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Sonderausstellung in der Abguss-Sammlung

Wo sonst das Weiß der Gipsabgüsse die Szene beherrscht, ist Grün eingekehrt: Die Abguss-Sammlung antiker Plastik, eine Einrichtung der Freien Universität, hat sich in die „Gärten der Aphrodite“ verwandelt. Die griechische Göttin von Liebesglück und Kinderreichtum war eben auch für die Fruchtbarkeit der Natur zuständig, so wurden ihre Tempel und Statuen gern mit Pflanzen geschmückt. An dieses Vorbild haben sich die Archäologen der FU mit ihrer neuen Sonderausstellung über Aphrodite (und ihre römische Entsprechung, die Venus) gehalten.

Es ist eng geworden im Haus hinter dem Ägyptischen Museum: Damit die Damen ihren gehörigen Platz finden konnten, mussten die männlichen Statuen, die in der Sammlung unvermeidlich das Übergewicht bilden, an den Rand gerückt werden – „sozusagen als Voyeure“, schmunzelte Kustos Klaus Stemmer bei der Vernissage. Der Gedanke ist gar nicht so abwegig: Der Blick auf die Weiblichkeit, der in den Kunstwerken zum Ausdruck kommt, ist zweifellos ein männlicher Blick, und seit dem 4. Jahrhundert war gerade „Aphrodite im Bad“ ein beliebtes Motiv.

Antike Religiosität umfasste offenbar vieles, was wir heutzutage nicht in diesen Zusammenhang bringen würden. Etwa in der berühmten Darstellung von Aphrodite und dem halb ziegengestaltigen Waldgott Pan, die der Künstler

ausdrücklich als „Weihgeschenk“ deklariert hat (Original im Athener Nationalmuseum): Die Göttin scheint dem Verführer mit ihrem Pantoffel zu drohen; aber ihre Gestalt lässt vermuten, dass sie der Attacke gar nicht so abgeneigt sein mag. Die Gruppe stand in einem Vereinshaus von Kaufleuten und Schiffseignern, und welche Witze in einem solchen Herrenclub gerissen wurden, kann man sich wohl vorstellen.

Dabei hat sich dieser Blick in die Intimsphäre der Göttin in der griechischen Kunst erst ganz allmählich durchgesetzt. Bis in die klassische Zeit

war Aphrodite durchweg bekleidet: „Eine zu freizügige Darstellung weiblicher Sexualität wurde in einer reinen Männergesellschaft als anstößig empfunden“, erklärt Stemmer. Das zeigt sich noch in hellenistischer und römischer Plastik: Während die Künstler sich bei männlichen Statuen gerade im Schambereich äußerst detailfreudig zeigen, bleibt die Darstellung der weiblichen Formen hier merkwürdig abstrakt.

Modische Frisuren für die Göttin

Vielleicht liegt das ja auch an der bruchstückhaften Überlieferung, denkt Stemmer nach: Statuen waren sehr oft farbig gefasst, und es könnte sein, dass die „fehlenden“ Einzelheiten durch die Bemalung angedeutet waren. Jedenfalls ist damit zu rechnen, dass der farbige Auftrag so manches an Kosmetik gezeigt hat, wie „frau“ es damals nun einmal trug. Dass die Künstler darauf bedacht waren, die Göttin jeweils nach der neuesten Mode zu frisieren, ist heute noch offenkundig: Anhand der Aphrodite- und Venusköpfe könnte man eine Geschichte der weiblichen Haartracht über ein ganzes Jahrtausend hin schreiben.

Als Mittel männlicher Repräsentationsbedürfnisse dienten schöne Frauen wohl schon immer. Aber auch zur politischen Propaganda eignete sich die Liebesgöttin. So führte die römische Legende den Ursprung der Stadt über den trojanischen Helden Aeneas auf dessen göttliche Mutter Venus zurück. Caesar und Augustus verstanden es, diesen Mythos im Sinne einer ganz persönlichen Familiengeschichte umzufunktionieren: Die Stamm-Mutter Venus gab die Grundlage, um den Anspruch des Kaisers nicht nur auf irdische Herrschaft, sondern sogar auf die eigene Göttlichkeit zu legitimieren.

„Gärten der Aphrodite“

Die Ausstellung in der Abguss-Sammlung antiker Plastik der Freien Universität, Schloßstraße 69b, Berlin-Charlottenburg, ist noch bis einschließlich 11. November zu sehen. Öffnungszeiten: Do – Sa, 14-17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, Preis 36,- DM.

Josef Tutsch

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