Blick auf eine Nervenzelle.
Volker Haucke (36) ist nicht wirklich neu an der Freien Universität. 1989 betrat der in Bad Berleburg geborene Westfale das erste Mal den Campus in Dahlem. In den ersten Semestern faszinierte ihn mehr die Großstadt als die Forschung. Die Neurobiologie betrachtete Haucke anfangs eher mit „philosophisch verklärtem Blick“. Statt Faszination musste er pauken. Dennoch erinnert er sich gerne an die Zeit an der FU zurück. Dass der Neurobiologe im Herbst des vergangenen Jahres auf den Lehrstuhl für Biochemie an die FU gerufen wurde, ist für die Berliner Bioinformatik ein großer Gewinn.
Warum lautet Ihr Titel Dr. phil. anstatt des üblichen Dr. rer. nat. ?
Ich habe in der Schweiz, am Biozentrum der Universität Basel promoviert eine sehr internationale Einrichtung, die sich dem angelsächsischen PhD verschrieben hat, der im deutschen Sprachraum als Dr. phil auftaucht. Mein Promotionsfach ist natürlich die Biochemie.
Sie haben in den USA, in der Schweiz und an der Freien Universität studiert. Warum gingen Sie ins Ausland?
Die Frage der intrazellulären Proteinfaltung war damals insbesondere für die Forscher interessant, die den Transport neugeborener Proteine durch Membrane studieren. Einer der führenden Köpfe, Gottfried Jeff Schatz, war damals am Biozentrum in Basel tätig. Er hat mich in vielerlei Hinsicht fasziniert. Der Entschluss, in die Schweiz zu gehen, fiel mir sehr leicht. Ich habe meine Jahre sowohl in der Schweiz als auch in den USA sehr genossen.
Gibt es einen Forscher, der Sie während Ihrer beruflichen Laufbahn besonders beeindruckt hat?
Wie erwähnt: Jeff Schatz, der zwischenzeitlich Präsident des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierates war. Neben seiner exzellenten Forschung hat er es vermocht, nicht nur Mensch zu bleiben, sondern hat es immer verstanden, seinen Einfluss selbstlos und zum Nutzen anderer geltend zu machen. Für mich ein Beispiel menschlicher Größe.
Wo sehen Sie die wichtigsten Unterschiede zwischen der Schweiz, Deutschland und den USA?
Zur Schweizer Studienlandschaft kann ich mich nur bedingt äußern. Es gilt sicher, dass das Betreuungsverhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden sehr viel besser als in Deutschland ist. Das gleiche gilt natürlich auch für die USA, wobei man eine Top-Universität wie die Yale University mit enormen finanziellen Ressourcen und einem klaren Schwerpunkt in der Forschung kaum mit der FU vergleichen kann. Um es jedoch deutlich zu sagen: deutsche Universitäten wie die FU sind im internationalen Vergleich mindestens um den Faktor zwei bis drei unterfinanziert.
Ist die Biochemie der FU gut gerüstet für Forschung und Lehre?
In ökonomisch schweren Zeiten ist das eine schwierige Frage. Als experimentelle Wissenschaft sind wir auf eine gute, um nicht zu sagen erstklassige Ausstattung angewiesen. Ich glaube, dass die FU trotz aller Schwierigkeiten über genügend Manövriermasse verfügt, um schlagkräftige Forschungsgruppen zu etablieren. Aber es gibt sicher keinen Grund, mit dem Status Quo zufrieden zu sein. Bioforschung muss lebendig sein und lebendig ist nur, was sich auch bewegt.
Durch den Wechsel von Basel nach Berlin verlieren Sie 80.000 Euro an Forschungsgeldern. Warum kamen Sie dennoch an die FU?
Berlin bietet ein gutes Forschungsumfeld, das es uns erlauben sollte, weitere Drittmittel einzuwerben. Ich denke wir sind da für den Anfang schon auf einem guten Weg. Darüber hinaus wissen Sie sicher, dass der Großteil einer wissenschaftlichen Karriere erst einmal auf der Basis temporärer Anstellungen abläuft. Da ist es sicher irgendwann ratsam, sowohl die Forschung als auch die private Lebensplanung auf langfristigere Fundamente zu stellen.
