RAW-Gelände im neuen Glanz

RAW-Gelände im neuen Glanz. Foto: Lisa Demirel

RAW-Gelände im neuen Glanz

Dem RAW-Gelände in Friedrichshain steht ein massiver Umbau bevor. Welche Pläne es aktuell gibt und was das für den Charme des Geländes bedeutet.

von Lisa Demirel

Im hippen Viertel Friedrichshain treffen jedes Wochenende tausende feierlustige Menschen an einem Ort zusammen: dem RAW-Gelände. Direkt an der Warschauer Brücke gelegen, bietet es auf 8.800 Quadratmetern einen bunten Mix aus Clubs, Bars und Kultureinrichtungen. Bisher zumindest. Ab kommendem Jahr steht dem Gelände der größte Umbau seines Daseins bevor.

1867 wurden die ehemaligen Lagerhallen erbaut und dienten damals der Eisenbahnreparatur der Deutschen Bahn. Daher stammt auch die Bedeutung der Abkürzung RAW: „Reichsbahnausbesserungswerk“. Die Deutsche Bahn hatte vorerst selbst überlegt, das Gelände umzubauen. Stattdessen verkaufte sie es an mehrere Eigentümer. Unter anderem kaufte die Kurth Immobilien GmbH aus Göttingen ca. 50.000 Quadratmeter auf, welches drei Viertel des Geländes entspricht. Seit 1999 entwickelten sich mehr als 60 künstlerische Projekte auf dem Gelände, verwaltet durch den Verein RAW-Tempel e.V.

Auf dem Gelände befinden sich insgesamt sechs Clubs, die die Nacht zum Tag werden lassen: Weißer Hase, Suicide Club, Cassiopeia, Urban Spree, Astra, Haubentaucher und das Badehaus. Hinzu kommen die zwei Bars Crack Bellmer und Zum Schmutzigen Hobby. Auf dem Gelände befindet sich außerdem die Teledisko, eine zum Club umgestaltete Telefonzelle. Doch auch tagsüber wird es hier nie langweilig. Für Sportbegeisterte bietet das Gelände eine Skate- sowie eine Kletterhalle. Für alle Kunstliebhaber gibt es zwei Ateliers: das RAW ART und die Kunstakademie Friedrichshain. Der Sonntagsspaziergang kann mit einem Ausflug auf den bekannten Flohmarkt verbunden werden.

Eines der vielen Graffitis auf dem Gelände | Foto: Lisa Demirel

Die Teledisko: Der kleinste Club Berlins | Foto: Lisa Demirel

Doch das Gelände hat auch eine andere Seite. Wie in jedem Party-Viertel Berlins gibt es auch hier Probleme: Konflikte zwischen Anwohnern und Feiernden sind hier kein Fremdwort. Drogenkonsum, Vandalismus, Gewalt und Müll prägen das Bild des RAW-Geländes. Es kommt seit Jahren immer wieder zu Polizeieinsätzen auf dem Gelände, was zum Unmut der Anwohner führt.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Gelände

In der Corona-Pandemie war das Feiern auf dem Gelände lange Zeit nicht möglich. Diese Zeit hat den Raum gegeben, die Nutzung des RAW-Geländes zu überdenken und zu verändern. Statt nachts wurde das Gelände überwiegend tagsüber genutzt. Neben den bereits bestehenden Sport- und Kulturangeboten kamen ein Zero Stress Garden, sowie ein Urban-Gardening-Bereich hinzu. Diese wurden sowohl von Anwohnern als auch von Besuchern mit Begeisterung genutzt. Die Zahl der Polizeieinsätze ist nach Angaben der Berliner Polizei im Zuge der Veränderungen deutlich zurückgegangen.

Nun ist das Nachtleben seit der Wiedereröffnung nach mehreren Corona-Lockdowns wieder voll im Gange und es bleibt spannend, wie sich die Nutzung des Geländes weiterhin entwickeln wird.

