Zwischen Kreativität und Wirtschaft

Zwischen Kreativität und Wirtschaft

Die Kulturindustrie – das Feld der unbegrenzten Möglichkeiten. Tätigkeiten im Bereich Kunst, Kommunikation und Kultur sind beliebt, sie gelten als vielfältig und abwechslungsreich. Mittlerweile sind sie aber auch ein Paradebeispiel für unsichere Berufszweige geworden, geprägt von befristeten Anstellungen, Konkurrenz und Geldmangel. Philipp hat es geschafft, in der Branche Fuß zu fassen: Der gebürtige Aachener kam durch einige Umwege zu seinem heutigen Job und vereint nun mit seiner selbstständigen Tätigkeit Kulturpolitik und Ausstellungskoordination. Der 37jährige lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Berlin Kreuzberg.

Von Laura Oestermann

Philipp, was für eine Ausbildung hast du gemacht?

Ich habe Rechts- und Kunstwissenschaften studiert.

Wusstest du denn schon immer, dass du beruflich in den Kunst- bzw. Kulturbereich gehen willst?

Nein, das war ein Prozess im Laufe des Studiums. Und es war tatsächlich auch viel Zufall dabei.

Wie verlief dein Berufseinstieg? Gab es Schwierigkeiten, Praktika bzw. Jobs zu finden?

Mein Studium fand in vielen verschiedenen Städten statt: Münster, Bremen, Rom und Berlin. Schon vor und während des Studiums habe ich diverse Praktika im politischen Bereich gemacht, z.B. im Landtag und im Bundestag. Aber auch in Kunstvereinen und der Universität Hanoi. Nach meinem Abschluss habe ich angefangen, Teilzeit für eine deutsch-israelische NGO zu arbeiten. Und gleichzeitig begann ich die freiberufliche Tätigkeit für einen wirtschaftspolitischen Verband in Berlin, „Berliner Wirtschaftsgespräche e.V.“. Die befassen sich mit aktuellen politischen Fragestellungen und politischen Entwicklungen. Das Thema Start-Up ist unter anderem Thema, mit dem ich mich dort in der nahen Vergangenheit befasst habe, z.B. wie man Start- Up – Unternehmen an Berlin binden kann. Viele junge Firmen zieht es nämlich nach zwei Jahren eher nach Süddeutschland, in die großen Städte. Seit einigen Jahren bin ich nun ausschließlich als Freiberufler tätig, in der Projektleitung für kulturelle Einrichtungen und Personen.

Was genau sind deine Aufgaben bei den „Berliner Wirtschaftsgesprächen“?

Zum einen die Konzeption, Weiterentwicklung und Durchführung von Veranstaltungsreihen. Aber ich bin auch für die Evaluation, Betreuung und Akquise von Mitgliedern und Kooperationspartnern mit verantwortlich.

Im Laufe der Zeit hat sich Philipp zwei Standbeine aufgebaut, die auch thematisch für viel Abwechslung in seinem Berufsleben sorgen. Zum einen übernimmt er kulturpolitische Arbeit durch seine Tätigkeit bei den „Berliner Wirtschaftsgesprächen e.V.“. Für mehr Informationen siehe www.bwg-ev.net/plattformbw Zum anderen ist er für die Ausstellungskoordinierung der israelischen Videokünstlerin Yael Bartana zuständig. Die 44 jährige ist bekannt für ihre multimedialen Projekte wie Video- und Soundinstallationen, Fotostrecken etc. und beschäftigt sich unter anderem mit der Darstellung des israelischen Alltags, der von Kriegsgefahr und Militärpräsenz durchzogen ist. Ihren internationalen Durchbruch erlangte sie 2011 mit ihrer filmischen Trilogie „And Europe Will Be Stunned“, mit der sie als erste Nicht-Polin bei der Biennale in Venedig für das Land Polen antrat. Mehr zu Bartana’s Arbeit unter yaelbartana.com.

Wie hast du Yael Bartana kennengelernt?

Durch und auf Empfehlung von Dritten. Ich hatte schon Kontakte in diese Richtung durch meine Arbeit bei der deutsch – israelischen NGO. Mittlerweile koordiniere ich ihre Ausstellungen, bin in Kontakt mit Sammlern etc.

Und an welchen Projekten arbeitest du aktuell?

Aktuell arbeite ich an Ausstellungen in Leeds, Kanada und Oslo. Außerdem wirke ich an der Konzeption und Weiterentwicklung von internationalen Gesprächsreihen zu kultur- und wirtschaftspolitischen Fragestellungen mit.

Mal so aus Neugier: Wie erklärst du eigentlich deinen Kindern deinen, ja doch sehr vielschichtigen, Beruf?

Ich sage ihnen, dass ich mit Künstlern und Kulturschaffenden zusammenarbeite. Allerdings denken sie immer noch, ich selbst sei Künstler.

Gab es bisher auch große Herausforderungen in deinem beruflichen Werdegang? Und an welche Erfolgsmomente erinnerst du dich besonders gern?

An ein Konzert mit Guy Braunstein und Freunden im Konzerthaus Berlin. Aber auch die Ausstellungsbeteiligung im Gropius Bau und im Tel Aviv Museum of Art waren ein Highlight.

Um nochmal auf dich als Freiberufler zurückzukommen: Was sind für dich die Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit?

Der zentrale Vorteil für mich ist meine Flexibilität im Zeitmanagement. Damit ist eine sehr gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich. Es macht auch viel Spaß, mit unterschiedlichen Leuten zusammen zu arbeiten. Aber Selbstständigkeit hat natürlich auch Nachteile, finanziellen Einbußen während Krankheit und Urlaub und eine private Altersvorsorge z.B. Es kann auch teilweise anstrengend sein, sich immer wieder auf eine andere Sprache einstellen zu müssen, mit Yael Bartana rede ich z.B. nur Englisch und bei den „Berliner Wirtschaftsgesprächen“ vor allem Deutsch. Und man hat nicht unbedingt ein Gefühl der Identifikation mit seinem Arbeitgeber, wenn man als Freiberufler mehrere Standbeine hat. Genauso wenig gibt es vorgegebene Karriereschritte. Daher kann ich mir die freiberufliche Tätigkeit nicht für den Rest meines Lebens vorstellen.

Bist du trotzdem zufrieden mit deiner aktuellen beruflichen Situation? Und hast du Ziele, Wünsche oder Hoffnungen für deine Zukunft?

Aktuell bin ich zufrieden, ja. Allerdings würde ich gerne in der näheren Zukunft in ein festes Angestelltenverhältnis wechseln. Und meine internationale Tätigkeit weiter ausdehnen.

Gibt es zum Schluss noch etwas, dass du Berufseinsteigern raten würdest, die ebenfalls den Weg in die Kulturindustrie einschlagen wollen?

Ich finde immer noch, dass es ein sehr spannendes und interessantes Arbeitsumfeld ist. Man sollte allerdings wissen, dass die finanziellen Mittel sehr limitiert sind. Es ist ein sehr dichter Markt in Berlin mit großer Konkurrenz. Von daher sollte man bereits während des Studiums versuchen, zu möglichst namenhaften Instituten, Unternehmen oder Agenturen Kontakt aufzunehmen und ein Netzwerk aufzubauen, auf welches man beim Berufseinstieg zurückgreifen kann.


Large Blog ImageLaura Oestermann studiert Deutsche Philologie und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin. Nach diesem Interview hätte sie am liebsten direkt Philipps Job übernommen.