Arbeitgeber von Minijobs für Schülerinnen und Schüler: Union Berlin – Vorbildfunktion auch abseits des Fußballfelds?

Das Stadion „An der Alten Försterei“ in Berlin-Köpenick. Hier absolviert der 1. FC Union Berlin vor 22.000 Fans seine Heimspiele. Foto: Joel Pfeifle

Arbeitgeber von Minijobs für Schülerinnen und Schüler: Union Berlin – Vorbildfunktion auch abseits des Fußballfelds?

Sympathisch, passioniert und überraschend erfolgreich – so kennt man den Traditionsklub aus dem Südosten Berlins seit drei Jahren in der Bundesliga. Ohne die vielen engagierten Minijobber wäre der Stadionbetrieb allerdings gar nicht möglich.

von Joel Pfeifle

Die Fans des 1. FC Union Berlins sind sich einig – die Saison 2021/22 darf als historisch gelten. Mit dem packenden Endspurt am letzten Spieltag der Saison und dem 3:2 Sieg gegen den VfL Bochum erkämpften sich die Köpenicker zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den Einzug in die Europa League. Drei Jahre ist es her, seit der Klub mit den rund 42.000 Mitgliedern in die Bundesliga aufstieg. Wer hätte damals gedacht, dass das Sommermärchen so lange anhalten, geschweige denn sich sogar noch steigern würde?

Doch es sind nicht nur die Mannschaft und die vielen tausend Fans, die diesen Verein zu dem machen, was er ist. Hinter den Kulissen wird einiges dafür getan, dass die Heimspiele in der Alten Försterei in gewohnter Weise ausgetragen werden können. Einen wichtigen Beitrag leisten dabei nicht zuletzt die rund 1000 Minijobber, die sich in und vor dem Stadion engagieren. Ob nun im Public Catering, als Ordner oder als Hostess im VIP-Bereich – ohne sie wäre ein Fußballspiel kaum denkbar.

Ein Teil dieser Minijobs wird von Schülerinnen und Schülern ausgeübt. Gerade für junge Menschen möchte der 1. FC Union Berlin natürlich ein Vorbild sein. Doch gelingt ihm das auch abseits des Fußballfelds? Sechs Schülerinnen berichten von ihren Erfahrungen als Minijobberin in der Alten Försterei.

Vom Getränkestand bis zum VIP-Bereich

Fine (17) und Maggie (18) sind gute Freundinnen, die jeweils im August und Dezember 2021 bei Union Berlin angefangen haben. Beide sind als Anreicherinnen am Grill tätig. Aufgabe der Anreicher ist es, den Kunden die fertigen Bratwürste oder die eingeschenkten Getränke zu überreichen. Bei über zwanzigtausend Stadionbesuchern pro Spiel kann das schon mal stressig werden.

Lotti (18) jobbt ebenfalls seit August 2021 bei Union Berlin. Sie wird an vielen verschiedenen Orten im Stadion eingesetzt, etwa in den Getränkecontainern oder in der Nähe des Grills. Ihre Aufgaben sind vielfältig und variieren von Spiel zu Spiel. Ob nun als Anreicherin, Kassiererin oder Zapferin, langweilig wird ihr während ihrer Schicht nie. „Es ist aber definitiv machbar“, meint Lotti. Die entspannteren Phasen finden während des Spiels statt, weil sich dort nur die wenigsten Fans noch etwas zu essen holen.

Die körperlich anstrengendste Tätigkeit ist wohl das Grillen, wie Tita (17) aus Erfahrung weiß. Sie hat über ihre Freundin Lotti zu Union Berlin gefunden und arbeitet dort nun seit diesem Sommer als Grillerin. Die Hitze sei der größte Feind, so Tita. Gerade beim Grillen machen sich die sommerlichen Temperaturen natürlich bemerkbar.

Etwas kühler haben es da Paula (18) und Leonie (18), die im sogenannten „Haus“ stationiert sind. Gemeint ist damit die Haupttribüne mit ihren VIP-Logen. Hier trifft man die inoffizielle Königsdisziplin unter den Minijobs an – die Hostessen. Sie sind im VIP-Bereich für die Bedienung der Gäste zuständig. Gekleidet sind sie in eigens dafür kreierte Kostüme im Union-Look, ein gepflegtes Aussehen und ein gewisses Talent im Bedienen werden vorausgesetzt. Paula wurde im August 2021 eingestellt, Leonie zwei Monate darauf.

