Start with a Friend: „Besonders wichtig ist uns, dass alles auf Augenhöhe stattfindet“

Start with a Friend Community. Foto: SwaF

Start with a Friend: „Besonders wichtig ist uns, dass alles auf Augenhöhe stattfindet“

In einem fremden Land neu anzufangen und Anschluss zu finden ist oftmals schwer und kostet viel Überwindung. Um Einwandernden diesen Weg in Deutschland und inzwischen auch in Österreich zu erleichtern, gründete sich 2014 die Organisation „Start with a Friend“. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, Einwandernde mit sogenannten „Locals“, also Menschen, die schon längere Zeit vor Ort wohnen, zu vernetzen. So helfen sie, neue Kontakte und Freundschaften zu fördern und einen wichtigen Schritt in Richtung Integration zu gehen. In einem Interview spreche ich mit Josefine Hoppe, die bei Start with a Friend als „Fellow“ arbeitet.

von Emely Germer

Josefine, wie sieht dein Arbeitsalltag bei Start with a Friend aus?

Logo von Start with a Friend | Foto: SwaF

Meine Arbeit besteht im Wesentlichen aus dem Zusammenbringen von Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte. Dafür vernetze ich Einwandernde und Vereine. Zurzeit passiert das hauptsächlich über Emails und Telefonate. Sofern die Corona-Bestimmungen es zulassen, besuche ich aber auch gern die Vereine oder gehe für das Kennenlernen mit den Einwandernden spazieren. Je besser ich die Personen kenne, desto besser kann ich den passenden Verein für sie finden.

Wonach entscheidet ihr, ob ein Verein passt, oder nicht?

Als Erstes müssen wir natürlich schauen, was die Interessen der jeweiligen Person sind. Dann können wir sehen, welche Vereine dazu passen könnten. Wir achten aber auch noch auf andere Dinge. Zum Beispiel versuche ich einen passenden Verein in der Nähe des Wohnortes zu finden, damit nicht so weite Fahrtwege entstehen. Natürlich ist es auch wichtig, die Zeiten abzustimmen. Die meisten Vereine bieten schließlich nicht sieben Tage die Woche für mehrere Stunden Training an. Diese Zeiten müssen für den Einwanderer oder die Einwanderin passen. Außerdem schauen wir auch auf die Altersstruktur und Geschlechterverteilung des Vereins.

Gibt es auch Auswahlkriterien für die vermittelten Vereine?

Von der Art des Vereins eigentlich kaum. Wir arbeiten mit vielen Sportvereinen zusammen, aber auch mit Musikvereinen und lockeren Gruppen, wie Nachbarschaftscafés oder ähnliches. Da ist schon ziemlich viel dabei. Es ist auch nicht notwendig, dass es sich um eine als Verein eingetragene Organisation handelt. Die sind allerdings sehr viel leichter zu finden.

Auf andere Komponenten schauen wir schon. Uns ist wichtig, dass die Aktivitäten und Einstellungen des Vereins mit unseren vereinbar sind. Meistens merkt man auch schon beim Telefonat, ob es passt, oder nicht. Die meisten Vereine, die wir anrufen, freuen sich aber über die Initiative. Viele engagieren sich auch schon in diese Richtung oder wollten es ohnehin gern tun.

SwaF Community | Foto: Virginia Pech

Ich höre heraus, dass ihr auf die Vereine in der Regel direkt zugeht. Wie sieht das bei den Einwandernden aus? Wie werden sie auf euch aufmerksam?

Wir gehen zum Beispiel häufig in Sprachkurse und dürfen dort unsere Organisation vorstellen. Oft gibt es sogar eine Lektion innerhalb des Kurses, bei der es um Freizeitaktivitäten und Vereine geht. Das ist sehr gut für uns, da dort im Rahmen des Unterrichts schon gleich das Konzept Verein gelehrt wird. Einige werden auch über Freund*innen auf uns aufmerksam, die auch schon mitmachen.

Habt ihr manchmal das Problem, dass die Deutschkenntnisse nicht ausreichen, um bei euch mitzumachen?

