Über das Handwerk des Boots- oder Schiffbaus wird selten berichtet, dabei ist es ein aufregender Berufszweig, dem ein Nachschub an Arbeitskräften guttun würde. In einem Gespräch mit den drei Geschäftsführern der Marina Havelbaude GmbH, sowie einem ihrer Angestellten habe ich Eindrücke über den spannenden Berufsalltag von Bootsbauer*innen erhalten.
von Willi Beeskow
Wenn die drei Chefs, Alexander, Oliver und Andreas, über die Erfahrungen in ihrer Bootsbaulehre berichten, mag dies abschreckend wirken. Sie hatten den gleichen, scheinbar sehr strengen Lehrmeister, der ihr Bild vom Bootsbau als „hartes & ehrliches“ Handwerk geprägt hat. Von Stolz erfüllt erzählen sie, wie sie das Schlosserei- und Bootsbau-Unternehmen Marina Havelbaude, mitsamt Yachthafen auf- bzw. wiederaufgebaut haben.
Die Marina Havelbaude hat nämlich eine längere Geschichte. Bereits 1925 eröffnete der gelernte Bootsbauer Albert Beyer, gemeinsam mit seiner Frau das Wirtshaus Havelbaude und bot einen Reparaturservice für Boote an, verlieh und etablierte eine Fährüberfahrt am Havel-Kanal. Der Wiederaufbau des Hafens und der Neuerrichtung einer Schiffswerft sollte jedoch bis zur Wendezeit dauern. Doch wie wird dort heute gearbeitet? Was zeichnet den in einer über tausendjährigen Tradition stehenden Beruf aus?
Vielfalt, Aufregung und Kooperation
Der Arbeitsalltag eines/r Bootsbauer*in ist schwer zu fassen. Immer wieder betont Jeronimo, der 2022 seine Lehre abgeschlossen hat, dass gerade die Vielfalt im Beruf es schwierig macht, klar über ihn zu urteilen. In verschiedenen Unternehmen wird der Bootsbauberuf anders ausgeübt. So gibt es beispielsweise Personen und Betriebe, die sich auf den Bau von Masten für traditionelle Segelboote spezialisieren, andere bleiben nah an der Berufsbezeichnung und bauen Schiffe von Grund auf. Die Spezialisierung beginnt dabei meist schon in der Berufsschule, von der Jeronimo berichtet, dass er gar nicht alles lernen konnte, was er interessant fand.
In der Marina Havelbaude liegt der Fokus auf der Binnenschifffahrt, also steht die Reparatur von Motoryachten, deren Oberfläche und ihren Maschinen im Mittelpunkt. Als Angestellte*r wird man so mit zahlreichen Aufgaben konfrontiert. Mechatronik, Elektronik, Montage, Klempnerei, Schleifarbeiten, Lackierungen, Holz- und Metallbearbeitung vieler Art und sogar Gartenarbeiten sind gefragt. Insbesondere durch die Dualstruktur mit der Havelbaude-Schlosserei gewinnt das Berufsbild in diesem Unternehmen eine zusätzliche Vielfalt. Instandhaltung der Hafenanlage, Konstruktion von Geländern oder Ähnlichem fallen also zusätzlich an. Auch der Umgang mit Gefahren- und Giftstoffen gehört zum Alltag, weshalb oft mit Schutzkleidung und Mundschutz gearbeitet wird.
Dass nicht eine Person all das beherrschen kann, spiegelt sich auch in der Struktur der Geschäftsführung wider. Jeder Chef ist für ein Teilgebiet verantwortlich und die Arbeitnehmer müssen sich stets ergänzen. Während Jeronimo vor allem bei der Oberflächenbehandlung, sowie dem generellen Umgang mit Holz- und Metallmaterial brilliert, greifen ihm also Mitarbeitende unter die Arme, wenn es um Elektronik geht. Kein Tag gleicht einem anderen – „Es gibt immer neue Probleme, also gibt es auch immer neue Aufgaben“ meint Jeronimo.
Zweimal im Jahr kommt es zudem zum spektakulären Slippen. Die Boote, welche sich im Hafen befinden müssen an Land, bzw. ins Wasser gekrant werden. Reihenweise werden tonnenschwere Binnenyachten von einem Kran angehoben und umplatziert. „Das ist jedes Mal aufs Neue ein Spektakel“, weiß auch Chef Alexander. Dieses Event dauert jeweils zwei ganze Arbeitstage und lockt zahlreiche Zuschauer*innen an.
Viel gesucht – gering bezahlt
Jeronimo entschied sich damals für eine Bootsbaulehre, weil er die vielen Aufgaben im Beruf spannend fand und sich die globale Notwendigkeit für Gelehrte in diesem Fachgebiet zu nutzen machen wollte. Von einer harten Lehre wie beim strengen Lehrmeister Olivers, Alexanders und Andreas‘ berichtet er mir nicht. 2018 begann der Geselle mit seiner handwerklichen Ausbildung und schloss sie 2022 ab. Seine Zeit an der Landesberufsschule für Bootsbauer in Lübeck hat ihm insgesamt gefallen.
Auf die Frage, ob es einen auffällig hohen Anteil männlicher Auszubildender gegeben habe, weiß er zu berichten, dass der Anteil weiblicher Azubis im Vergleich zu anderen Handwerken überraschend hoch zu sein scheint.
Doch von der landesweit geringen Bezahlung Auszubildender bleibt leider auch der Bootsbauberuf nicht ausgenommen. Der seit 2020 gesetzlich festgelegte Azubi-Mindestlohn von knapp 600 Euro im ersten Lehrjahr ist zumeist, womit sich Auszubildende abspeisen müssen. Zudem seien die Kapazitäten der Berufsschulen teils bereits überlastet, doch Marinas suchen weltweit dringend nach neuen Arbeitskräften. Diese Dysbalance macht Jeronimo als größtes Problem des Berufs aus.
Der Bootsbauberuf kränkelt – doch er ist international gefragt und der Joballtag gestaltet sich stets verschieden. Durch zahlreiche Möglichkeiten zur Spezialisierung eröffnet sich als Bootsbauer*in ein weites Feld an Tätigkeiten. Wer also Schiffe und Wasser liebt und als Berufseinsteiger den Umgang mit Gefahrenstoffen, sowie eine nicht überdurchschnittlich gut bezahlte Ausbildung in Kauf nimmt, hat die Chance auf einen schönen Arbeitsplatz mit vielfältigem Berufsbild und einer familiären Arbeitsatmosphäre, wie in der Marina Havelbaude – oder auf den Bahamas.
Willi Beeskow studiert im 4. Semester Filmwissenschaften & Publizistik- & Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin und hat selbst als Aushilfe Erfahrungen im Bootsbau gesammelt.