Das Wappen des 1. FC Union Berlin. Gegründet wurde der Fußballverein am 20. Januar 1966, führt sich jedoch auf einen Vorgängerklub aus dem Jahr 1906 zurück. | Foto: Union Berlin 

Arbeiten am Spielfeldrand

Eines steht fest – bei Union zu jobben ist etwas anderes als bei einem Discounter an der Kasse. Obgleich Letzteres sicherlich auch seinen Reiz hat, ist die Atmosphäre an der Alten Försterei etwas Besonderes. „Es macht Spaß, da zu sein, wenn man Fußball mag, wenn man die Mannschaft mag“, meint Maggie. „Ich verbinde mit Union eigentlich nur Positives.“ Lotti sieht das genauso. „Das Feeling, im Stadion zu sein, mit all den Fans, das ist schon ziemlich cool.“

Natürlich bedeutet das nicht, dass es nicht auch anstrengende Tage gibt. Einfach ist der Job nämlich nicht. Selbst als Anreicher kann so mancher schnell an seine Belastungsgrenzen stoßen. Das Fußballspiel mag nur neunzig Minuten lang dauern, die Schichten der Minijobber dagegen erstrecken sich über acht Stunden. Der größte Andrang ist vor dem Anpfiff. Bei der Masse an hungrigen und durstigen Fans ist ein gewisses Stresspotential vorprogrammiert, gerade an den Ständen. Hinzu kommt das Wetter. „An meinem ersten Arbeitstag war es sehr warm“, erinnert sich Fine. „Mein Kreislauf hat etwas verrückt gespielt. Mir wurde aber von allen Kollegen sofort geholfen.“ Je nach Jahreszeit kann auch das Gegenteil der Fall sein, wie Leonie berichtet: „Im Winter war es schon ziemlich kalt. Ich stand in der Tür, da zieht es schon extrem. Im Sommer ist das natürlich kein Problem.“ Das bringt der Job im Freien leider mit sich.

Lotti (18) bei der Arbeit. An den Ständen ist besonders vor dem Anpfiff meistens viel Betrieb. | Foto: Joel Pfeifle

Einen Pluspunkt, den die meisten der sechs Schülerinnen sehen, sind die flexiblen Arbeitszeiten und das hohe Maß an Zugänglichkeit, das die Verantwortlichen den Minijobbern entgegenbringen. Gemeint sind damit vor allem Julia Göppert und Lena Wulf, die beiden Personaldisponentinnen von Union Berlin. Sie sind für die Einstellung und Betreuung der Angestellten zuständig. „Lena ist einfach eine sehr, sehr nette Person“, berichtet Maggie. „Sie hat Lust, mit anderen zu arbeiten.“

Die Koordination zu den einzelnen Spielen findet über eine App namens Ubeya statt. Wer da sein kann, trägt sich als verfügbar ein. „Man muss pro Woche keine konkrete Stundenzahl abarbeiten“, erklärt Leonie. „Du kannst individuell gucken, wann du Zeit hast.“ Zusätzlich darf man Wünsche äußern, mit wem man zusammen für eine Schicht eingeteilt werden möchte. Sofern möglich, wird das dann auch berücksichtigt. Gerade für Neueinsteiger ist das sehr hilfreich, findet Maggie, die selbst davon profitiert hat.

Die Bedienung der VIP-Gäste stellt die Hostessen noch einmal vor ganz andere Herausforderungen. Kellnern darf, wer über 18 ist, der Rest ist für den Empfang eingeteilt. Während Leonie überwiegend positive Erfahrungen gemacht hat, kann Paula das nicht unbedingt von sich behaupten. Kritikwürdig findet sie unter anderem das Kostüm, das die Hostessen tragen müssen – einen engen Bleistiftrock in Knallrot und einen Blazer mit Union-Logo. „Die Sachen waren mega kratzig“, erinnert sich Paula. Auch die Arbeitszeiten seien hart gewesen. „Du musstest acht Stunden arbeiten und du hattest keine Pause. Du musstest eigentlich komplett stehen.“ Dem schließt sich Leonie an. Man könne in der Regel zwar zwischendurch kurz in den Backup-Bereich gehen und etwas trinken und essen, doch bei zu viel Andrang sei das nicht möglich. „Acht Stunden ohne Essen war schon heavy“, meint Leonie.

