Im Kaffee liegt die Kraft: Im Gespräch mit dem Inhaber vom KIEZ KAFFEE KRAFT

Marco Prüfer, Inhaber von Kiez Kaffee Kraft vor seinem Café in der Schivelbeiner Straße 23. Foto: Pia Neumaier

Im Kaffee liegt die Kraft: Im Gespräch mit dem Inhaber vom KIEZ KAFFEE KRAFT

Im Interview mit Marco Prüfer, dem Inhaber zweier Cafés in Pankow erfahren wir: „Es geht ja nicht nur um Kaffee. Jeder macht Kaffee. Jeder kann auch guten Kaffee relativ einfach machen, aber so nachhaltig über Jahre einen Ort zu schaffen, wo Leute gerne hingehen, hat auch viel mit Menschen zu tun.“

von Pia Neumaier

Nach einem Spaziergang durch den Mauerpark noch einen Kaffee trinken, dem Trubel der Schönhauser Allee entkommen und leckere hausgemachte Kuchen essen? Das KIEZ KAFFEE KRAFT in Prenzlauer Berg, in der Schivelbeiner Straße, lädt mit seiner entspannten Atmosphäre zum Verweilen ein.
Das erste Café hat Marco Prüfer zusammen mit Jarves Drechsler 2014 in Prenzlauer Berg eröffnet. Seit Sommer 2021 wird ein zweites KIEZ KAFFEE KRAFT in Pankow betrieben.
Marco erzählt im Interview von seinen Gründungsabsichten, was mit dem Hashtag #30jahresplan gemeint ist und von den betriebswirtschaftlichen sowie coronabedingten Herausforderungen.

Wie es zur Gründung kam

Wie hat sich dein beruflicher Werdegang gestaltet? Wie bist du dahin gekommen, wo du heute bist?

Ich komme aus Berlin Spandau und bin damals auf das Gymnasium gegangen. Ich habe nicht das Gefühl, dass die normale Schule einen auf das Arbeitsleben vorbreitet, eher auf die Uni. Mir war früh klar, dass ich studieren will und habe in der 12. Klasse einen dualen Studienplatz für International Business Administration bekommen. Weil ich nicht so richtig wusste, wo ich landen will, dachte ich auch, dass BWL eine gute Wahl ist. Denn damit kannst du Betriebe wirtschaften, vielleicht selbstständig werden und was aufmachen. Jetzt im Nachhinein hätte ich schon gerne eine Ausbildung gemacht. Irgendwie was Handfestes. Ich bereue es ein bisschen, nicht zuerst eine Ausbildung, vielleicht als Tischler, gemacht zu haben und dann zu studieren. Aber so ist es halt gekommen. Damals wusste ich das noch nicht.
Ich habe schon immer mehrere Sachen parallel gemacht. T-Shirts bedruckt, mal ein Portemonnaie produzieren lassen, Partys organisiert. Immer eine Art unternehmerisches Tun, sag ich mal.
Nach dem dualen Studium habe ich direkt einen Job im Unternehmen als Junior Global Product Manager im Marketing bekommen. War auch ein super Einstiegsjob, aber für mich die falsche Branche. Es war nicht das richtige für mich und meinen Charakter.

„Damals war hier auch noch nichts los.“

Ich habe dann mit einem Kumpel aus der Uni gequatscht. Er wollte eine Bar aufmachen und ich habe angeboten, dass ich gerne helfen kann. Das hat nicht geklappt, aber er hat diese Fläche hier gefunden. Das war vor acht Jahren. Da kannte ich den Kiez hier gar nicht und wusste auch nicht, ob hier was los ist. Damals war hier auch noch nichts los. Es waren auch viele Baulücken da. Aber das Haus war schön, die Miete war billig und dann dachten wir uns: „OK, das machen wir.“ Ich habe daraufhin einen gut bezahlten Konzernjob gekündigt und bin hier Kaffee machen gegangen. Ich hatte auch keine Ahnung von nichts. Ab ins kalte Wasser und von da aus ging es dann nach dem Motto Step by Step.

Marco hinter dem Tresen seines neu eröffneten Cafés im Jahr 2014 | Foto: Marco Prüfer

Wie kam es, dass Du Kaffee machen wolltest? Hattest Du vorher schon Erfahrung oder Interesse an Kaffee?

Ich habe meine ganze Abizeit im Klamottenladen gearbeitet. Ich finde Spaces geil. Ich hätte jetzt keinen Klamottenladen aufgemacht, aber vielleicht ein Restaurant, irgendwas in dem Sinn.

