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[Ausgabe 7-2001]
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[Welche Erwartungen hat die FU an die künftige Berliner Hochschulpolitik]

Der Kopf der Medusa, nach 1590. Galleria degli Uffizi, Florenz.

Am Ende des Wintersemesters 2001 wurde am Fachbereich Kultur- und Geschichtswissenschaften ein Hochschullehrer verabschiedet, der das Fach Kunstgeschichte an der Freien Universität in den vergangenen Jahren wesentlich geprägt hat. Eine internationale Tagung führte aus diesem Anlass Schüler, Freunde und Fachkollegen von Prof. Dr. Rudolf Preimesberger zusammen, um mit Blick über die Grenzen des jeweils eigenen Forschungsgebiets hinaus die Frage nach der Einteilung und Gruppierung der Künste in der Frühen Neuzeit zu stellen. Die dem Thema „Im Agon der Künste. Paragonales Denken, ästhetische Praxis und die Diversität der Sinne“ verpflichteten Vorträge spiegelten die Vielfalt seiner Forschungen und Interessen.

Der in Ebensee/Oberösterreich geborene Rudolf Preimesberger studierte und promovierte (1962) an der Universität Wien, seit dem Entstehen der „Wiener Schule“ einem der klassischen Orte kunsthistorischer Forschung. Auf eine Assistenz bei Otto Pächt folgte ein mehrjähriger Aufenthalt in Rom, wo er zunächst am Österreichischen Kulturinstitut und dann an der Bibliotheca Hertziana – dem Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte – als Assistent tätig war. Italien, Rom und der Kunst der Renaissance und des Barock ist er seither eng verbunden geblieben. In München, wo er das Zentralinstitut für Kunstgeschichte als zweiter Direktor leitete, habilitierte er sich 1977 mit Forschungen zur politischen Ikonographie des römischen Papsttums. Im Zentrum seiner Untersuchungen stand die Kunstpolitik der römischen Familie Pamphilij, die in der Mitte des 17. Jahrhunderts an der im Herzen der Stadt gelegenen Piazza Navona die Kirche S. Agnese und einen angrenzenden Palast errichten ließ und dem über einem antiken Stadion errichteten Platz damit jenes barocke Aussehen verlieh, das den Ort bis heute prägt. Zu dem Ensemble gehört der von Gian Lorenzo Bernini entworfene Vierströmebrunnen, der über einem labilen, mehrfach durchbrochenen Felsunterbau einen mehr als sechzehn Meter hohen antiken Obelisken trägt. Der ägyptische Stein mit seinen hieroglyphischen Rätselzeichen symbolisiert den Strahl der Sonne, der auf die vier damals bekannten, durch Flußgötter personifizierten Weltteile trifft. Auf seiner Spitze sitzt das Wappentier des Papstes Innozenz X. Pamphilij, eine Taube, die mit einem Ölzweig im Schnabel der gesamten Welt den Frieden bringen soll. Dieses eigenartige, einstmals bunt bemalte Konstrukt in seiner ganzen religiösen, politischen, ästhetischen, hydrologischen und historischen Komplexität ergründet zu haben, war eine wegweisende Forschungsleistung. Sie gehört zu denjenigen Arbeiten, die in den siebziger Jahren in der Italienforschung eine grundlegende Neubestimmung der Ikonologie nach sich gezogen haben.

Von München führte der Weg Rudolf Preimesbergers nach Berlin an die Freie Universität, die ihn 1979 erstmals berief. Für einige Jahre verließ er dann die Stadt, um sie gegen das Institute of Advanced Study in Princeton und die Universität Zürich, wo er ein Ordinariat für Kunstgeschichte bekleidete, einzutauschen. 1989 kehrte er wegen der damals herausragenden Bedingungen und wegen eines intellektuell überzeugenden Klimas an die Freie Universität zurück.

Italienforschung an der FU

Von seinem Vorgänger übernahm er die Aufgabe, Berlin und die Freie Universität zu einem der Zentren der deutschsprachigen Italienforschung für Kunst und Kunsttheorie der frühen Neuzeit auszubauen. Er setzte damit eine Tradition fort, die bis in die Anfänge der Universitätsgründung zurückreicht, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt gefährdet erscheint.