Also, gerade wenn wir in die Deutschkurse gehen, besuchen wir eher die ab Niveau B1 und höher. Sonst wird es schon wirklich schwierig im Verein anzukommen. Es gibt natürlich ein paar Menschen, die total mutig sind und sich auch ohne viele Worte super verständigen können, aber in der Regel muss man schon ein paar Vorkenntnisse mitbringen. Unser Anmeldebogen im Internet ist zum Beispiel auch auf Deutsch. Wir helfen auch gelegentlich den Bewerber*innen, ihn auszufüllen, aber wenn man damit so gar nichts anfangen kann, ist es halt schwierig. Aber natürlich achten wir bei all diesen Dingen auf einfache Sprache. Das bedeutet, viele Hauptsätze und wenige Fachwörter. Ein bisschen Bürokratie muss aber trotzdem sein, damit wir datenschutzrechtlich abgesichert sind.

Die Mitgliedschaft in einem Verein kostet oft auch einen gewissen Beitrag im Monat. Kommt es manchmal vor, dass Menschen, die bei euch mitmachen möchten, das nicht bezahlen können?

Eigentlich nicht. Wenn wir über unsere Organisation informieren, sind wir sehr transparent und teilen mit, dass einige Vereine auch Geld kosten. Wir versuchen natürlich immer Vereine zu finden und zu vermitteln, die im Budget der Einwandernden liegen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, Unterstützung dafür zu beantragen. Das sind, glaube ich, so etwa 15€ im Monat für solche Freizeitaktivitäten. Auch dafür leiten wir gern Informationen weiter.

Vorhin hast du gesagt, ihr achtet auch auf die Zusammensetzung in den Vereinen bezüglich Geschlecht und Alter. Gibt es da auch eine Tendenz bei den Einwandernden?

Das ist unterschiedlich, aber viele, die uns kontaktieren sind 20-30 Jahre alt und häufig mehr Männer als Frauen. Frauen kommen auch öfter gemeinsam mit ihrem Mann. Aber wenn sie alleine kommen, bevorzugen sie meistens einen Verein, in dem viele Frauen vertreten sind.

Was denkst du, woran das liegen könnte, dass mehr Männer bei euch teilnehmen möchten?

Das ist nicht so leicht zu beantworten. Zum einen sehe ich in den Deutschkursen, in denen wir auf unsere Organisation aufmerksam machen oft mehr Männer als Frauen. Zum anderen ist es aber vielleicht auch ein kulturelles Ding. Wenn du in deinem Herkunftsland auch nicht in einem Verein warst, ist die Hürde noch größer, sich hier einen zu suchen. Dann muss man vielleicht nicht nur eine neue Sprache lernen und kennt kaum jemanden, sondern zusätzlich noch eine neue Sportart, die man vorher noch nicht ausprobiert hat. Das muss man sich erstmal trauen. Daher versuchen wir die Hürde ein bisschen niedriger zu machen, damit mehr Menschen diesen Schritt wagen.

Wenn ihr eine Einwanderin oder einen Einwanderer und einen Verein zusammenbringt, wie läuft das dann ab?

Erstmal gibt es ein Treffen mit einem Buddy. Das ist eine Person aus dem Verein, die den Einwandernden alles über den Verein erzählt und sie oder ihn in den Verein mitnimmt. Und dort lernen sie dann gleich mal zehn Personen kennen, mit denen sie sich bestenfalls gut verstehen. Und wenn sie sich mit, sagen wir mal, zwei Personen besonders gut verstehen, dann entstehen schon gleich neue Freundschaften, und das ist ja unser Ziel. Besonders wichtig ist uns, dass alles auf Augenhöhe stattfindet. Hier hilft nicht eine Person der anderen, sondern beide können aus dem Erfahrungsschatz des anderen etwas lernen.

Um als Organisation noch weiter unterstützen zu können, fragen wir etwa zwei Wochen nach der Vermittlung nach, wie das erste Treffen im Verein gelaufen ist. Den nächsten Check-In gibt es dann nach drei Monaten und dann noch einen nach sechs Monaten. Nach diesem halben Jahr ist die Vermittlung für uns als Organisation erfolgreich abgeschlossen. Die Einwandernden dürfen dann natürlich so lange in dem Verein bleiben, wie sie möchten.