Die Pläne für den Umbau laufen auf Hochtouren

Wie wir sehen können, gibt es viele Gründe, wieso das Gelände von seinen Besuchern bisher geschätzt wurde. Jetzt droht der einzigartige Charme des Geländes jedoch bald Geschichte zu sein. Demnächst soll ein Bürokomplex mit ca. 100 Metern Höhe erbaut werden. Darüber hinaus werden mehrere Gebäude abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Drei der Hallen auf dem Gelände stehen unter Denkmalschutz und sollen daher saniert werden. Die Pläne für den Umbau stammen vom Architekturbüro Holzer Kobler in Zusammenarbeit mit dem Atelier Loidl Landschaftsarchitekten. Der Bezirksstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Bündnis 90/Grüne), wies jegliche Kritik zum Projekt zurück. In einem Gespräch mit dem rbb teilte er mit, er hoffe, dass die Neubauten mit der bestehenden Nutzung zusammenpassten und der Charme des RAW-Geländes so nicht verloren gehen wird.

Florian Falkenhagen, der Betreiber des Cassiopeia-Clubs auf dem Gelände, hofft ebenfalls, eine gemeinsame Lösung finden zu können. Er ist jedoch vorerst zufrieden: „Ich glaube, wir können auf der einen Seite glücklich sein, dass wir überhaupt bestehen können. Man habe über die Jahre einen Kompromiss gefunden, so dass es für die Subkultur weitergehen könne. In Berlin sieht man es oft, dass das nicht der Fall ist.“ sagte er im Gespräch mit der rbb24 Abendschau. So geht es unter anderem dem Astra-Club, welcher für den Bau des Hochhauses weichen soll und daher abgerissen wird. Die Kunstateliers werden dank eines 30-jährigen Bestandsvertrages bestehen bleiben können.

Die Meinungen aus der Gesellschaft zu den Plänen teilen sich. Während manche den Umbau befürworten, sehen viele Besucher die geplanten Maßnahmen kritisch. Die Anwohner dürften die Maßnahmen wahrscheinlich freuen. Angesichts der positiven Auswirkungen, welche die Pandemie mit sich brachte, wird ein Neubaugebiet wahrscheinlich auch zu weniger Müll und Gewalt führen. Jedoch birgt das Projekt auch neues Konfliktpotential. Während die einen morgens im Bürokomplex ungestört arbeiten möchten, feiern die anderen direkt nebenan bis in die Morgenstunden. Lärmbelästigung wird somit voraussichtlich ein großes Thema spielen.

Statements der Besucher zum Umbau

In einem schriftlichen Statement verriet mir Mara, eine Besucherin des RAW-Geländes, sie fände es schade, dass einer der beliebtesten Kultur- und Feierorte in Friedrichshain nun, wie so viele andere Orte in Berlin, der Gentrifizierung unterliegt. Eine Koexistenz von Bürogebäuden und Clubs kann sie sich persönlich nicht vorstellen. Durch die gegensätzlichen Intentionen für die Nutzung des Geländes wären Unstimmigkeiten ihrer Meinung nach vorprogrammiert. Zudem ginge mit dem Umbau ein zentraler Bestandteil von Friedrichshain verloren, der für sie den Charme und die Attraktivität des Kiezes ausmacht.

Während meiner Recherche bin ich zum RAW-Gelände gefahren und habe die Besucher dort ebenfalls nach ihrer Meinung gefragt. Fabian, der am Samstagabend mit seinen Freunden unterwegs war, verriet mir folgendes: „Ich find’s echt schade mit dem Umbau. Wir kommen immer gerne an den Wochenenden zum Feiern her. Glaube nicht, dass es dann noch das Gleiche ist… Aber mal abwarten.“

Besucher schlendern nachts über das RAW-Gelände. | Foto: Lisa Demirel

Es bleibt spannend, wie die Pläne in der Umsetzung aussehen werden und ob sich die Besucher weiterhin über ein einzigartiges Gelände freuen können oder ob der Charme des RAW-Geländes endgültig verloren ist.


Lisa Demirel studiert Englische Philologie, sowie Publizistik- und Kommunikationswissenschaft im 4. Semester an der FU Berlin.


2022-10-21T23:24:18+02:00 Kategorien: Berlin + Brandenburg, Lesen|Tags: , , , , , , |