Seit 18 Jahren ist Markus Nass als freiberuflicher Fotograf tätig. Mit Event-Fotografie und Schauspieler-Portraits hat er normalerweise mehr als genug zu tun. Doch die Corona-Pandemie hat vor allem für die freiberuflichen Künstler und Künstlerinnen einiges unmöglich gemacht. Über seine Erfahrungen des letzten Jahres spricht er nun im Interview.
von Sophie Bahr
Traumjob Freiberufler
Markus, wie lange arbeitest du schon in deinem Beruf und wie bist du dazu gekommen?
Seit 2003 mache ich das beruflich. Ich habe eine Ingenieurswissenschaft studiert und da musste ich in einem technischen Beruf ein Praktikum machen. Das habe ich in einem Fotolabor gemacht. Darüber habe ich einen Fotografen kennengelernt – nach wie vor ein guter Freund und mein Mentor, wenn man so will. Das war eine glückliche Fügung. Er hatte ein Riesenfotostudio in Köln und hat damals gesagt „hier ist mein Studioschlüssel, hier ist mein Kameraschrankschlüssel, lad dir Kommilitonen ein, mach und tu und probiere dich aus“. Das habe ich gemacht und habe dann irgendwann neben dem Studium erste Jobs angenommen. Das wurde immer mehr und irgendwann habe ich gemerkt, dass ich eigentlich nur noch in diese eine Richtung gehe. Ich habe dann irgendwann eine Klausur früher abgegeben, weil ich zu einem Job musste. Ich habe gedacht drei Aufgaben bräuchte ich noch, aber ich muss jetzt los, sonst schaffe ich den Job nicht und dann habe ich mich irgendwann dazu entschieden, mich auf das Freiberufler-Dasein einzulassen.
Was genau bedeutet das Freiberufler-Dasein für dein Arbeiten?
Ich werde von Agenturen gebucht, Event-Agenturen, teilweise von Firmen für Events und auf der anderen Seite werde ich entweder direkt von Schauspielern gebucht, die Fotos brauchen für ihre Akquise-Arbeit oder für Portfolios – mit diesen Fotos stellen sie sich also den Castern vor. Andererseits habe ich eine Presse-Agentur, welche darüber informiert ist, was Schauspieler XY gerade dreht. Sie fragen dann beim Management vom Schauspieler an, ob der Zeit hat für Fotos und fragt dann wiederum mich, ob ich Zeit habe, Schauspieler XY zu fotografieren. Später streuen wir das Material dann zum Filmstart auf den Markt. Oder mich kontaktieren Zeitschriften direkt, das geht auch. Dann rufen die Zeitschriften wie zum Beispiel die „Bunte“ oder so direkt an.
Abgesehen von Corona, wie sieht dein normaler Arbeitsalltag aus?
Also einen Alltag in dem Sinne gibt es nicht. Letzte Woche zum Beispiel hat mich ein Schauspieler gebucht, mit dem habe ich dann einen Termin gemacht. Ich habe ein kleines Studio, da treffe ich mich morgens mit ihm oder ihr und wir machen drei bis vier Stunden Fotos. Danach fahre ich nach Hause und kopiere die Daten auf meinen Computer. Wenn die Zeit da ist, mache ich dann direkt die Bildbearbeitung und schicke einen Link an die Schauspieler raus. Dann muss ich zwischendurch natürlich immer noch Angebote und Rechnungen schreiben, teilweise kommen Anfragen. Was relativ oft passiert ist, dass zum Beispiel Hörbuch-Verlage anrufen und ein Foto ordern wollen, da muss ich mich dann drum kümmern – also eigentlich Büroarbeit, wenn man so will. Aber ich habe keine festen Bürozeiten, das würde nicht funktionieren, weil meine Jobs so chaotisch sind. Ich schieb das immer irgendwie dazwischen.
Was gehört denn zu deinem Beruf alles dazu?
Bilder machen, Bildbearbeitung und Büroarbeit. Eigentlich gehört Akquise auch dazu, aber ich muss sagen, dass ich da sehr faul bin. Ich habe das Glück, dass ich einen tollen Kundenstamm habe, einen sehr treuen und tollen Kundenstamm und meine Akquise machen eigentlich die Schauspieler selbst. Die posten meine Fotos und schreiben meinen Namen drunter und ich bekomme dadurch ganz oft Anrufe von Schauspielern, die sagen: „Ich habe deine Fotos bei dem und dem oder der und der gesehen, was kostest du?“
Schwere Zeiten während der Corona-Pandemie?
