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[Neue Forschungen am Zentrum für Muskel- und Knochenforschung]


Blick in das Forschungslabor der Bewegungsspezialisten.

Das hatte der Nationaltrainer der jugendlichen Volleyballerinnen unterschätzt – auf einer vibrierenden Platte zu stehen, die lediglich Muskelreflexe auslöst. Die Kniebeugesimulation auf dem „Galileo 2000“ würde er als trainierter Mann cool wegstecken. Als er tags darauf bei Dieter Felsenberg, Leiter des Zentrums für Muskel- und Knochenforschung (ZMK) am Fachbereich Humanmedizin der FU, anrief, vereinbarte der ziemlich muskelverkaterte Bundestrainer für seine Mannschaft ein Spezialtraining mit Galileo. Nach nur knapp vier Monaten sprangen die Volleyballerinnen zehn Zentimeter höher. Auch Skispringer und Gewichtheber nutzten es.

Das intensive Muskeltraining wirkt sich direkt auf die Knochen aus. „Der Knochen passt sich an“, erklärt Dieter Felsenberg. Er erforscht die Wechselwirkungen zwischen Skelett und Muskulatur und die Anpassungsfähigkeit des Knochens. Wird er durch Muskelkraft stimuliert, passt sich der Knochen seiner Funktion als Dreh- und Angelpunkt für Bewegung an – das Netzwerk zur Kräfteverteilung, bestehend aus einem Geflecht von Knochenbälkchen (Trabekel), wird stabil und flexibel.

Mit der Kehrseite, dem porösen und daher bruchgefährdeten Knochen beschäftigt sich Felsenberg schon sein Forscherleben lang. Nachdem der Radiologe Anfang der 1980er Jahre im Universitätsklinikum Benjamin Franklin den Bereich Osteoporose und Knochendichtemessung übernahm, stellte er bald fest, dass Knochen und bildgebende Diagnostik allein nicht ausreichten, um die Osteoporose insgesamt zu verstehen. Durch zwei große Studien konnte er seine Forschungsgruppe mit Drittmitteln vergrößern und 1999 das ZMK gründen. Hier arbeitet nun ein bis zu 40-köpfiges Team aus Medizinern, Naturwissenschaftlern, Mathematikern, Informatikern und speziell qualifizierten Study Nurses daran, das gesamte Muskel-Skelett-System mit seinen Fehlfunktionen und Krankheiten zu erfassen.

Ein wesentlicher Bereich ist die minuziöse Erkundung der knöchernen Innenarchitektur. Dafür stehen alle gängigen Techniken oder ZMK-eigene Neuentwicklungen wie die Quantitative Computertomografie (QCT) zur Verfügung. „Mit der QCT kann ich sowohl die Struktur des Knochens als auch die Verteilung seiner Masse feststellen und daraus seine Festigkeit berechnen“, erklärt Felsenberg. Für die Auswertung von QCT-Bildern wurde außerdem ein Algorithmus entwickelt, der automatisch Wirbelkörper erkennt (automatische, interaktive Morphometrie). Der Untersucher markiert den ersten Wirbelkörper, dann sucht sich der Algorithmus alle weiteren und erkennt auch Verformungen. Das feine Trabekelgeflecht wird mit der MikroCT und einer Auflösung von fünf Mikrometern, das sind fünf tausendstel Millimeter, dargestellt. Zum Vergleich: Ein Knochenbälkchen ist etwa 15 bis dreißig Mikrometer dick.

Die Ergebnisse der Basisarbeiten fließen in eine Reihe klinischer Studien zur Behandlung und Vorbeugung mit Medikamenten, aber auch mit muskulären Trainingsmethoden wie dem Galileo ein. Das Gerät wurde mit der Berliner BedRest-Studie ziemlich bekannt, mit der Felsenberg und sein Team einer möglichen, bemannten Marsmission auf die Sprünge geholfen haben. Nach acht Wochen simulierter Schwerelosigkeit wurden die Studienteilnehmer trotz trainierter Muskeln und Knochen ganz vorsichtig wieder aufgerichtet, damit der Kreislauf nicht kollabiert.

„Der Mensch ist wie ein auf der Spitze stehendes Pendel, er muss von den Muskeln ständig in Balance gehalten werden“, sagt der Experte. Sein neuestes Vorhaben ist die Ganganalyse. Auf einem sensorbestücktem Laufsteg werden Gangbilder auf Defizite untersucht. Unter anderem soll festgestellt werden, welches Bewegungstraining die Muskel- und Knochenfunktion bei Parkinson- und halbseitig gelähmten Schlaganfallpatienten, aber auch Menschen mit Querschnittslähmung am besten erhalten. Auf dem Forschungsplan steht auch die „Muskuläre Kapazität in der Bevölkerung“, eine epidemiologische Querschnittsstudie mit Menschen zwischen zwanzig und neunzig Jahren. Felsenberg sagt: „Spazieren gehen, da lacht der Knochen, das interessiert ihn nicht“.

Von Matthias Manych

Foto: FU Archiv


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