„Das fand ich schon immer romantisch.“

Kaffee ist ein Handwerk, welches man erlernen kann. Perfekt Kaffee machen ist vielleicht eine Kunst, aber erstmal ist es ein Handwerk. Und ich dachte mir: „Ey, ein Handwerk kannst du lernen.“ Deswegen ist es Kaffee geworden. Und weil ich Cafés als Orte wunderschön fand. Ich bin immer gerne in Cafés gegangen. Ich habe da gelesen, Notizen gemacht, mir was überlegt. Das fand ich schon immer romantisch.

Nicht nur der Kaffee an sich, sondern auch die Erfahrung spielt eine Rolle. Das merkt man.

Genau. Ich glaube, das merkt man ein bisschen hier. Es geht ja nicht nur um Kaffee. Jeder macht Kaffee. Jeder kann auch guten Kaffee relativ einfach machen, aber so nachhaltig über Jahre einen Ort zu schaffen, wo Leute gerne hingehen, hat auch sehr viel mit Menschen zu tun.

Der Eingang des Cafés 2014 | Foto: Marco Prüfer

Der Eingang des Cafés 2022 | Foto: Pia Neumaier

Die Entwicklung von KIEZ KAFFEE KRAFT

Wie hat sich dein Unternehmen zu dem, was es heute ist, entwickelt?

Marco Prüfer, Steffen Prüfer und Robert Ziegfeld sind Familie, Freunde und Geschäftspartner | Foto: Marco Prüfer

Das war nicht geplant, sage ich mal. Ich weiß auch nicht, wie unsere Firma nächstes Jahr aussieht oder in zwei, vier Jahren. Es hat ganz viel mit Menschen zu tun. Ich hätte höchstens im Traum gesagt, fünf oder zehn Cafés wären cool, aber ich habe gemerkt, dass ich alleine nicht die Energie oder das Volumen hätte, um zu sagen, dass wir jetzt noch eins aufmachen. Der erste Schritt war, dass ich damals das Management abgegeben habe. Das war ein riesiger Schritt für mich. Und das ist auch der Unterschied zwischen einem Selbstständigen und einem Unternehmer. Der Selbstständige macht alles selbst, aber als Unternehmer gibst du Aufgaben auch ab und lässt andere Personen wichtige Dinge erledigen.
Mit Pankow war es so, dass Steffen und Robi mit der Idee eher auf mich zukamen. Dann kam auch noch die Location in Pankow, wir haben uns zu dritt beworben und haben unsere Marke verkauft, KIEZ KAFFEE KRAFT. Ich habe sozusagen die acht Jahre Erfahrung verkauft.

Ihr habt kürzlich ein Rebranding von Café Kraft zu KIEZ KAFFEE KRAFT vorgenommen und habt nun auch ein neues Logo. Inwiefern war das eine parallele Entwicklung zu der Neueröffnung in Pankow?

Das Logo vom KIEZ KAFFEE KRAFT. Entworfen von Marcos Bruder, Steffen | Foto: Steffen Prüfer

Ich glaube, es hat einfach gut gepasst. Anfang Corona kam ein Anruf aus Nürnberg. Von einer Boulderhalle namens Café Kraft und die meinten, dass wir uns wegen des Namens was überlegen sollen, damit wir parallel arbeiten können, ohne dass wir deren Markenrechte verletzen. Die wussten schon immer, dass es uns gibt, aber damals waren wir nur ein Café in Berlin, die Kaffee machen. Nur durch Corona haben wir einen Onlineshop eröffnet und auch T-Shirts verkauft. Sobald wir online gingen, waren wir in deren Spielfeld. Die haben auch Café Kraft Shirts verkauft. Ab dem Zeitpunkt war es dann wichtig, dass wir uns was überlegen. Zeitgleich kam dann auch Pankow und wir hatten auch einen Business Coach. Mit ihr haben wir im Coaching diesen Brand, dieses Unternehmen hier mit seinen Stärken herausgearbeitet. Dieser Kiez war ein großes Thema, Kaffee natürlich und Kraft. Das schmeißen wir alles zusammen. In dem Zuge haben wir dann auch das Logo mit dem Pfeil nach unten und den drei Wörtern, was für sowohl eine Kaffeetasse als auch einen Pfeil nach unten als Verweis auf diese Location steht, entwickelt. Somit war ich zu dem Zeitpunkt, wo wir unser Brand in Pankow pitchen mussten, klar in meiner Vision und konnte das gut verkaufen.

