Hedwig Francois-Kettner ist im Universitätsklinikum Benjamin Franklin eine von den Ärztinnen und Ärzten sowie dem Pflegepersonal gleichermaßen geschätzte Persönlichkeit, die sich aufgrund ihres außergewöhnlichen Engagements auch ohne autoritäre Gebärden Anerkennung und Respekt verschafft hat. Sie ist seit 17 Jahren die Pflegedirektorin des UKBF, bereits zum dritten Mal wurde sie in dem jeweils auf fünf Jahre befristeten Amt bestätigt. Die diplomierte Krankenschwester und erfolgreiche Absolventin eines Studiums für Pflegemanagement ist Mitglied im Klinikumsvorstand und hat neben ihrer originären Zuständigkeit für den Pflege- und Funktionsdienst auch die Aufgabe, die Gesamtbelange der Universitätsklinik mitzugestalten. Niclas Dewitz sprach mit Hedwig Francois-Kettner über die Auswirkungen des Schließungsbeschlusses für das Pflegepersonal und die Patienten.
Was unterscheidet ein Universitätsklinikum von einem städtischen Krankenhaus aus Sicht des Pflegepersonals?
Ein Universitätsklinikum hat diverse Aufgaben, die ein städtisches oder privates Krankenhaus nicht hat. Hier werden nicht nur Studierende ausgebildet. Eine wesentliche Rolle spielt auch, dass sich nahezu alle Mediziner in der Weiterbildung befinden und damit regelhaft in den unterschiedlichen Bereichen rotieren. Die Ausbildung findet in hohem Maße als bedside-teaching statt. Dies beinhaltet, dass Lehre und Krankenversorgung engmaschig miteinander verknüpft sind. In den Praxisbereichen und stationären Sektoren, aber auch in den Polikliniken (über die ein städtisches oder privates Haus nicht verfügt) laufen Forschungsvorhaben, die die klinische Forschung mit und am Patienten beinhalten. Darüber hinaus werden Behandlungsformen getestet, bevor sie in den Regelbetrieb anderer Versorgungssysteme Eingang finden. Auch im Pflegebetrieb setzen wir uns kritisch mit neuen Inhalten auseinander. Wir testen neue Pflegeformen, bewerten und veröffentlichen die Ergebnisse und führen verschiedene Forschungsprojekte durch. So hat das Klinikum Benjamin Franklin wie es uns jetzt auch durch diverse Stellungnahmen bestätigt wurde eine Vorreiterrolle unter den Universitätskliniken Deutschlands inne.
Welche Auswirkungen hätte die Umwandlung des UKBF in ein städtisches Krankenhaus für das Pflegepersonal?
Das Pflegepersonal würde zum Beispiel den Wegfall der ärztlichen Rotation negativ und positiv erleben. Positiv, weil durch die ständige Rotation, die heute gegeben ist, eine gewisse Ruhe in den Bereichen eintreten würde, die negativ betrachtet Stillstand bzw. Alltagsroutine ohne neue Herausforderungen beinhalten könnte. Die Polikliniken würde es unter den heutigen Bedingungen nicht mehr geben. Die Pflegekräfte, die in Forschungsprojekten als Study Nurse eingesetzt sind, würden arbeitslos. Der gesamte Sektor, der in diesem Hinblick zu betrachten wäre, würde eine drastische Veränderung für etwa 100 Pflegekräfte, das sind rund zehn Prozent des Gesamtpersonals, beinhalten. Das würde bedeuten: Wegfall der Stellen, Umsetzung in andere Bereiche, Veränderung der täglichen Arbeitszeit und vieles andere mehr.
Welche Auswirkungen hätte dies auf die Qualität der Krankenversorgung? Was würde die Patienten erwarten?
Die unmittelbaren Auswirkungen möchte ich derzeit gar nicht anführen. Vor allen Dingen auch deshalb nicht, weil das nicht seriös darstellbar ist. Für die Patienten würden sich sicher in den Sektoren der poliklinischen Sonder- und Spezialsprechstunden erhebliche Nachteile ergeben. Sie sind es heute gewohnt, Nachbetreuungen zu erfahren, die in den Spezialfragestellungen besonderer Krankheitskomplexe für sie eine existentielle Bedeutung haben. Dafür ist der Berliner Markt mit den niedergelassenen Ärzten aus meiner Sicht keinesfalls gerüstet. Und ich gebe nicht nur meine Meinung wieder, dass das ein gravierendes Problem für nahezu 165.000 Patienten wäre.
Befürchten Sie betriebsbedingte Kündigungen?
Auch das wäre Spekulation. Allerdings ist die Aussage der Politiker, dass es in Berlin zunächst keine betriebsbedingten Kündigungen gäbe, genau so wenig zuverlässig, wie die Aussage, dass die Universitätsmedizin in Berlin eine seriöse Vertragsdauer bis 2005 habe. Sie sehen, wie schnell die Aussagen geändert werden und wie wenig Bestand das Wort unserer Politik heute hat.
Niclas Dewitz
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