Der VIP-Bereich gliedert sich in die Schlosserei, die Eisern Lounge und die VIP-Logen. Als Neuling kann man da schon mal die Übersicht verlieren. Leonie erinnert sich jedoch an eine nette Mitarbeiterin, die ihr an ihrem ersten Arbeitstag geholfen hat. „Die hat mir das alles so lieb erklärt.“ Auch Paula hat noch etwas Positives zu berichten. So träfe man gerade im VIP-Bereich natürlich ziemlich viele Promis. Das Trinkgeld sei ebenfalls gut.

Das Schönste jedoch, findet ein Großteil der Schülerinnen, sei die Gemeinschaft und der Zusammenhalt im Team. Tita spricht von einem „familiären Verhältnis“. Die anderen teilen ihre Einschätzung. Fine empfindet das Arbeitsverhältnis als sehr angenehm und hebt vor allem den guten Kontakt zu den Vorgesetzten hervor. Genauso wichtig sei jedoch die Solidarität in den einzelnen Schichtgruppen. Wenn eine Schülerin etwa Anmache durch einen betrunkenen Fan erfahre, sei die Gruppe sofort zur Stelle. „Dann stehen alle hinter einem“, berichtet Lotti aus Erfahrung.

Einstellungskriterien, Gehalt und Verantwortung

Katharina Kienemann, seit Juli 2016 Prokuristin der „An der Alten Försterei“ Stadionbetriebs AG und der Alte Försterei Veranstaltungs GmbH & Co. KG, gibt einen Einblick hinter die Kulissen. Sie begleitet den Verein schon seit 13 Jahren, in denen sie den Stadionbetrieb mit Minijobbern zu dem gemacht hat, was er heute ist. Union Berlin verfügt derzeit über insgesamt 220 Festangestellte und 1000 Minijobber, von denen ein Teil von externen Firmen hinzugebucht wird. Pro Spiel sind über 600 Minijobber im Einsatz – 200 im Public Catering (Griller, Zapfer, Kassierer, Anreicher), 350 im Sicherheitsdienst (Ordner) und 110 im VIP-Bereich (Barmänner und Hostessen). Die Fluktuation sei laut Kienemann gering. „Wir haben einen harten Kern im Public Catering, von denen manche sogar länger hier sind als ich.“

Das Grundkriterium für eine Anstellung im Minijobbereich ist ein Mindestalter von 16 Jahren, idealerweise 17. Früher habe Union aufgrund der strengen Arbeitsschutzregelungen sogar ganz auf Minderjährige verzichtet, so die Prokuristin. Doch mittlerweile wolle man auch gerade jungen Menschen eine Chance geben, sich in der Alten Försterei im Minijobbereich zu betätigen. Der Anteil an Schülerinnen und Schülern wachse, sei allerdings im Vergleich zu anderen Altersgruppen einer höheren Fluktuation ausgesetzt, die zum Beispiel durch Wegzug nach dem Schulabschluss verursacht wird.

Ein solches Formular gilt es auszufüllen, wenn man bei Union Berlin als Minijobber tätig werden möchte. | Foto: Union Bilder

Alle, die dieses Grundkriterium erfüllen, werden zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Entscheidend für die tatsächliche Anstellung sei dann der persönliche Eindruck der Personaldisponentinnen. „Du musst ein gewisses Selbstvertrauen haben“, erklärt Kienemann. Wer zu schüchtern sei, werde mit dem turbulenten und manchmal rauen Stadionalltag wohl nicht klarkommen.

Bezüglich der Frage, wie begehrt die Minijob-Plätze bei Union Berlin sind, antwortet Kienemann: „Wir können uns nicht beschweren.“ Obwohl der Verein kaum Werbung mache, würden sie gut 30 Bewerbungen pro Monat erhalten. Schwieriger sei es, Kandidaten für den VIP-Bereich zu finden. Die Anforderungen seien dort schlicht höher.
Auch das Gehalt der Minijobber legt die Prokuristin offen. Minderjährige erhalten einen Einstiegslohn von 10€, Volljährige 11,50€. Wenn man sich durch besondere Leistungen hervortut, etwa durch Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, gibt es eine Lohnerhöhung. Am meisten verdienen die Griller. Für die körperlich anstrengendste Tätigkeit wird man mit 14€ entlohnt.

