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[Frauchens Liebling im CT]


Tierischer Patient vor der Aufnahme im Tomographen.


FU-Studenten wie Mitarbeiter kennen sie: die verschlungenen Wege, die kleinen Parks, die grünen Oasen Zehlendorfs. Städtischer Trubel wird hier von Vogelgezwitscher übertönt. Besonders beneidet werden die Veterinärmediziner. Sie sitzen im alten Rittergut Düppel, einem besonders grünen Campus. Während einige Gebäude äußerlich den Charme des 19. Jahrhunderts versprühen, sind sie von innovativem Geist erfüllt.

Im Februar wurde in der Klinik und Poliklinik für kleine Haustiere ein neuer Computertomograph (CT) in Betrieb genommen. Er ist in dieser Ausführung einzigartig für Tiere, denn eigentlich wurde der Apparat für den Menschen entwickelt. Zur feierlichen Einweihung waren neben dem Dekan Leo Brunnberg auch FU-Präsident Dieter Lenzen und der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Hans-Olaf Henkel, zugegen. „Der neue CT ist ein beeindruckendes Beispiel für die Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft an der Freien Universität“, kommentierte Dieter Lenzen die Neuerwerbung. Die FU kooperiert dabei mit dem Institut für Zoo- und Wildtierforschung, das zur Leibniz-Gemeinschaft gehört und am Tierpark Friedrichsfelde beheimatet ist.


Das Gerät ist auch für Wildtiere geeignet.

Die ersten Bilder beeindrucken: Guido Fritsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zoo- und Wildtierforschung, präsentierte eine Schlange, die kurz vor der Aufnahme eine Ratte verspeist hatte. Durch die hoch auflösende Technik erkennt man deutlich die Wirbelsäule des Nagers im Reptilmagen. Aber der CT kann, wie sich schon nach zwei Monaten im Einsatz zeigt, weitaus mehr: Bei betäubten Tieren vermag das Gerät sogar die Details des Herzens aufzuzeichnen. Bei Menschen ist dies nicht möglich. Die Mitarbeiter, die an diese Präzision nicht geglaubt hatten, waren überrascht und begeistert.
Tatsächlich ist die CT-Technik schon über zwanzig Jahre alt. Die Maschine wendet zunächst das von Röntgenaufnahmen bekannte Verfahren an. Nur liegt der Patient, in diesem Fall das Tier, betäubt auf einer Bank, während Röntgenröhre und ein gegenüber liegender digitaler Detektor um den kleinen Körper rotieren. Währenddessen fährt die Bank mit dem Tier durch die Ringkonstruktion.

Das Diagnosegerät funktioniert im Grunde wie eine Brotmaschine. Bei jeder Rotation zeichnet das hochmoderne Data Aquisition System (DAS) vier Schichtbilder auf. Aufgrund des minimalen Abstands von sechs Zehntelmillimetern, den die Liege zwischen den einzelnen Röntgenbildern automatisch zurücklegt, sind dreidimensionale Abbilder in ihrer Komplexität erst möglich. Verglichen mit älteren, in der Tiermedizin normalerweise benutzten CT, können mit dem neuen Gerät viermal so viele Bilder pro Umdrehung gemacht werde. Gemessen wird dabei die Absorptionsrate des geröntgten Materials. Während Metalle fast alle und Knochen viele Röntgenstrahlen absorbieren, sind Weichteile und Flüssigkeiten bis zur Luft (zum Beispiel in den Lungenlappen) sehr durchlässig.

Das CT zeigt das Gerippe einer soeben verspeisten Ratte im Mageninnern einer Schlange: Die Präzision der Aufnahme (oben) verblüffte sogar Experten.
Unten: CT der inneren Organe.


Aus den gewonnen Daten erstellt der Computer dann die Bilder. Das neue Verfahren erlaubt nicht nur eine viel genauere Diagnostik, sondern auch eindrucksvolle 3-D-Darstellungen und Animationen. Besonders für chirurgische Eingriffe ist die neue Technik von hohem Wert. Durch sie kann sich der Operateur über die Schwierigkeiten des bevorstehenden Eingriffs informieren und die Risiken minimieren, bevor er das Messer ansetzt. Die Tiere, die bei jeder Untersuchung betäubt sind, spüren nichts von dem Eingriff.

Neben den Privatkunden hat die Forschung ein enormes Interesse an dem Gerät. So wurden bereits Ammoniten, versteinerte Urtiere, und ein Elefantenkopf aufgenommen. Per Computer können die 3-D-Animationen horizontal wie vertikal beliebig zerstückelt werden und offenbaren so das tierische Innenleben.

Ob nur die oberste Gewebeschicht oder die inneren Organe freigelegt werden sollen – Grenzen setzt nur noch der Wissensdrang der Forscher. Das alles ist ohne einen Eingriff und der damit verbundenen Schädigung des Präparats möglich. „Wir sind begeistert, was man alles erkennen kann“, sagt Guido Fritsch. „Die Bilder sind gestochen scharf wie in einem Anatomiebuch.“ Sein neues Arbeitsgerät dient aber auch der Humanmedizin. So wird damit an der Kleintierklinik die Knochenheilung bei Tieren untersucht, um Rückschlüsse auf die Osteoporose beim Menschen ziehen zu können.


Klinikchef Leo Brunnberg (links) mit Mitarbeiter Guido Fritsch.


Das Gerät kostet eigentlich 750.000 Euro. Beschafft hat es das Institut für Zoo- und Wildtierforschung. Mehrere Partner, nicht zuletzt der Hersteller General Electric, schossen einen großen Teil dazu, so dass der Computertomograf mit ungefähr 375.000 Euro für die FU-Veterinärmediziner erschwinglich war. Als Gegenleistung bekommen die Techniker von General Electric Informationen aus der praktischen Arbeit, um zum Beispiel die Anwendungssoftware und die Steuerung weiter zu verfeinern.

Nun steht den Berliner Haustierhaltern ein exzellentes Diagnosegerät zur Verfügung. „In Berlin ist wie in jeder Großstadt der Hund oder die Katze mehr Gefährte des Menschen als bloßes Haustier“, meint Guido Fritsch. „Von seiner Gesundheit hängt oft auch das Befinden der Halter ab. Gerade bei älteren Menschen wirken Haustiere wie ein Therapeutikum.“ Viele Ärzte und Mitarbeiter der Klinik haben selbst Haustiere, Hunde stören auch am Arbeitsplatz nicht. Sie bellen und beschnuppern die Gäste. Diese freundliche Atmosphäre wünscht sich manches Herrchen dankbar auch für den eigenen Klinikbesuch.


Florian Hertel

Fotos: Hertel
Abbildungen: U. Leinen


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