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Emeritus Prof. Dr. Dr. h.c. Wilhelm Brosig schreibt an den Regierenden Bürgermeister

„Die von dem Berliner Senat beabsichtigte Streichung der Benjamin Franklin Klinik aus dem universitären Bereich der Freien Universität ist eine politische Entscheidung und gleichzeitig eine Beleidigung für alle diejenigen, die irgendwie mit der Gründung der Freien Universität befasst sind oder waren. Das, was Sie vorhaben 'ist nicht gut so'. Ich protestiere auf das Heftigste“, schrieb Prof. Dr. med. Dr. h.c. Wilhelm Brosig an den Regierenden Bürgermeister Mitte Januar. Der weltbekannte Urologe ist derzeit nicht der Einzige, dem die Wut die Feder oder die Taste führt. Täglich gehen an der Freien Universität eine Flut von Solidaritätsadressen ein, unter ihnen besonders viele von Gründungsstudenten und ehemaligen Mitarbeitern.

Prof. Brosig hat 1963 am damaligen Klinikum Charlottenburg der FU die erste Nierentransplantation in Deutschland durchgeführt.

„Wissen Sie“, sagt der 89-jährige Emeritus der Freien Universität, „am schlimmsten ist, dass die Sozialdemokraten mit der PDS zusammengegangen sind“. Und seine Frau nickt.
Als deutsch-sprachige Pragerin saß sie neun Monate in tschechischer Haft, bis sie von den Kommunisten gemeinsam mit ihren Schwiegereltern vertrieben wurde. Wilhelm Brosig, den sie im deutschen Ruderclub in Prag kennengelernt hatte, war unterdessen als Mitglied des Afrika-Corps der Deutschen Wehrmacht in Kriegsgefangenschaft geraten und verbrachte vier Jahre als Lazarett-Arzt in Amerika. Nach 14-tägiger Schiffsfahrt landet der Mediziner, der an der deutschsprachigen Universität in Prag studiert hatte, in Bremerhaven. Im September 1946 sind die Eheleute endlich wieder vereint.

„Das waren schon sehr aufregende Jahre“, erzählt Brosig. In der Fremde kommt ihm seine Fähigkeit zur Freundschaft, sein Talent zur Kommunikation zu Gute: Ein Arztfreund aus Breslau, mit dem er in Kriegsgefangenschaft war, vermittelt ihn als Oberarzt an die Chirurgische Universitätsklinik in Frankfurt am Main. Hier habilitiert sich der in der Slowakei geborene Brosig über den „Einfluss der Urinausscheidung auf das Wachstum der Blasentumoren“. Damit steht der spätere Berufsweg fest: Brosig kämpft mit der ihm eigenen Bescheidenheit und Freundlichkeit darum, dass die Urologie sich als eigenständige Fachdisziplin neben der Chirurgie etabliert. „Einfach war das nicht“, meint der vierfache Großvater. 1958 erhält er einen Ruf an die Freie Universität. Dabei setzt er durch, dass er zum Extraordinarius für Urologie berufen und mit der Leitung der urologischen Poliklinik betraut wird. Ab 1959 übernimmt Brosig die Leitung der urologischen Klinik und hat damit in Deutschland den dritten Lehrstuhl für Urologie inne. „Sonst hätte ich ja auch in Frankfurt bleiben können, wo wir viele Freunde hatten“, meint Brosig. In den kommenden Jahren leistet er Pionierarbeit: 1963 gelingt ihm die erste Nierentransplantation in Deutschland; 1965 die erste radikale Prostatektomie (Entfernung der Prostata). Für seine Verdienste erhält der zweifache Vater zahlreiche Ehrungen im In- und Ausland: So wird er Ehrenmitglied der Deutschen, Österreichischen, Berliner, Norddeutschen und Japanischen Urologischen Gesellschaften; erhält 1983 das Bundesverdienstkreuz und wird 1994 Ehrendoktor der Freien Universität. Wie Brosig auch nach seiner Emeritierung 1983 das Geschick „seiner“ Urologie interessiert, sieht der Besucher der Brosigschen Wohnung schon am Eingang: Groß hängt dort ein Schild, das auf die Urologische Klinik hinweist. Gleichzeitig unterhält Brosig Freundschaften zu Urologen auf der ganzen Welt.

„Ich glaube, wir waren nur nicht in Indonesien“, sagt er zu seiner Frau, auf die Frage, ob er viel gereist sei. Inzwischen ist ihm das lange Reisen und das geliebte Tennisspiel allerdings zu mühsam. Noch heute geht er gerne zu Tagungen, Kongressen und interessiert sich für die Politik. Die geplante Schließung des Fachbereichs Humanmedizin ist für den ehemaligen Ordinarius eine späte Rache der Kommunisten. „Während meiner aktiven Zeit habe ich mich immer um Kontakte zur urologischen Klinik der Charité bemüht“, meint Brosig, wenn auch mit wenig Glück. Die Zusammenarbeit der SPD mit der PDS hält er schlicht für einen Skandal, gegen den er auch weiterhin protestieren möchte.

Felicitas von Aretin

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