Wie kann man selbst ein Fellow werden?

Event bei Start with a Friend | Foto: Virginia Pech

Einmal im Jahr, im Oktober und November, werden offene Stellen ausgeschrieben und man kann sich darauf bewerben. Im Bewerbungsprozess gibt es dann erstmal ein Telefonat und wenn man weiterkommt, noch ein Vorstellungsgespräch. Im neuen Jahr gibt es dann zurzeit eine dreitägige Online-Einarbeitung. Vor Corona haben wir uns eigentlich immer für fünf oder sechs Tage alle zusammen in einer Herberge getroffen und vor Ort gelernt. Dieses Training ist dann für alle, die neuen und die „alten“ Fellows. Da gibt es ganz viele Workshops zu verschiedensten Themen wie Rassismus, Gender, einfache Sprache und so weiter. Im Sommer gibt es dann nochmal ein Bundestreffen. Auch wieder mit vielen Workshops, an dem auch die ehrenamtlichen Teams der verschiedenen Städte teilnehmen können. Im Herbst kommen alle Fellows nochmal zu einer Abschluss-Reflexion zusammen.

Das schweißt als Team noch mal gut zusammen und ist auch das Schöne bei uns. Da gibt‘s nicht ganz oben irgendwie einen Chef oder eine Chefin, vor der alle kuschen müssen. Sondern wir sind eben ein Team und ich kann auch mit denen aus dem Bundesteam ganz normal auf Augenhöhe reden. Es hat halt jede und jeder so seine Aufgabenbereiche, für die er oder sie zuständig ist und um die man sich kümmert, aber gleichzeitig kann man auch die anderen immer fragen, wenn etwas unklar ist. Ich denke, dass wir auch deshalb ein so gutes Team sind, weil wir im Grunde alle mit Menschen zusammenarbeiten, statt irgendein Produkt zu entwickeln. Da passt dann auch einfach so der Vibe.

Wie kann man euch als Organisation sonst noch bei eurer Arbeit helfen?

Naja, das eine sind die Spenden, aus denen wir uns finanzieren. Das hilft uns natürlich enorm. Was aber genauso wichtig ist, ist unsere Idee weiterzutragen. Das ist so eine Art Kreislauf. Wenn wir bekannter werden, erhalten wir mehr Spenden und auch mehr Fördermittel vom Staat. Dadurch können wir bessere Arbeit machen, da mehr Budget da ist, um zum Beispiel mehr Fellow-Stellen zu schaffen, wodurch wir wieder mehr Menschen erreichen können. Und wenn wir bessere Arbeit machen, werden mehr Menschen auf uns Aufmerksam und dadurch bekommen wir wieder mehr Fördermittel und können mehr Menschen erreichen und so weiter.

Vielen Dank für das Interview. Als abschließende Worte, was würdet ihr euch für die Zukunft wünschen?

Nun ja, ich kann natürlich nicht für das gesamte SwaF-Team sprechen, aber ich würde mir wünschen, dass den Einwandernden in Zukunft nicht mehr so viele Steine in den Weg gelegt werden. Ich habe so viele Personen, mit denen ich spreche, die sich über die viele Bürokratie beklagen. Vor allem müssen sie lange darum kämpfen, dass ihr Universitätsabschluss in Deutschland anerkannt wird. Manche denken, nur weil die Einwandernden nicht die gleiche Sprache sprechen, sind sie weniger intelligent. Aber ich habe so viele Menschen kennengelernt, die in ihrer Heimat viele Jahre studiert haben und eigentlich ausgebildete Ingenieure, Informatiker oder Ärzte sind, aber hier ihren Abschluss nicht anerkannt bekommen. Ich wünsche mir, dass sich das ändert.


Emely Germer studiert im 3. Semester Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin. Sie ist selbst Trainerin in einem Verein und findet, dass es kaum etwas Besseres als Sport gibt, um Menschen zusammenzubringen.