Sind schon weitere Drittmittel in Aussicht?
Wir versuchen zur Zeit, im Rahmen eines kleinen Kreises einen internationalen „Grant“ zu gewinnen, der uns im Erfolgsfall äußerst komfortable Möglichkeiten geben sollte. Darüber hinaus sind weitere Vorhaben bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Beantragung vorgesehen oder als Berliner Verbundprojekte beantragt.
Gibt es auch über die deutschen Grenzen hinaus internationale Kooperationen mit anderen Universitäten?
Wir haben eine Reihe internationaler Kooperationen insbesondere mit den USA, beispielsweise mit der Yale University und der University of Wisconsin. In England unterhalten wir enge Kontakte nach Cambridge, in Fernost kooperieren wir mit der Universität Okayama in Japan. Neuerdings finden wir auch in Tel Aviv interessante Partner. Oftmals handelt es sich um den Austausch von Material und Methoden. Es gibt aber auch Projekte, bei denen einzelne Experimente von der einen oder anderen Seite gemacht werden und in gemeinsame Publikationen einfließen. Wir hatten in den letzten Jahren einige japanische Wissenschaftler zu Gast.
Wie war Ihr erster Eindruck von den Berliner Studenten?
Sehr positiv. Ich freue mich auf eine gute und hoffentlich erfolgreiche Zeit in Berlin - erfolgreich für beide Seiten! Als Tipp rate ich den Studenten, herauszufinden, welche Fragen sie selbst spannend finden. Dann suchen Sie sich die beste Arbeitsgruppe, die sie finden können, um das Problem anzugehen. Propheten und Trends ist grundsätzlich zu misstrauen.
Das Gespräch führte Florian Hertel.
Foto: MPG
Intrazellulärer Membrantransport
Kurz gesagt gilt Volker Hauckes Forschung der Synapse. Ihn beschäftigt die Dynamik des intrazellulären Membrantransportes, also der Transport verschiedener Stoffe innerhalb einer Nervenzelle. Wie ist zum Beispiel die Verschickung von Protein- oder Lipidpäckchen (Eiweiße und Fette) organisiert. „Das ist immer noch eine ungeheurer spannende Frage,“ kommentiert Haucke. „Gerade wenn man die Überlegung anstellt, inwieweit aus spezialisierten Sortierungsvorgängen letztlich Gewebe und Organe wie das Gehirn entstehen.“ Dabei gilt es für das Forschungsteam um den Professor vornehmlich die Entstehung und Regeneration der Synapsenvesikel (SV), kleiner Behälter die innerhalb der Zelle wichtige Stoffe transportieren, zu erklären. Diese Transporter bilden manchmal ganze Gemeinschaften. Der Vorgang der Vesikelregeneration, wird überall im menschlichen Körper leicht variiert genutzt. Ist er einmal vollständig erklärt, gibt das Rückschlüsse auf das Rätsel, wie und warum sich diese Transportvesikel in einer Stammzelle bilden, die noch nie vorher eine solche gesehen hat. Woher weiß sie um ihre zukünftige Funktion, die Form und den Aufbau? Neben der Grundlagenforschung gibt es aber auch einen medizinischen Aspekt an Hauckes Forschung. Bestimmte Krankheiten wie Morbus Huntington und Alzheimer werden mit besonderen Proteinen und Transportvesikeln in Verbindung gebracht. Hier können Forschungsergebnisse vielleicht einmal Heilmittel gebären. „Bis es so weit ist“, schätzt Volker Haucke, „können jedoch noch Jahrzehnte vergehen.“ Ein wichtiges Instrument für die Forschung seines Teams ist das hochauflösende Fluoreszenzmikroskop, mit dem fixierte (abgestorbene) aber auch lebende Zellsysteme untersucht werden. Mit einem neuen Gerät sollen jetzt geradezu revolutionäre Einblicke in die dynamischen Prozesse der Zelle ermöglicht werden. Dazu wird ein einzelnes Eiweißmolekül binnen Sekunden deaktiviert, um dann den Effekt der Stilllegung auf synaptische Prozesse oder Transportvorgänge an lebenden Zellen zu studieren.