Man könnte Kiez Kaffee Kraft mit KKK abkürzen, was jedoch sehr problematisch wäre. Habt ihr das beim Rebranding berücksichtigt? Kommt es vor, dass Du auf diese Abkürzung angesprochen wirst?

Haben wir drüber gesprochen, aber dadurch, dass wir im deutschen Sprachraum sind, wurde ich vielleicht zweimal darauf angesprochen. Wir haben auch überlegt: „Ist das cool? Ist das nicht cool?“, aber wir kürzen es auch nicht ab. Wir machen jetzt kein KKK Logo auf unser Merch. Deswegen geht es voll. Ich habe es ein bis zweimal gehört, aber weil wir es nicht abkürzen und auch nicht KKK (englisch) sagen, haben wir gesagt, dass wir das lassen.

Unternehmerische und innovationsbezogene Aspekte

Welche Geschäftsstrategie verfolgst du? Du meintest schon, dass du noch nicht genau weißt, was nächstes Jahr sein soll, aber Du verwendest das Hashtag #30jahresplan. Was hat es damit in Bezug auf eine Strategie auf sich?

Also das Haus in Pankow steht nicht ewig. Da ist es schwierig, von einem 30-Jahres-Plan auszugehen. Aber hier in Prenzlauer Berg haben wir auf jeden Fall einen. Ich finde den Gedanken auch sehr romantisch. Wenn du in Italien in eine Espressobar gehst und da deinen Kaffee trinkst und da das Holz so abgewetzt ist, weil die da schon seit 50 Jahren ihre Espressi trinken. In unserer schnelllebigen Zeit machen viele nur zwei Jahre dies und dann mal zwei Jahre das. Deswegen der 30-Jahres-Plan. Das habe ich auch von einem New Yorker Klamottenlabel gestohlen. Brooklyn Circus. Die haben einen 100-Jahres-Plan. Nochmal anderes Level. Ich träume aber davon, dass der Laden hier mindestens 30 Jahre existiert. Dass ich als 50-Jähriger hier reinlaufe und sagen kann: „Ey, auf dem Boden hier ist mein Sohn schon rumgerannt.“, der dann schon 20 ist. Es geht nicht nur um das Geld. Für Geld würde ich den Laden hier nicht verkaufen. 50 000EUR Angebot? Nö, Jahresplan!

Was Kund:innen sehen, wenn sie das Café betreten | Foto: Pia Neumaier

Das KIEZ KAFFEE KRAFT verkauft auch Merch. Aktuell: Ein weißes Shirt mit blauem Backprint, welches den Schwedter Steg zeigt und auf die Lage verweist | Foto: Pia Neumaier

Du bist viel in sozialen Medien unterwegs. Du machst Instagram, YouTube und Spotify. Inwiefern läuft das dann unter dem Gedanken, dass das Unternehmen nachhaltig bestehen soll?

Klar, auf jeden Fall. Das Ding ist, dass man uns hier im Kiez schon kennt. Aber wenn du nach Neukölln gehst und dort nach uns fragst, weiß keiner, wovon du redest. Unsere Marke ist vielleicht in unserem Kosmos, im Kraft Kiez, sehr präsent. Dadurch, dass wir keinen Kaffee rösten, sind wir jetzt aber nicht in der Kaffeeszene bekannt. Naja, wir sind schon bekannt. Weil wir eben seit acht Jahren dabei sind. Wir waren eins der ersten guten Cafés in Berlin. Deutschlandweit sind wir jedoch eher nicht so bekannt. Weil wir eben nicht rösten. Ich habe deswegen gesagt, dass wir unser Brand deutschlandweit anders stärken müssen. Das machen wir digital hauptsächlich durch den YouTube-Auftritt und den Podcast. Das spielt da alles mit rein. Wenn wir wieder eine andere Location aufmachen, wirkt es auch beeindruckend, wenn wir sowas vorweisen können. Das hat uns in Pankow auch geholfen. Die waren von Instagram, dem Podcast, YouTube und unserer Playlist total begeistert.

„Jahrelange Erfahrung mit Kaffee“

Was grenzt dein Café von anderen Unternehmen ab und inwiefern herrscht hier in Prenzlauer Berg ein Wettbewerb unter Cafés?