Wie hat die Corona-Pandemie ganz allgemein dein Arbeiten beziehungsweise deinen Arbeitsalltag verändert?
Als das losging war ja eine große Verwirrung, da kam eine Absage nach der anderen und keiner wusste irgendwas. Also ich muss immer auf zwei Schienen antworten: also die Leute, die Veranstaltungen machen, haben entweder sofort die Notbremse gezogen oder haben mich angerufen und gesagt, sie wissen nicht ob sie gewisse Sachen machen können, aber vielleicht gibt es ja bald eine Lockerung. Keiner wusste irgendwas. Im Endeffekt sind fast alle Event-Jobs weggebrochen, Schauspieler-Portraits sind die ersten Monate eigentlich auch fast komplett weggebrochen. Die Leute, die keine festen Drehengagements hatten, haben da auch mehr aufs Geld geachtet – die haben natürlich andere Sorgen als sich um sowas zu kümmern – und die Leute, die in Produktionen waren, die vielleicht irgendwann wieder stattgefunden haben, hatten teilweise ganz krasse Auflagen. Die Produktionen sind so geschlossen Systeme und die Schauspieler durften dann nicht einfach zu einem Fotografen ins Studio, weil die Gefahr, dass der oder sie dann Corona anschleppt zu groß ist.
Was war für dich das Schwerste daran, unter Pandemie Bedingungen zu arbeiten und was hat dir persönlich so am meisten gefehlt?
Also ich muss dazu sagen: Ich hatte in finanzieller Hinsicht ein bisschen Glück, da ich über 20 Jahre ein Archiv an Fotos aufgebaut habe und die Zeitschriften deshalb alte Bilder gedruckt haben, weil keine neuen produziert werden konnten. Das heißt meine Agentur, meine Fotoverkäufe sind hochgegangen – das hat nicht alles ausgeglichen, aber doch vieles. Was aber gefehlt hat, war natürlich der persönliche Kontakt. Bei den Jobs, die nicht stattfinden sowieso, weil es halt einfach schön ist, mit Leuten einen Tag zu verbringen. Da kommt eine Maskenbildnerin, man trinkt Kaffee, man unterhält sich und tauscht sich aus – das bereichert einen. Andererseits gab es dann doch ein paar Events, die stattgefunden haben, da war es halt einfach komisch. Mein erstes Event war der Kindertag für Ferrero. Das ist ein Promi Event, eigentlich mit rotem Teppich und da kommen ganz viele Promis und man kennt sich auch untereinander. Normalerweise begrüßt man sich, man hält einen Plausch, aber jetzt war das alles innerhalb der Events ganz krass räumlich getrennt. Die Fotografen standen dann zum Beispiel nicht nebeneinander, sondern jeder hatte zwei Meter Platz und rechts und links eine Plexiglaswand stehen. Das war schon ein bisschen komisch alles.
„Ich habe gelernt, dass man mit weniger durchaus wunderbar durchs Leben kommen kann, vielleicht sogar ein bisschen freier.“
Gab es denn auch positive Aspekte am Arbeiten während Corona?
Ja, ich für mich habe mir dadurch einen Traum erfüllen können, das hätte ich ohne Corona nie gemacht: Ich habe ein Fernstudium angefangen. Ich bin schon immer Hobby-Musiker und schon immer Hobby-Toningenieur und jetzt habe ich mich dazu entschieden, ein Studium zum Toningenieur anzufangen. Das hätte ich ohne Corona nicht gemacht, weil man ja sonst immer so im „flow“ ist und sich die Zeit dann einfach nicht nimmt. Aber jetzt habe ich sie mir genommen, was mich persönlich sehr glücklich macht. Und langfristig gesehen, glaube ich – und das kann man jetzt nicht nur auf meine Branche beschränken – ging es in so eine ganz komische Richtung in letzter Zeit, dass alles effektiver, schneller, mehr und immer größer sein musste. Und ich glaube, ich erhoffe mir, dass jetzt so ein kleines Umdenken stattfindet. Dass die Leute merken, dass es eben nicht alles schnell, billig und immer größer sein muss, sondern dass es vielleicht auch um andere Sachen geht.