Einen Ruf nach Wien hat der gebürtige Österreicher zur Erleichterung vieler Berliner Studierender 1996 abgelehnt und stattdessen mit Vertretern anderer Fächer das interdisziplinär ausgerichtete Italienzentrum gegründet. In seinen Forschungen ist es ihm wie wenigen gelungen, einen theoretischen Ansatz mit einer eng am einzelnen Werk ausgerichteten Analyse und Interpretation zu verbinden. Dabei interessieren ihn methodische Probleme, wie sie sich aus den unterschiedlichen Bedingungen der Mimesis in Malerei und Skulptur, den verschiedenen Gattungen und den daraus resultierenden künstlerischen Strategien wie Medienwechsel oder -transfer ergeben. Diesen und anderen Fragen ist er in seinen Publikationen, aber auch in seinen Vorlesungen und in seinen häufig eher Forschungskolloquien ähnelnden Seminaren, in denen er mit intellektueller Schärfe und der ihm eigenen Höflich- und Freundlichkeit auf die Fähigkeiten der Studierenden vertraute, nachgegangen.

Der Problematik von Wort und Bild entscheidende Relevanz beigemessen und diese für die Interpretation heuristisch genutzt zu haben, ist sicherlich eines seiner entscheidenden wissenschaftlichen Verdienste. Rhetorik und Poetik hat er früh als Grundlagen einer Wirkungsästhetik der frühneuzeitlichen Kunst erkannt und auch damit die Grenzen der Kunstgeschichte interdisziplinär erweitert. In seinen Werkanalysen hat er gezeigt, in welchem Maße das Kunstwerk durch eine innerbildliche Rezeptionslenkung, nach der das Bildgefüge geordnet ist, auf den Betrachter zugeschnitten ist. Sie bietet einen der Anhaltspunkte für eine Rekontextualisierung des Kunstwerkes, die es über den Status als geschichtliches Dokument hinaus in seiner historisch verankerten ästhetischen Tragweite erfassbar werden lässt. Mit seinen historisch-philologischen Überlegungen zur sprachlichen Situation des Künstlers wie des Betrachters, mit der Frage, welche Begriffe den Künstler während der Produktion seines Werkes möglicherweise angeleitet haben könnten und wie andererseits der Betrachter seine ästhetische Erfahrung zu versprachlichen suchte, konnte Rudolf Preimesberger auch für Werke nicht-italienischer Künstler wie etwa für Bilder Jan van Eycks oder Albrecht Dürers grundlegend neue Perspektiven für das Verständnis der Bildkonzeptionen der Frühen Neuzeit eröffnen. Wie fruchtbar dieser Ansatz ist, führte er auch in seinen Untersuchungen zum Porträt vor Augen, einer Gattung, die sich auf den ersten Blick dem sprachlichen Zugriff zu entziehen scheint. Mit seinen Forschungen hat er gezeigt, dass durch die Reflexion über die Sprache der eigentliche Kunstcharakter des Bildes greifbar werden kann und damit jene Strategien zum Vorschein kommen, durch die sich Bildlichkeit und Kunst als Kunst enthüllt: „per mostrare l‘arte“.

Neben vielen anderen Projekten arbeitet Rudolf Preimesberger gegenwärtig an einem Buch zu Caravaggio als einem Künstler, der sich dem Klassizismus und einem einseitigen Bild- und Kunstverständnis entzieht, indem er versuchte, ekelhafte, schreckliche und buckelig-schiefe Bilder zu entwerfen. Er forscht außerdem zu St. Peter und leitet ein Forschungsprojekt zur Theorie der Skulptur. Im vergangenen Semester unterrichtete er an der römischen Università della Sapienza, wo ihn die italienischen Studierenden mit dem durch Zurufe geäußerten Wunsch nach „mehr“ verabschiedeten, im kommenden Jahr wird er in Basel lehren.

Hannah Baader und Kristine Patz

Die Autorinnen sind Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Kunsthistorischen Institut.

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