Atemlos in Berlin

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Atemlos in Berlin

Einmal tief Luft holen und dann sind sie weg. Lautlos durch die Tiefe gleiten. Apnoetauchen scheint immer mehr Menschen zu faszinieren

Von Diana Maronde

Im Sommer ist es sehr ruhig in den Hallenbädern der Stadt. Nur vereinzelte Schwimmer ziehen lautlos ihre Bahnen. Am Rand des Beckens sitzt ein Mensch und starrt auf das Wasser. Hin und wieder wirft einer der wenigen Badenden einen Blick zu ihm herüber, doch der Erstarrte bewegt sich nicht vom Fleck. Nur wenn einer der Schwimmer nahe an ihn herankommt sieht er, wie sich der Brustkorb langsam hebt und senkt.

Mit einem Mal löst sich der Schatten vom Beckenrand, gleitet in das Wasser und verschwindet. Unter der Wasseroberfläche sieht man eine schemenhafte Gestalt durch das Wasser ziehen. Jetzt ist der Schatten an der anderen Seite angekommen. Einige schauen und erwarten, dass er auftaucht, doch dies geschieht nicht. Nach kurzem Verharren gleitet er wieder zurück auf dem Weg, auf dem er gekommen war.

Er hätte doch schon längst auftauchen müssen.

Der Mensch heißt Ralf und er übt das Tauchen ohne jegliche Geräte. Das Apnoetauchen ist die älteste Form des Tauchens und verlangt viel Verstand und Wissen über den eigenen Körper. Ein ungeübter Mensch verspürt schon nach ca. 30 Sekunden den Drang wieder an die Wasseroberfläche zu kommen um nach Luft zu schnappen.

Ralf taucht auf, zieht die Brille vom Gesicht und lehnt sich an den Beckenrand. Bald kommen die anderen Taucher, mit denen er bis zu drei Mal die Woche in der Halle das freie Bewegen unter Wasser übt. Während draußen an den Badeseen das sommerliche Badechaos herrscht, ziehen die Apnoetaucher das Üben unter kontrollieren Bedingungen vor.

Alle Lebewesen, die über Lungen atmen, verfügen über den Tauchreflex. Dieser Reflex wird durch die Stimulation des Parasympathikus ausgelöst. Die Atmung wird zum Stillstand gebracht, der Herzschlag verlangsamt sich und der Blutkreislauf fokussiert sich auf das Innere des Körpers und die zentralen Organe. Die Apnoetaucher versuchen diese Körperreaktion zu trainieren um den Sauerstoffverbrauch zu reduzieren und längere Zeit unter Wasser bleiben zu können.

Ralf hat schon an verschiedenen Orten der Welt Urlaubern die Unterwasserwelt näher gebracht. Auf das Apnoetauchen ist er per Zufall gekommen. „Nachdem der Film „Findet Nemo“ in die Kinos kam, wollten alle diesen Nemo sehen. Am Great Barrier Rief war ich mit einer Gruppe Japaner unterwegs. Sie schnorchelten an der Oberfläche. Ich tauchte hinab, um ihnen die Fische zu zeigen. Wenn ich dann unten angekommen war, auf den Fisch zeigte und auf ein Zeichen wartete, dass sie ihn gesehen hatten, ging mir oft die Luft aus. Wenn ich dann nach oben tauchte und fragte, ob sie ihn gesehen hatten, verneinten sie häufig und ich musste wieder runter.“

Viele Unterwassertiere empfinden die aufsteigenden Blasen der Tauchgeräte als störend. Deswegen ist es ratsam, sich ihnen lautlos zu nähern und auf Geräte zu verzichten. Doch wenn nach 30 Sekunden die Luft weg bleibt ist das extrem anstrengend.

Apnoe

20 Sekunden… 30 Sekunden… 31…. 45… 60… der Sauerstoff wird knapp. (Foto: Diana Maronde)

Der Kapitän des Tauchbootes schien weniger Probleme damit zu haben längere Zeit unter Wasser zu bleiben. Das faszinierte Ralf und in Gesprächen kam man auf die Disziplin des Apnoetauchens. Es ist erlernbar, längere Zeit unter Wasser bleiben zu können. Als Ralf wieder in Berlin war schloss er sich einer Gruppe von anderen Begeisterten an.

Die Gruppe ist eingetroffen. Sie tragen Neoprenanzüge, Tauchbrillen und Flossen. Einer hat große Reifen dabei. Nachdem sich alle im Wasser aufgewärmt haben und einige Bahnen geschwommen und getaucht sind, werden die Reifen ins Wasser gelassen. Eine der Übungen beginnt. Vier Reifen sollen durchtaucht werden.

Der Kontakt mit dem Wasser ohne störende Geräte ist es, was Ralf fasziniert. „Wenn man mit diesen ganzen Geräten taucht ist man doch ziemlich abgeschlossen von den unmittelbaren Sinneseindrücken. Man fühlt sich wie Darth Vader unter Wasser und ich möchte nicht Darth Vader sein.“

Fließende, gleitende Bewegungen und das lautlose Spiel unter Wasser erzeugen den Reiz, der viele Menschen erreicht. Altersgrenzen scheint es kaum zu geben und auch das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ist ausgewogen.

Ralf setzt sich wieder seine Tauchbrille auf, holt tief Luft und verschwindet unter der Wasseroberfläche.

Titelbild: Diana Maronde


(Foto Diana Maronde)Diana Maronde studiert Germanistik, Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Freien Universität Berlin.

2017-07-06T12:18:13+02:00 Kategorien: Kunst + Können, Lesen|Tags: , , , , , |