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[Rauchende Köpfe im Uni-Labyrinth]



Die wichtigste Aufgabe der ersten Tage: Kontakte knüpfen.


Aller Anfang ist schwer: Hat der Gymnasiast erfolgreich alle Hürden der Bewerbung für das gewünschte Studienfach und die Immatrikulation gemeistert, freut er sich auf seinen ersten Unitag meist wie ein Schulanfänger auf die erste Klasse. Statt einer Schultüte begrüßen ihn allerdings überfüllte Hörsäle und kryptische Seminarverzeichnisse. Anders als der Klassenlehrer verlangt der Professor eine Anmeldung zur Sprechstunde. Zu Hause wartet nicht Mutter mit einer leckeren Mahlzeit, sondern gähnende Leere im eigenen Kühlschrank.

„Keep cool“ überschrieben fortgeschrittene Medizinstudenten eine Broschüre, die sie Studienanfängern ihres Faches in die Hand drücken. Den gleichen Ratschlag gibt Rebecca von Itter den so genannten Erstis, wie höhere Semester die Neuankömmlinge liebevoll nennen. „Anfänger sollten die vielen Eindrücke erst einmal wirken lassen und keine vorschnellen Entscheidungen treffen“, sagt die Lehramtsstudentin. Von Itter sorgt seit einem Jahr als Tutor bei der FU-Studienberatung dafür, dass die anfängliche Uni-Lust bei den Neulingen nicht schnell in Frust umschlägt.

Die Probleme fangen meist beim Gang zur ersten Vorlesung an. „Selbst mit Lageplan ist es nicht einfach, sich auf dem Campus der FU zurechtzufinden. “, meint von Itters Kollegin Jana Gührer. Die Fachbereiche der FU sind über ganz Dahlem verstreut. Die Publizisten lernen gar im zwanzig Busminuten entfernten Lankwitz. Jana Gührer, die jetzt im fünften Jahr an der FU Geschichte und Politologie studiert und kurz vor dem Abschluss steht, brauchte fast ein Semester, um sich zurechtzufinden. Sie empfiehlt Neulingen, sich schon vor dem Semesterstart auf dem Campus umzusehen.

Als besondere Herausforderung auch für Studenten mit gutem Orientierungssinn haben die Architekten die Rost- und Silberlaube, das Hauptgebäude der FU in Dahlem, ersonnen. Wer auf den letzten Drücker in die Rostlaube stürmt, stößt auf Gänge, die „Straßen“ heißen und nach Buchstaben benannt sind. Bis der Anfänger seinen Raum gefunden hat, passiert er diverse Querwege und hat das Gefühl, zweimal im Kreis zu gehen. Dabei, meint Rebecca von Itter, hat das scheinbare Labyrinth System: „Die drei Straßen heißen J, K und L. Die Verbindungsgänge beispielsweise zwischen J und K heißen JK“, erläutert sie. „Die Nummer des Raumes zeigt an, auf welcher Höhe des Gebäude er sich befindet. Also wie beim Straßensystem in New York.“

Sitzt der Neuling schließlich doch pünktlich zu Vorlesungsbeginn im richtigen Raum, geht die Verwunderung weiter. Die meisten Veranstaltungen beginnen eine Viertelstunde später als im Vorlesungsverzeichnis angegeben. Das so genannte akademische Viertel ermöglicht es, die nächste Veranstaltung in einem abgelegenen Gebäude pünktlich zu erreichen. Das Wissenschaftsdeutsch, das Dozenten und viele ältere Kommilitonen pflegen, klingt für viele Erstsemester ebenfalls unverständlich. „Jeder denkt dann, er sei besonders dämlich“, weiß von Itter aus ihren ersten Unitagen. Dass alle um einen herum sich für genauso dämlich halten und es sich nur niemand zugeben will, merkt der verwirrte Neuling erst, wenn der Professor das Seminar beendet hat. Deswegen, meint von Itter, sollte man Fragen sofort klären: „Der Lehrbetrieb an der Uni ist für Erstsemester Neuland. Man hat das Recht zu fragen.“ Entgegen der landläufigen Meinung seien viele Professoren durchaus an einem regen Kontakt mit ihren Studenten interessiert: „Professoren wollen Feedback haben“, weiß sie, und Jana Gührer ergänzt: „Vor allem nach einer Veranstaltung kann man die Dozenten ganz unverbindlich ansprechen.“

Nur: Welche Veranstaltung soll der Anfänger eigentlich belegen? Das Vorlesungsverzeichnis nennt für die meisten Fachbereiche eine verwirrende Fülle an Pro- und Hauptseminaren, Tutorien, Grundkursen und Vorlesungen, unter denen Studenten auswählen können. Von Itter empfiehlt, sich zu Beginn des Semesters zahlreiche Kurse anzugucken und sich dann auf die interessantesten zu konzentrieren. Auch sollte sich Neulinge davor hüten, dass gesamte Grundstudium in einem Semester absolvieren zu wollen. In Einführungsveranstaltungen, die an allen Fachbereichen stattfinden, erklären erfahrene Studenten den Neulingen, wie sie ihre Stundenpläne am besten gestalten. „Diese Veranstaltungen sind sehr wichtig“, betonen Gührer und von Itter unisono.

Die Einführungsveranstaltungen gelten auch als ideale Gelegenheit, um gleich in der ersten Woche neue Freunde und Leidensgenossen zu finden. „Kontakte knüpfen ist ganz wichtig“, findet von Itter. Der Hochschulsport bietet ebenfalls die Chance, nicht nur die Muskeln, sondern auch soziale Kontakte zu fördern. „Beim gemeinsamen Training lernt man sich zwangsläufig kennen“, sagt Jana Gührer. „Hat man die Feinheiten durchschaut, ist es an der FU richtig schön.“ Bewegt sich der Anfänger erst einmal souverän durch den Uni-Dschungel, kann er sich um Kleinigkeiten wie den schönsten Mensaplatz kümmern. „Der ist im Sommer in der Juristenmensa: Die haben eine Dachterrasse“, empfiehlt Rebecca von Itter. In den warmen Monaten macht nicht nur das Studium in Dahlem richtig Spaß. Krumme Lanke und Schlachtensee locken gleich um die Ecke zu einem Bad nach der Vorlesung – für Abkühlung ist also gesorgt, falls der Kopf von all den neuen Eindrücken raucht.

Tilmann Warnecke

Foto: Hertel


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