Es wurden jetzt während der Pandemie einige staatliche Hilfen für Künstler*innen angeboten. Wie hast du das wahrgenommen? Hattest du damit irgendwie Kontakt?
Ja, hatte ich. Damals – das war gerade in so einem Moment, wo wirklich jeden Tag eine Absage kam und man überhaupt gar nicht wusste, was kommt – habe ich, als diese Corona-Soforthilfe kam, diese beantragt und auch bekommen. Im Nachgang habe ich dann natürlich einen Großteil zurücküberwiesen. Vor ein paar Tagen habe ich noch mit meiner Steuerberaterin darüber gesprochen, die mir bestätigt hat, dass es finanziell gar nicht schlechter gelaufen ist während Corona, aber ich habe die Hilfen tatsächlich sehr unbürokratisch bekommen. Natürlich habe ich aber auch in dem Zusammenhang sehr negative Sachen von zum Beispiel Schauspielern gehört. Aber ich kann nur für mich persönlich sprechen, weil ich alles andere nur über Umwege erfahren habe und bei mir hat das alles gut geklappt.
Hättest du dir vielleicht noch etwas anderes an Hilfen oder Ähnlichem für freiberufliche Künstler*innen gewünscht?
Ja, aber das ist jetzt ein bisschen schwierig. Als das gerade so losging und alles so chaotisch war, da waren ja alle in derselben Situation. Man kann dann immer im Nachgang mit dem Finger zeigen und sagen, da hättet ihr auch mal ein bisschen unbürokratischer handeln können. Im ersten Moment habe ich einfach gedacht: Okay, da geht von meinem Konto jeden Monat so viel Geld ab, das ich aber momentan gar nicht verdiene.
Was mir jetzt gerade so ein blödes Gefühl gibt ist, dass in Großraumbüros die Leute glaube ich zum Großteil ohne Masken sitzen und da gefühlt alles ganz normal weiter geht. Ich hatte neulich einen Job, da musste ich vorher getestet hin – was auch normal ist. Der war draußen, es war wahnsinnig viel Platz, ich hatte keinen direkten Kontakt zu Leuten und ich musste trotzdem den ganzen Tag mit Maske rumlaufen. Und das ist so eine Ungleichheit, die einem ein blödes Gefühl gibt. Ich habe kein Problem damit, eine Maske zu tragen, aber dass es an einer Stelle so einfach funktioniert und woanders nicht, zum Beispiel bei meinem Sohn in der Schule, wo die Kinder für vier Stunden mit der Maske sitzen müssen, das ist so ein Ungleichgewicht. Woran das genau liegt, kann ich dir nicht sagen.
Gibt es Konsequenzen, die du aus dieser Zeit für dich gezogen hast oder etwas, was du dir für die Zukunft wünschst?
Also ganz allgemein, im Privaten und im Beruflichen, bewusster durchs Leben zu gehen. Ich habe in den letzten Jahren gut verdient, was aber gelichzeitig mit so einem Druck verbunden ist, weil man dann gleichzeitig immer so eine Angst hat, ob das mit der Steuer alles klappt oder da vielleicht irgendetwas schiefläuft. Das gibt einem einen ganz komischen Druck und jetzt durch die Corona-Zeit, wo wir zwar genug Geld hatten aber eben etwas weniger als sonst, habe ich für mich gelernt, dass man mit weniger durchaus wunderbar durchs Leben kommen kann, vielleicht sogar ein bisschen freier. Und ich habe mir vorgenommen, ein bisschen bewusster vielleicht auch Jobs auszuwählen. Nicht aus der Angst heraus, dass morgen das Telefon vielleicht nicht klingelt und man sich deshalb sagt, ich nehme jetzt alles an was ich kriegen kann. Ich habe jetzt zum Beispiel eine Anfrage, das ist ein Kunde, wo es um etwas Pharmazeutisches geht, wo ich mir nicht sicher bin, ob das irgendetwas Lobbyistisches ist, womit ich nichts zu tun haben will. Also insgesamt bewusster an alles herangehen und auswählen.
Sophie Bahr studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Englische Philologie im 6. Semester. Das Fotografieren fand sie schon immer faszinierend.