahres hast du deine Ausbildung zur Augenoptikerin abgeschlossen. Dein Vorhaben war es, im Herbst ein Studium der Optometrie anzuschließen. Muss das nun erstmal warten?

Genau, meine Studienpläne haben sich eigentlich bis jetzt nicht geändert, sie verschieben sich nur um ein Jahr.

Beschreibe den Alltag eines Modells.

Es gibt zwei verschiedene Varianten, wie dein Tag aussehen kann. Zum einen gibt es die Casting- Tage. Da hat man ca. drei-vier Castings. In anderen Städten können es aber auch bis zu zehn Castings am Tag sein. Zum anderen gibt es die Tage, an denen man Shootings hat. Die unterscheiden sich natürlich im Ablauf. Neulich hatte ich ein Außenshooting. Da mussten wir (wir waren vier Models) um sechs Uhr am Set sein. Dann ist man ca. zwei Stunden in der Maske für Haare und Makeup. Meist herrscht eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Man merkt, dass jeder seinen Beruf mit Herzblut ausübt und sehr ehrgeizig ist, deshalb kann so ein Tag auch mal zwölf Stunden gehen. Natürlich ist das mit einem acht Stundenjob im Büro nicht vergleichbar. Du hast teilweise deutlich längere Arbeitstage, dafür aber eben auch öfter mal frei.

Hättest du den Schritt in das Modegeschäft auch direkt nach dem Abitur gewagt?

Damals hatte ich die Möglichkeiten gar nicht. Vielleicht hätte ich darüber nachgedacht. Aber ich sehe jetzt eher Vorteile darin, eine abgeschlossene Ausbildung in der Hinterhand zu haben.

Kann man von dem Job gut leben?

Da bin ich mir unsicher. Natürlich geht man ein sehr hohes Risiko ein, wenn man vorhat, hauptberuflich Model zu werden. Bei mir würde ich es erstmal als eine Zwischenstation bezeichnen. Da bin ich realistisch. Die Wenigsten können auf Dauer, auch nach dem Beruf noch, davon leben. Für den Moment, in dem man als Model arbeitet, gibt es schon sehr gute Angebote. Es kommt vor allem auf deinen Typ an. Mein Typ ist glücklicherweise sehr kommerziell, damit lässt sich besser Geld verdienen, als mit Fashion und Laufsteg.

Fühlst du dich in dieser Welt gut aufgehoben?

Das ist von Tag zu Tag unterschiedlich. Grundsätzlich ja, aber natürlich muss man immer aufpassen. Mir persönlich ist aber noch nichts Negatives wiederfahren.

Wie wählerisch kannst du bei Jobangeboten sein?

In Berlin hatte ich recht viel Mitsprachrecht, da konnte ich häufig selbst entscheiden In Mexiko hatte ich selten die Wahl. Ich war beispielsweise für eine mexikanische TV- Show gebucht, dort wurden wir Models nicht besonders gut behandelt. Da habe ich bei meiner Agentur darum gebeten, dieses Arbeitsverhältnis zu beenden. Für einen weiteren Aufnahmetag war dies leider nicht mehr möglich, da sie unser Kommen schon zugesagt hatten. Nach den zwei Drehtagen musste ich dann allerdings nicht mehr hin. Wir als Modells haben bei diesem Job persönlich eigentlich nicht wirklich profitiert, haben weder Bilder noch großartig Gage bekommen. Die Agentur dagegen schon, sie haben alle Models für eine namenhafte TV- Show, einen bekannten Kunden, gestellt. Meine Agentin selbst, hat es oft persönlich genommen, wenn ich ein Angebot unpassend fand. Da kamen wir schon mal in kleinere Konflikte.

Ist das Modelsein eher Job oder Lifestyle?

Es gehört ein großes Teil Lifestyle dazu. Natürlich ist es sehr harte Arbeit, lange Arbeitstage, wenig Pausen. Selbst das Schminken wird dann anstrengend (lacht.)

Welchen Bezug hast du zu der Kleidung, die du präsentierst?

Sehr wenig. Das habe ich auch in dieser TV- Show festgestellt. Eigentlich ist es einem dann relativ egal, was man für Kleidung präsentiert. Das ist natürlich immer Geschmackssache. Wenn es natürlich zu freizügig ist, meldet man sich schon mal zu Wort, aber ansonsten trägt man natürlich auch Dinge, die einem privat gar nicht gefallen. Einmal habe ich Stellung bezogen, da sollte ich echten Pelz tragen. Ich habe darum gebeten, den Pelz auf dem Foto wegzulassen, das war dann auch in Ordnung.

Kannst du, du selbst sein?

Als Model präsentiert man Produkte, da ist man nicht man selbst. Das sollte einem bewusst sein. Man muss nur aufpassen wie weit man dabei gehen möchte.

