Falsche Daten führen zu falschen Entscheidungen. Im Fall der geplanten Abwicklung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin zeigt sich das besonders deutlich. In vielfältiger Weise ging die Politik bei ihrem Beschluss zur Schließung der FU-Medizin von falschen Annahmen aus, die nun stückweise von unterschiedlicher Seite korrigiert werden müssen. Bei einem geordneten Verfahren der Faktenerhebung und Beratung durch eine Expertenkommission hätte sich dieses Knäuel aus Fehlinformation und Fehlentscheidung nicht bilden können. Nach Aussagen des Wissenschaftsrates ist die Hochschulmedizin insgesamt mit Abstand der leistungsfähigste wissenschaftliche Bereich in Berlin. Von den Gesamt-Drittmitteleinnahmen der beiden Berliner Universitätsklinika UKBF und Charité in Höhe von rund 41,5 Mio. Euro für das Jahr 2001 hängen direkt mehr als 2.400 hochqualifizierte Arbeitsplätze und indirekt weitere 4.500 Arbeitsplätze ab. Sie ist damit nicht nur Motor für innovative Unternehmensgründungen in unmittelbarer Nachbarschaft der Standorte, sondern darüber hinaus auch Katalysator für die gesamte biomedizinische Region Berlin-Brandenburg, die über 150 diesbezügliche Firmen aufzuweisen hat, bemerkt der Wissenschaftsrat. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) prognostiziert Einbußen von mehr als 3,32 Milliarden Euro (6,5 Milliarden Mark), wenn das UKBF seinen Universitätsstatus verliert. Das entspricht etwa fünf Prozent des Berliner Sozialprodukts. Von mehr als 5.000 Arbeitsplätzen am UKBF in Lehre, Forschung und Krankenversorgung sind derzeit rund 550 durch Drittmittel finanziert. Die Politik erwartet durch die Schließung der FU-Medizin eine Einsparung des jährlichen UKBF-Zuschusses in Höhe von 95 Mio. Euro. Davon müssen jedoch eine Reihe von Einnahme-Positionen abgezogen werden, die dem Land dann nicht mehr zugute kommen. So zum Beispiel die Einwerbung von Forschungs-Drittmitteln, die sich 2001 auf rund 25 Mio. Euro belief. Gerade an dieser Zahl zeigt sich auch die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit des UKBF. Im Durchschnitt wirbt jeder Professor am UKBF über 310.000 Euro an Drittmitteln ein. Der Bundesvergleich liegt bei der Hälfte. Wegfallen würden auch Einnahmen durch überregionale Patientenversorgung im Universitätsbereich von weiteren rund 30 Mio. Euro. Ebenso abzuziehen von der Einsparsumme wären die notwendigen Rückzahlungen an den Bund aus Mitteln der Hochschulbauförderung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geht im Moment von über 95 Mio. Euro aus. Fraglich sind auch die erhofften Einspareffekte bei der Ausbildung der Medizinstudenten. Im Jahr 2000 hatte die FU 4.180 Medizin-Studenten, davon 560 Studienanfänger. Diese Studenten müssten kostenmäßig von der Humboldt-Universität übernommen werden. In der Tendenz zeichnen sich dadurch eher höhere Ausbildungskosten ab, denn auf günstige Relation des UKBF mit Kosten von 175.000 Euro pro Medizin-Studienplatz (Bundesdurchschnitt rund 200.000 Euro) würde verzichtet. Ohnedies ist keineswegs sicher, ob eine Reduzierung der Medizin-Studienplätze aus rein fiskalischen Gründen vor den Verwaltungsgerichten Bestand haben würde. So scheiterte in der Vergangenheit die Einstellung des Studienganges am Berliner Verfassungsgericht. Den Studiengang Zahnmedizin gibt es heute immer noch. Auch bei den Professuren unterliegt die Koalition einem Irrtum. Sie ging bei ihrem Beschluss davon aus, dass in den nächsten Jahren 80 Prozent der UKBF-Professuren neu besetzt werden sollten, was im Abgleich mit den Charité-Lehrstühlen zum Wegfall von Doppelangeboten führen könnte. Tatsächlich aber hat das UKBF in den letzten Jahren eine große Zahl von Neuberufungen erreicht, so dass in den kommenden Jahren nur noch für 26 Prozent der Lehrstühle Nachfolge-Berufungen anstehen. Nicht ausreichend mitbedacht wurde bei der Koalitionsentscheidung schließlich das Verhältnis zum Nachbarland Brandenburg, das gerade wegen der Ausstattung der Berliner Medizin auf den Aufbau einer eigenen Hochschulmedizin verzichtet hat. Zwei Universitätsklinika mit zur Zeit nach Plan noch 3.347 Betten (1990: 5.633 Betten) für Berlin und Brandenburg also für sechs Millionen Einwohner stellen im Vergleich mit anderen Bundesländern keine Überausstattung dar. Auf Einwohner bezogen haben andere Bundesländer eine deutlich höhere Dichte an Klinika, auch der Bundesdurchschnitt liegt höher. Der Anteil der Brandenburger Patienten im UKFB beträgt 8,5 Prozent aller stationär belegten Betten.