Ich habe noch nie an Wettbewerb gedacht, weil der Wettbewerb für mich am Arnimplatz aufhört. Jemand, der ein richtiger Nerd ist, der tingelt durch Berlin und trinkt überall seinen Kaffee. Wir konzentrieren uns hier aber nur auf uns. Direkte Konkurrenz haben wir nicht. Wenn hier gegenüber jemand aufmachen würde, würde ich vielleicht anders denken, aber eigentlich ist es auch gut für das Geschäft. Denn dann gehen da manche hin und zu uns kommen auch welche. Wir sind eine Community, sage ich mal. Ich gehe auch gerne woanders hin und lasse mich inspirieren.

Jahrelange Erfahrung mit Kaffee. Die Milch wird cremig aufgeschäumt, um einen Latte zubereiten zu können. | Foto: Pia Neumaier

Wir grenzen uns zu anderen Cafés in unserem Umfeld dadurch ab, dass wir schon jahrelange Erfahrung mit Kaffee und dadurch auf einen Vorsprung gegenüber anderen haben. Wie man Mitarbeiter hält, motiviert und findet ist vielleicht die größte Herausforderung des 30-Jahres-Plans.

KIEZ KAFFEE KRAFT und die Corona-Pandemie

Inwiefern war die Corona-Pandemie eine Herausforderung für das Café?

Die Pandemie war auf jeden Fall eine Herausforderung für mich. Als es losging und wir alle nach Italien geguckt haben und uns die Horrorszenarien anschauen mussten, war uns nicht klar, was kommt. Es war alles krass ungewiss und auch ein Riesendruck. Vor allem finanziell. Die Verträge hier sind weitergelaufen. Viele Wohnungen mussten bezahlt werden. Der Staat ist zwar gut eingesprungen, hat Kurzarbeitergeld unterstützt, Hilfen geleistet, aber auch viele graue Haare, besonders in der Anfangszeit, verursacht. Wir haben auch Unterstützung bekommen. Wir hatten sechs Wochen lang zu und die Unterstützung hat uns über diese sechs Wochen gerettet.

„Es war Unternehmertun gefragt“

Als alles To Go und aus dem Fenster raus losging, da war dann Unternehmertum gefragt. Dieses haben manche nicht bewiesen, weil sie sehr eingefahren waren oder nicht agil waren. Agil war ich schon immer.
Herausforderungen als agiler Unternehmer können cool sein. Insofern, dass man sich durch diese hoffentlich ins Positive verändert und sich anpasst. Man muss Dinge testen und Neues starten. Andere Betreiber haben vielleicht keinen Fensterverkauf gestartet oder waren nicht agil. Das hat uns schon viel geholfen. Deswegen sage ich auch: „Keine Ahnung, was wir in drei Jahren machen.“

Welche Aktionen haben Euch durch die Pandemie gebracht?

Zum Beispiel der Blumenverkauf. Das lief auch super. Dass wir hier den zweiten Raum für unsere Kunden schließen und hier stattdessen einen Blumenladen rein machen, war so ein spontaner Gedanke. Solche Gedankenprozesse dauern auch ihre Zeit. Mit Cheers Kiez Pizza haben wir auch zusammengearbeitet. Ich war mal deren Inhaber, jetzt nicht mehr. Damals hatten wir uns auch überlegt, was cool ist und gemerkt, dass unser Kiez Essen braucht. Kiez Pizza. Und dann haben wir den Laden als Pop-Up auch hier während der Coronazeit getestet.
Ich weiß auch nicht genau, wo die Reise hingeht, aber hoffentlich für 30 Jahre.

Zum Abschluss: Wenn du hier arbeitest, was für Musik muss laufen?

Es gibt zwei Sachen. Auf keinen Fall 80s. Das kann ich gar nicht. Entweder Hiphop, Beats und „beats to study to“ finde ich cool. Und Rap. Ich bin auch die Generation Jay Z, Kanye West. Damit bin ich groß geworden. Aber als ich noch mehr feiern war und noch keine Kinder hatte, da lief dann auch Elektronisches.

Danke für Deine ausführlichen Antworten und dafür, dass Du Dir Zeit für dieses Interview genommen hast. Ich wünsche Euch weiterhin viel Erfolg für die Zukunft und bin gespannt auf das, was noch kommt.


Pia Neumaier studiert im vierten Semester Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft mit Betriebswirtschaftslehre im Bachelor. Durch Interviews interessante Persönlichkeiten kennenzulernen und deren Geschichten zu erfahren, bereitet ihr viel Spaß.


2022-10-21T23:56:02+02:00 Kategorien: Berlin + Brandenburg, Lesen|Tags: , , , , , , , |