Auf die Frage, ob Union sich in einer besonderen Verantwortung für seine jungen Beschäftigten sehe, antwortet Kienemann ohne Zögern: „Total.“ Gerade als Mutter von drei Kindern läge ihr das Wohl der jungen Minijobber sehr am Herzen. „Wir wollen, dass sie sich sicher bei uns fühlen.“ Aus diesem Grund ist es den Beschäftigten möglich, nach jeder Schicht Feedback zu geben, entweder per Mail oder über die Ubeya-App. „Da fordern wir aktiv dazu auf“, meint die Prokuristin. Auch für eine umfangreiche Betreuung am Arbeitsplatz ist gesorgt. Das Stadion selbst ist in Abschnitte unterteilt, die jeweils einem Teamleiter unterstehen. Der VIP-Bereich verfügt über ein ähnliches System. Über diesen Teamleitern stehen die Abteilungsleiter und die beiden Personaldisponentinnen. Zusammen ergibt das ein solides Gefüge, an dem man sich orientieren kann. Ansprechpartner gäbe es eigentlich immer.

Abschließend dazu befragt, was die Minijobs bei Union Berlin für junge Menschen attraktiv mache, hat Kienemann eine klare Antwort: „Das ist schlicht und einfach Union.“ Der Großteil der Minijobber sei zugleich passionierte Union-Fans. „Ich finde das total schön. Wir wollen junge Menschen an uns binden.“ Schließlich bietet so ein Minijob auch eine Einstiegschance in den Verein. Minijobber seien potentielle Festangestellte, so Kienemann. Sie berichtet von einem Kollegen, der als Aushilfe bei Union Berlin angefangen habe. Nach einem Wechsel in den Public Catering Bereich und einer Beförderung zum Teamleiter sei er dort nun der Abteilungsleiter. „Wir wollen gut eingearbeitete Kräfte“, schließt die Prokuristin.

Mehr als ein Fußballverein

Für viele seiner jungen Beschäftigten ist Union Berlin der erste Arbeitsgeber. Das geht Hand in Hand mit einer gewissen Erwartungshaltung. Als Fußballverein möchte der 1. FC Union natürlich ein Vorbild sein. Der Kampfgeist der Spieler auf dem Platz beweist das. Doch wie sieht es abseits des Fußballfelds aus? Kann der Verein seinen jungen Angestellten zu positiven ersten Berufswelterfahrungen verhelfen?

Die befragten Schülerinnen haben ihre Eindrücke mitgeteilt. „Ich bin eigentlich immer froh, wenn ich zu Union zur Arbeit gehe“, findet Lotti. „Man trifft auf coole Leute und es ist nicht so langweilig und eintönig wie andere Sachen.“ Obwohl die Arbeit nicht immer einfach sei, wird man durch die Stadionatmosphäre entlohnt. „Jede Arbeit ist anstrengend“, bringt Maggie es auf den Punkt. Das Besondere bei diesem Minijob sei die Teamgemeinschaft. „Es wird aufgepasst, dass es uns da gutgeht“, sagt Lotti. Das schafft ein Gefühl der Sicherheit, das gerade für junge Menschen wichtig ist. Die Gruppe steht zusammen. „Man wird Teil der Union-Familie“, fasst Lotti zusammen.

Mittlerweile ist Sommerpause in der Bundesliga. Maggie und Paula haben beim Verein inzwischen gekündigt. Die anderen vier Schülerinnen jobben immer noch bei Union Berlin. Mit dem Erhalt des Abiturs werden die Karten zwar neu gemischt, doch Lotti gibt sich zuversichtlich: „Ich denke schon, dass ich auch weiterhin bei Union arbeiten werde.“

Ob sie anderen empfehlen würden, bei Union zu jobben? „Absolut“, antwortet Tita. Fine ergänzt: „Wenn man einen Job sucht, der nicht so zeitaufwändig ist, ist das Arbeiten dort perfekt.“ Schließlich könne man sich aussuchen, zu welchen Spielen man kommen will und zu welchen nicht.

Wenn im August die Europa League Saison beginnt, wird der 1. FC Union Berlin sicher auf so manchen hochkarätigen Gegner treffen. Da die Heimspiele nicht in der Alten Försterei, sondern im Berliner Olympiastadion ausgetragen werden, können die Schülerinnen ihren Verein zur Abwechslung als ganz normale Stadionbesucher anfeuern.


Joel Pfeifle studiert Geschichte und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin. In seiner Freizeit betätigt er sich als freier Journalist. Das Stadion „An der Alten Försterei“ befindet sich einen knappen Steinwurf von seiner Haustür entfernt.