Internationale Vergleichsstudien brachten es an den Tag: Deutsche Schüler sind schlecht in Mathe und zeigen wenig Interesse an Naturwissenschaften. Kein Wunder, meint Prof. Randolf Menzel, Neurobiologe an der Freien Universität, denn Experimente sind aus den meisten Unterrichtsfächern verschwunden. Laborpersonal zur Vorbereitung wurde eingespart, Geräte sind veraltet, werden nicht gewartet. Wo soll das Interesse also herkommen? Schlechte Schulnoten allein ließen sich verschmerzen, aber die Universitäten klagen über mangelnde Grundkenntnisse der Studienanfänger. Brückenkurse sind notwendig, um die Ersties fit zu machen für spätere akademische Weihen und Industriekarrieren.
Was tun? Die Antwort heißt MINT und steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik im Unterricht. Es ist das Ergebnis von Gesprächen zwischen Vertretern aus Senat, Schule, Hochschule und Wirtschaft an der Freien Universität. Das MINT-Zentrum soll Schülerinnen und Schülern Lust auf Naturwissenschaften machen, sagte der Erste Vizepräsident der Freien Universität, Prof. Dieter Lenzen, als er kürzlich das Projekt der Öffentlichkeit vorstellte. Zuerst einmal muss allerdings das Interesse der Lehrer geweckt werden und dafür dient neben einem Newsletter ein Internetportal, das über alle Angebote aus Biologie, Chemie, Physik, Mathematik und Informatik informiert, die nun unter dem Dach von MINT vereint sind.
Per Mausklick gebucht
Laborbesuche und Experimente lassen sich per Mausklick bequem buchen. Hochschullehrer kommen auf Wunsch auch zu Vorträgen direkt an die Schulen. Bei vielen Lehrern liegt das eigene Studium lange zurück, der Schulalltag ist oft frustrierend. Aber nur motivierte Lehrer können begeistern. Ein Klick im Netz öffnet neue Horizonte, verschafft den nötigen Motivationskick durch Lehrerfortbildung. MINT versteht sich nicht nur als Kommunikations- und Informationsplattform für frühe Kontakte zwischen Schule und Universität. Das Projekt soll auch die Studien- und Berufswahl erleichtern. Bei Unternehmenswochen erhalten die Schüler einen Eindruck von der Vielfalt an Arbeitsmöglichkeiten für Naturwissenschaftler. Berufs- und Studienberatung gehören ebenfalls zum Angebot. Mit im Boot sitzen die Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, der Verein mathematisch-naturwissenschaftlicher Excellence-Center, der bundesweit ein Netzwerk zwischen 69 Schulen, verschiedenen Universitäten und Unternehmen aufgebaut hat, und das Arbeitsamt Berlin-Südwest.
Schulsenator Klaus Böger versprach, MINT nach Kräften zu unterstützen. Doch bloße ideelle Hilfe wird nicht ausreichen, denn gerade der experimentelle Unterricht ist nicht zum Nulltarif zu haben. Personelle Unterstützung durch einen Studienrat im Hochschuldienst würde vieles erleichtern, auch Sponsoren aus der Industrie werden noch gesucht. Die FU ist bereits in Vorleistung gegangen beispielsweise mit dem NatLab, einem gemeinsamen Projekt der Institute für Biologie und Chemie. Zwei Großraumlabors der Anorganischen Chemie (Fabeckstraße) werden derzeit für Schulversuche umgerüstet. Die Lehrer werden hier selbst moderne Versuche mit ihren Schülern durchführen können nachdem sie vorher von unseren Wissenschaftlern trainiert wurden, erklärt Prof. Menzel das NatLab-Konzept. Experimente aus den Bereichen Ökologie und Molekularbiologie stehen ebenso auf dem Plan wie Versuche am lebenden Tier (Verhaltens-/ Neurobiologie). Wir wollen die Tierversuchsproblematik bewusst mit einbeziehen, erzählt Menzel. Wer Bienen beim Lernen zusehen möchte, muss sie selbst in ein Röhrchen stecken. Für elektrophysiologische Experimente werden die Schüler Heuschrecken feine Elektroden ins Bein pieken müssen.
Den Chemie-Part wird Prof. Dieter Rewiki auf den Weg bringen. Mit Versuchen aus den Bereichen Licht, Farbe und Riechstoffe sowie natürliche und synthetische makromolekulare Stoffe fangen wir an. Jeweils fünf bis sechs Experimente werden zu einem Themenkomplex und parallel an einem halben Tag durchgeführt. Ein ähnliches und sehr erfolgreiches Projekt der Jerusalemer Hebrew-University stand Pate für NatLab.
Forschen wie ein Student ist eben viel spannender als Frontalunterricht im Schullabor. Ende 2001 soll es losgehen. Für die Schüler könnte der Übergang von der Schule zur Uni dann einmal fast nahtlos sein, denn manche Experimente werden mit einem Schein belohnt, der im Studium angerechnet wird.