Kannst du selbst kreativ werden?

Es gibt unterschiedliche Fotografen und Designer. Viele haben genaueste Vorstellungen. Sehr oft wird aber von einem verlangt, selber zu zeigen, was man kann. Natürlich muss man sich in die Situation hineinfühlen, je nach Kleidung, die man präsentiert, variiert man seine Posen etc. Das überschneidet sich mit der Schauspielerei oder man fängt an zu tanzen, um z.B. ein Fransenkleid besser in Szene zu setzten, solche Dinge. Da sind die Kunden schon begeistert, wenn man selbst kreativ wird, sich mit einbringt.

Also hat das Modelsein durchaus etwas Künstlerisches?  

Definitiv. Das Model muss genauso einen Blick für die Ästhetik der Dinge haben.

Wieso ist Mode Kultur?

Die Designer haben immer eine ganz klare Vorstellung, was sie mit ihrer Kunst ausdrücken wollen, sind sehr perfektionistisch in ihrer Arbeitsweise. Ihre Kleidung ist natürlich auch ein Produkt kreativen Arbeitens, wie ein Gemälde.
Das Künstlerische auf der einen Seite und die Profitorientiertheit andererseits: hält sich das die Waage?

Ich denke, man muss seine Jobauswahl danach richten. Für die Designer ist das ähnlich. Haute- Couture kommt nicht in den Handel, das ist die Ausdruckebene des Designers,  Als Modell hat man auch unbezahlte Jobs, die eher in die Fashionrichtung gehen, die aber gut für die Repräsentation sind und eher die künstlerische Seite zeigen. Für das Modemachen und Aufrechterhalten der Branche sind diese Shootings natürlich sehr wichtig. Auf der anderen Seite bekommt man kommerzielle Aufträge für Werbung etc., die es einem allerdings erst ermöglichen, unbezahlte Jobs überhaupt annehmen zu können.

Wie harmoniert Mode mit anderen Kultursparten? Du hast eine künstlerische Vergangenheit, hast früh begonnen zu tanzen, hast Gitarre und Klavier gespielt und warst im Improvisationstheater aktiv. Kannst du deine Erfahrung aus anderen künstlerischen Bereichen beim Modeln mit einbringen?

Das tänzerische ist z.B. gut für die Haltung. Da wurde ich auch öfter drauf angesprochen. Ich denke, das Improvisationstheater war auch hilfreich. Vor allem im Umgang mit den Menschen. Man muss kommunikativ sein und auf die Leute am Set zugehen können.

Verfolgst du mit dem Modeln ein Ziel?

Ich sehe das überhaupt nicht verbissen. Mein Ziel ist es, in dem Jahr, was ich mir selbst jetzt erstmal gebe, soviel wie möglich zu sehen, Erfahrungen zu sammeln, zu reisen. Im Gespräch waren z.B. schon Mailand oder Tokio. Das sind natürlich tolle Chancen. Ich lass mich da überraschen und bin offen.

Was würdest du an der Branche ändern, wenn du könntest?

Meiner Meinung nach wird zu sehr auf die Maße geachtet wird. Das ist in jeder Stadt anders. Aber das 90-60-90 Denken finde ich nicht gut. Diese Momentaufnahme ist einfach nicht realistisch. Schon eine Flasche Wasser ändert einen Bauchumfang. Da muss man nicht mal was gegessen haben. Da würde ich mir Veränderung wünschen.

Wie wichtig sind Social Media für den Erfolg?

Sehr wichtig, vor allem Instagram. Kunden schauen auf deine Follower. Man wird teilweise nur zu Castings eingeladen, wenn man mindestens 50.000 Follower hat. Dadurch steigt natürlich auch der Radius an Bekanntheit des Designers.

Was hast du empfunden, als du dich zum ersten Mal in einem Magazin gesehen hast?

Das ist schwierig zu beschreiben. Es war ein komisches Gefühl. Man nimmt sich gar nicht richtig wahr. Natürlich bin das Ich, aber nicht ich als Privatperson. Ich bin zurechtgemacht, habe extravagante Kleidung an, deswegen ist es fast normal das anzusehen.

Wie wird man deiner Meinung nach ein namenhaftes Model?

Grundvoraussetzung ist natürlich erst einmal, dass du deinen Körper fit hältst. Natürlich musst du zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Darüber hinaus sind Connections ganz entscheidend. Du musst dir ein Netzwerk aufbauen und diese Kontakte pflegen.


Large Blog ImageLaura-Charlott Kahlert studiert im vierten Bachelorsemester Deutsche Philologie und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität in Berlin.


2017-07-06T12:18:01+02:00 Kategorien: Berlin + Brandenburg, Kunst + Können, Lesen|Tags: , , , , , |