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[Unterdrückte Immunantwort]



Die Biotechnologie stößt Türen zu neuen medizinischen Möglichkeiten auf.


Toleranz gegenüber Fremdem ist äußerst ungewöhnlich, jedenfalls für unseren Körper. Der Darm schafft es, aus dem Nahrungsbrei alles herauszufiltern, was groß und stark macht. Viele Eiweiße und Bakterien akzeptiert er, obwohl sie ihm eigentlich fremd sind. Anderen Organen fehlt diese Lässigkeit. Das körpereigene Alarmsystem in der Lunge, in der Haut und im Innern reagiert sofort und radikal – aktivierte Immunzellen eliminieren Fremdstoffe (Antigene) und rufen in der Regel eine Entzündung hervor. Auch der Darm kann sich effektiv gegen Krankheitserreger wehren, er ist schließlich das größte Immunorgan: Fast drei Viertel aller Immunzellen unseres Körpers befinden sich in der Darmschleimhaut. Gegenüber vielen nützlichen Bakterien des Darms und den meisten Nahrungsstoffen wird die Immunantwort jedoch unterdrückt.

Wie die Immunzellen des Darms ihr differenziertes Abwehrverhalten lernen und wie es manipuliert werden kann, ist noch unbekannt. Das soll sich durch die Arbeiten des seit Sommer 2003 laufenden Sonderforschungsbereiches „Induktion und Modulation T-zellen vermittelter Immunreaktionen im Gastrointestinaltrakt“ ändern. Sein Initiator und Sprecher ist Martin Zeitz, Direktor der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie auf dem Campus Benjamin Franklin der Charité. Er nennt das ehrgeizige Ziel der Forschungen: „Wir wollen krankhafte Immunreaktionen im Körper gezielt über die Darmschleimhaut modulieren“. Wie das geschehen könnte, erklärt Zeitz an einem Beispiel: „Sie haben Rheuma im Gelenk und die Entzündung richtet sich gegen den Knorpel. Wenn man Knorpelbestandteile über den Darm zu sich nimmt, können im Darm Immunzellen entstehen, die von dort aus in das Gelenk einwandern und die Entzündung unterdrücken.“



Gesundheit ist der Wachtumsmarkt der Zukunft.


Fremdstoffe, die der Darm aufnimmt, werden zunächst von so genannten antigenpräsentierenden Zellen (APC) verarbeitet. Durch den Kontakt mit APC werden T-Zellen aktiviert, die daraufhin zu verschiedenen Spezialisten reifen: Neben Helfer-T-Zellen, die schützend wirken, können auch T-Zellen mit entzündungsfördernder Funktion entstehen. Die T-Zellen sind auf das Antigen programmiert, das ihnen präsentiert wurde – eine wichtige Funktion für den Immunschutz. Denn die Immunzellen wandern aus dem Darm in andere Körperregionen, kehren aber auch wieder in den Darm zurück. So verteilt sich der erworbene Schutz gegen die Antigene über alle mit Schleimhaut ausgekleideten Körperoberflächen.

Neu und noch relativ unbekannt ist ein weiterer T-Zelltyp, der durch den APC-Kontakt entsteht und offenbar nur regulierend in die Immunantwort eingreift, Entzündungsreaktionen unterdrückt und ebenfalls im Körper wandert. Auf diesen Zelltyp haben es die Berliner Forscher besonders abgesehen, denn er ist der Kandidat, der entsprechend dem Rheumabeispiel funktionieren soll. Die Ergebnisse der Forschung sollen schon während der nächsten vier Jahre am Menschen überprüft werden.
Unsere intestinale Toleranz ist störanfällig. Bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa kommt es zu überschießenden Autoimmunreaktionen gegen die eigene Darmflora. Diese chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sind ein zweiter Schwerpunkt im SFB, an denen geklärt werden soll, welche Bedingungen zu Toleranz führen oder sie stören. Bisher ist bekannt, dass bei Autoimmunreaktionen weniger regulatorische, dafür mehr entzündungsfördernde T-Zellen vorhanden sind. Eine dritte wichtige Forschungsaufgabe ist die Untersuchung von Immunreaktionen auf Tumorantigene. „Auch gegen Tumoren muss eine Immunantwort vorhanden sein“, sagt Martin Zeitz. „Doch wenn im Darm Toleranz herrscht, könnte das auch für die Tumorzellen gelten.“ Dadurch könnte Darmkrebs besonders leicht wachsen.

Für dieses Projekt ziehen Arbeitsgruppen der fusionierten Hochschulmedizin und mehrerer Berliner Institute an einem Strang: Vom Campus Benjamin Franklin und vom Campus in Mitte, vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum, vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie und vom Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin in Berlin-Buch. Gerade diese enge Kooperation der Berliner Wissenschaftler und die thematische Konzentration wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sehr begrüßt. Sie fördert die Forschungen mit sieben Millionen Euro.

Matthias Manych

Fotos: Schering


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