Familie und Arbeit vereint: Was wir vom Künstlerehepaar Pauker für die Pandemiezeit lernen können

Familie und Arbeit vereint: Was wir vom Künstlerehepaar Pauker für die Pandemiezeit lernen können

In der Pandemiezeit werden viele Menschen von ihren Arbeitgebern ins Homeoffice geschickt. Nicht wenige Familien und Paare leiden darunter und haben Probleme ihr Berufs- und Familienleben unter ein Dach zu bekommen. Bei Sveta Esser Pauker und Alex Pauker war es schon immer genau so. Das hat bis heute sehr gut funktioniert.

von Nina Osterchrist

Ich bin zu Besuch bei Sveta und Alex. Die beiden sind Maler und arbeiten in ihrem gemeinsamen Atelier in Oranienburg. Kennengelernt haben sie sich auf einer Kunstschule in Russland und schließlich sind sie zusammen zur Universität gegangen. Ich setze mich an den einladend gedeckten Holztisch und erfahre, dass sie einige Jahre später geheiratet haben und nach Israel gezogen sind. In einem Dorf im Norden hatte sich in den 70er Jahren eine Künstlerkolonie gebildet, in welcher sie sich niederließen. Svetas Augen funkeln, als sie mir von dieser Zeit erzählt. Ihr werde erst jetzt klar, dass sie zu der letzten Generation gehört hätten, die die Kultur dieser internationalen Künstlergemeinschaft kennenlernen durfte. Heute gehört En Hod zu einem gentrifizierten Stadtteil Haifas, der von zahlreichen Touristen besucht wird. Sie schwelgt in Erinnerung: „Damals war es genial. Dort sind Leute aus der ganzen Welt zusammengekommen und alle haben eine andere Sprache gesprochen. Es wurde bis in die Nächte hinein gemeinsam gearbeitet und gemeinsam getrunken.“ Das Künstlerdorf ist für sie der Beginn eines Lebens, in dem Arbeit und privates Leben symbiotisch miteinander verbunden sind.

Vom Künstlerdorf zum Homeoffice: Gemeinsam als Familie Leben und Arbeiten

Diese Lebensweise haben viele Menschen unfreiwillig kennengelernt, seit sich im April 2020 das neuartige Corona-Virus auf der Welt ausgebreitet hat. Deutschland befand sich in mehreren Lockdowns. Um die Ausbreitung und Ansteckung einzudämmen, gab es epidemiologische Empfehlungen für das Arbeiten von Zuhause und später auch eine Homeoffice-Verordnung durch die Politik. Doch das Arbeiten im Homeoffice bringt verschiedene Probleme mit sich. So empfinden besonders Familien und Partnerschaften die fehlende Trennung von Privatleben und Arbeit als belastend. Sie haben das Gefühl beiden Lebensbereichen nicht gerecht werden zu können. Das Homeoffice wird so zu einer echten Herausforderung. Kinder, die nicht mehr in Kindergärten und Ganztagsschulen betreut werden können, halten ihre Eltern von der Arbeit ab. Auch die altersgerechte Betreuung der Kinder kann nicht sichergestellt werden.

Die Kinder Ada und Leon sind als kleine Künstler im Atelier beschäftigt. Foto: Sveta Esser Pauker

Für Sveta und ihre künstlerische Arbeit habe sich durch die Geburt ihrer zwei Kinder allerdings nur wenig verändert. Die Kinder seien buchstäblich unter ihren Staffeleien groß geworden. Als sie Ada, ihr erstes Kind, bekommen habe, sei sie in den darauffolgenden Monaten immer aufgewacht und habe zunächst die Staffeleien und gleich darunter Ada schlafend in ihrem Bettchen liegen gesehen. Mittlerweile sind ihre Kinder erwachsen und studieren, doch wenn man sich in den lichtdurchfluteten Räumlichkeiten des Ateliers umsieht, kann man sich gut vorstellen, wie sie früher im Atelier herumgeturnt sind. Überall stehen Staffeleien und daneben sind unzählige bunte Farben, Pinsel, Paletten und Werkzeuge zu finden. Sogar eine bunt gefleckte Katze hat sich zwischen den Materialrollen versteckt. Es muss damals ein Paradies für die kleinen spielenden Entdecker gewesen sein. Ihre Integration in das Arbeitsleben der Eltern war gelungen.

