Während ihre Freundinnen und Freunde träge in der Sonne am Strand lagen, kamen 25 Berliner und Brandenburger Schülerinnen für eine Woche an die Freie Universität ins Institut für Chemie, um unter dem Motto Farben natürlich und künstlich zu experimentieren. Die Flamingos im Zoo ließen brav ein paar rosa-rote Federn, damit die jungen Wissenschaftlerinnen daraus ebenso wie aus Wildlachs und Möhren die roten Farbstoffe (Carotinoide) isolieren konnten. Das blaue Pigment im Gestein des Lapislazuli wiesen sie nach, synthetisierten den Jeansfarbstoff Indigo und bauten Farbstoffsolarzellen mit Hilfe von Hibiskustee. Mit spektroskopischen Methoden überprüften sie auch die Identität der Farbstoffe.
Vorbei sind die Zeiten, als Chemie noch eine reine Männerdomäne war. 30 Prozent der Studienanfänger sind heute bereits Frauen: Das ist immer noch viel zu wenig, meint Angela Köhler-Krützfeldt, Chemie-Didaktikerin an der FU und Initiatorin der Summer School, denn vor dem Diplom oder der Promotion springen viele wieder ab. In den Führungsetagen der Chemischen Industrie und unter den Universitätsprofessoren muss man Frauen noch mit der Lupe suchen. Anlass genug, den weiblichen Nachwuchs direkt von der Schulbank ins Institut zu locken, um Interesse an einem naturwissenschaftliches Studium zu wecken.
Für einige der 16- bis 18-Jährigen war es nicht die erste Veranstaltung dieser Art. Gesine experimentierte am FU-Institut in der Takustraße schon mit Kunststoffen und Lebensmitteln. Bereits zweimal nahm sie am Bundeswettbewerb Jugend forscht teil. Katharina besuchte die Schüler-Technik-Tage der TU, Linda Veranstaltungen der Chemischen Schülergesellschaft an der Humboldt-Universität. Rund 100 deutsche Universitäten werben in den Semesterferien um den naturwissenschaftlichen Nachwuchs zunehmend auch gezielt um Frauen.
Wenn Salzgurken glühen...
Angela Köhler-Krützfeldt leitet seit 1997 kommissarisch den Lehrstuhl für Didaktik am Institut für Chemie. Mit Lehrerfortbildungen und Praktika für Mittel- und Oberstufenschüler hat sich die Studienrätin, die gerade selbst ihre Promotion an der Universität Dortmund abschließt, bereits über die Grenzen Berlins hinaus einen Namen gemacht. Schon sehr früh kann man bei Kindern die Neugier auf Naturwissenschaften mit einfachen Experimenten wecken, meint sie. Und so verwundert es nicht, dass es manchmal schon Grund- und Vorschüler sind, die es vor Staunen von den Sitzen reißt, wenn im Hörsaal eine Salzgurke zu glühen beginnt durch Anlegen von elektrischer Spannung.
Vom Institut werden die Schülerprojekte tatkräftig unterstützt. Eigens für die Summer School konzipierten sechs Professoren kleine Vorlesungen rund um das Thema Farbe. Was ist Farbe überhaupt? Wie setzen sich anorganische Pigmente zusammen? In die Organische Chemie führten Vorträge über Farben, die leuchten und Vom Naturfarbstoff zu Bildschirmfarben.
Was gefiel den Teilnehmerinnen am besten? Endlich konnten wir mal am Stück hintereinander arbeiten und hatten immer kompetente Ansprechpartner zur Seite. Und das mit den Spektren war toll, meint Gesine, die später Chemie studieren möchte. Beeindruckend, wie komplex und vielfältig Chemie doch ist, war das Resümee von Anna. Linda war am meisten von der Vorlesung Farben des Lebens fasziniert. Prof. Ralf Erdmann erläuterte hier auf sehr hohem Niveau die Bedeutung des Pigments Retinal für den Sehprozess. Anschließend zeigte er, was sich in einer lebenden Zelle alles beobachten lässt, wenn man zuvor das grün-fluoreszierende Protein einer Qualle an bestimmte Zellbestandteile heftet. Ein kleiner Vorgeschmack auf das Biochemiestudium, dass Linda anstrebt.
Der Enthusiasmus, mit dem die Schülerinnen am Ende der Woche ihre Forschungsergebnisse präsentierten lässt keinen Zweifel daran: Die meisten werden wiederkommen ob zu weiteren Kursen oder bald als eingeschriebene Studentinnen. Damit ginge sicher nicht nur eine Hoffnung des Instituts, sondern auch des Verbandes der Chemischen Industrie (Region Nordost), der als Sponsor das Projekt unterstützte, in Erfüllung. In den nächsten Jahren drohen große Lücken in Industrie und Hochschule. Grandiose Berufsaussichten also für die Absolventinnen der Summer School.
Catarina Pietschmann