Freiraum, Anpassung und Nachtarbeit

Manchmal hätten sich die Kinder im Atelier mit Acrylfarbe bemalt und es sei ein großes Durcheinander gewesen. „Es gab skurrile Momente, aber du kommst damit zu recht, denn du hast gar keine andere Wahl.“ Sie lacht und erinnert sich an einen Tag, an dem ihr Sohn mit seinen kleinen Händen über die frische und bunte Farbe eines soeben fertiggestellten Bildes gewischt hat: „Es war ein wichtiger Auftrag und in diesem Moment musste ich mich fragen: Soll ich jetzt Leon und die ganzen weißen Möbel im Salon retten, oder soll ich das Bild reparieren, solange es noch möglich ist?“ Sveta lächelt und streicht sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht: „Aber die Kinder waren auch lieb und haben uns Freiraum gegeben. Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass wir viel nachts gearbeitet haben. Aber es hat alles gepasst. Sie passen sich an dich an und du passt dich an sie an. Dann haben wir eben manchmal alle zusammen einen Mittagsschlaf gemacht.“

Besuch – ein privater Moment im Arbeitsumfeld. Der gedeckte Tisch im Atelier von Sveta Esser Pauker und Alex Pauker (beide rechts). Foto: Sveta Esser Pauker

Natürlich weiß die Künstlerin, dass sich viele Familien zurzeit in einer etwas anderen Lage befinden. Denn die meisten Kinder sind nicht wie hier im Atelier langsam in das Arbeitsleben ihrer Eltern hineingewachsen. „Ein solche Prozess braucht seine Zeit. Man muss lernen sich anzupassen,“ sagt sie. Eine gute Lösung sei es aber, sich immer gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. Man könne sich mit anderen Eltern die Betreuung der kleinen Kinder teilen und dadurch Zeit gewinnen. „Wir haben manchmal auf andere Kinder mit aufgepasst und andersherum waren unsere Kinder manchmal bei Freunden untergebracht. Das war eine große Entlastung,“ erzählt Sveta und erinnert sich, dass sie dadurch auch viele Freundschaften geschlossen haben.

„Kunst kann man nicht nur ein bisschen machen“

Nicht nur die Erziehung der Kinder ist bei Sveta und Alex etwas ungewöhnlicher als in anderen deutschen Familien. Auch ihre Einstellung zu ihrem Beruf ist eine andere: „Wir können stundenlang zusammen im Atelier verbringen, jeder ganz in seine Arbeit an den Kunstwerken vertieft. Kunst kann man nicht nur ein bisschen machen. Unsere Arbeit und unsere Freizeit gehören einfach zusammen. Von der Staffelei wird es für uns wohl auf den Friedhof gehen, denn wir werden wohl niemals damit aufhören können. Dieser Job gehört zu uns.“

Trotzdem möchte ich ganz genau wissen, ob sie Tipps haben für alle, die ins Homeoffice geschickt werden – ob es etwas gibt, was sie denjenigen raten können, die jetzt auch von Zuhause arbeiten müssen und es nicht gewohnt sind. Also hake ich noch einmal nach und höre gespannt dabei zu, als sie mir von ihren Erfahrungen erzählen. Man müsse sich gegenseitig respektieren und versuchen mehr zu geben, als man erwartet zurückzubekommen. Man brauche viel Toleranz im täglichen Umgang mit der Bewältigung von privaten und beruflichen Herausforderungen. Für mich klingt das nach einem Erfolgsrezept für ein glückliches Miteinander. Sveta beschreibt es so: „Unsere Ehe funktioniert schon seit 25 Jahren, weil wir uns beide nicht nur lieben, sondern weil wir uns gleichzeitig auch respektieren.“ Was in der Familie außerdem immer geholfen habe war drei Mal tief durchzuatmen, bevor man sich im Streit antworte.

Glücklich und auch ein bisschen stolz lächelt Sveta mich an: „Den eigenen Beruf und die Familie unter ein Dach bekommen, das ist schwer, aber das ist möglich!“

 


Nina Osterchrist studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Kunstgeschichte an der FU Berlin. Multitasking ist eine ihrer großen Stärken, doch auch ihr wird der Stress und das Durcheinander von Privatleben und Universitätsarbeit in den eigenen vier Wänden manchmal zu viel.