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Ausstellung im Botanischen Museum zeigt die wahre Herkunft des Kulturapfels

Eva im Paradies kostete vom „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ (1 Mose 2, 17), womit aber kein konkreter Baum gemeint war. So verwundert es nicht, dass sich in der christlichen Ikonographie gleich zwei Traditionen entwickelt haben: eine ältere, im östlichen Mittelmeergebiet beheimatete setzt den Baum der Erkenntnis mit der Feige (Ficus carica L.) gleich, wobei auf die unmittelbar anschließende Textstelle Bezug genommen worden sein dürfte – „Da gingen beiden [Adam und Eva] die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz“

(1 Mose 3, 7). Diese Interpretation ist plausibel, weil im Entstehungsgebiet des ersten Buches Mose die Feige natürlich vorkommt. Demgegenüber interpretiert eine jüngere, erstmals auf der Apenninhalbinsel und dann in Mittel-, Nord- und Westeuropa anzutreffende Tradition den „Baum der Erkenntnis“ als den Apfel (Malus pumila; syn. Malus domestica), der aber hier kein Bestandteil der natürlichen Vegetation ist. Beginnend mit dem Mittelalter ist der Apfel aus der mitteleuropäischen Kunst christlicher Prägung nicht mehr wegzudenken, wozu zahlreiche Darstellungen von Adam und Eva im Garten Eden beigetragen haben.

Die Wilden aus dem Alatau

Woher der Apfel wirklich stammt, zeigt eine Ausstellung im Botanischen Museum Berlin-Dahlem, die unter dem Titel „Äpfel – Mythos, Eros, Wissenschaft“ am 7. September 2001 ihre Pforten öffnete und noch bis zum 3. Februar 2002 andauert. Lange Zeit hatte man vermutet, die heute weltweit kultivierten Äpfel wären als Hybriden zwischen verschiedenen, im nördlichen Eurasien wild vorkommenden Arten entstanden. Wie erst seit wenigen Monaten mit Sicherheit bekannt, ist dem aber nicht so: molekulargenetische Untersuchungen im Department of Plant Sciences der Universität Oxford haben gezeigt, dass einzig der Wildapfel Malus sieversii weitestgehende genetische Übereinstimmung mit dem Kulturapfel besitzt. Das natürliche Verbreitungsgebiet dieses Wildapfels befindet sich in einigen bis heute nur unzureichend erforschten Gebirgen Mittelasiens, unter ihnen der Dsungarische Alatau, wo die englische Forschergruppe fündig wurde. Kurz gesagt, Evas Äpfel sind Grüße aus Kasachstan - ein spacer in der rDNA im Zellkern und die matK-Region im Genom der Chloroplasten beweisen das. Wegen ihres saftigen Fruchtfleisches – ungewöhnlicherweise aus Achsengewebe gebildet – werden die Wildäpfel in ihrer Heimat regelmäßig von Großsäugetieren, etwa Bären, gefressen, die Samen, manchmal sogar noch ganze Äpfel, wieder ausgeschieden, und die Pflanzen auf diese Art und Weise verbreitet. So haben Säugetiere zur Ausweitung des Areals von Malus sieversii wesentlich beigetragen.

In unmittelbarer Nähe zu den mittelasiatischen Gebirgen verlaufen Handelswege, die bereits in der Jungsteinzeit benutzt und Jahrtausende später zum Transport der chinesischen Seide nach Westen verwendet wurden, so dass man heute diese weitverzweigten Verkehrsverbindungen in ihrer Gesamtheit Seidenstraße nennt. Alles deutet darauf hin, dass beim Transfer der Äpfel und auch des Wissens um Apfelkultur und Apfelveredlung die Seidenstraße eine wichtige Rolle spielte.

Alma-Ata: Vater der Äpfel

Bezeichnenderweise liegt an einer dieser Handelswege die Hauptstadt Kasachstans Alma-Ata, was übersetzt „Vater der Äpfel“ bedeutet. In allen Turksprachen heißt der Apfel einheitlich „alma“, das heißt in einem riesigen Gebiet entlang der Nordroute der Seidenstraße - von der nordwestchinesischen Provinz Qinghai bis Istanbul. Erstaunlicherweise findet sich dieser Name auch in sämtlichen mongolischen Sprachen und, etwas weniger überraschend, im Ungarischen.
Zwar werden Äpfel in Mitteleuropa schon seit vielen Jahrhunderten gepflanzt, ihren Höhepunkt erreichten Apfelkultur und Apfelzucht aber erst im frühen neunzehnten Jahrhundert. Damals kam es in Mode, zahlreiche Sorten zu kultivieren, was zu einer Explosion an Sortennamen, Obstbauzeitschriften und Obstbauvereinen führte. Um Apfelsorten zu dokumentieren wurden nicht nur Illustratoren beauftragt, naturgetreue Wasserfarbenmalereien von blühenden und fruchtenden Apfelzweigen herzustellen, sondern auch Modellbauer. Aus den verschiedensten Materialien – aus Wachs, Gips, Papiermaché, Holz – fertigten sie genaue Apfelmodelle an, die von den Vorbildern nicht zu unterscheiden sind.

Einzigartige Modelle

Nie wurde irgendwo eine auch nur annähernd vergleichbare Zahl an Apfelmodellen gezeigt wie in den kommenden vier Monaten im Botanischen Museum Berlin-Dahlem. Sie stammen aus dem Naturhistorischen Museum der Benediktinerabtei Admont, dem Moravské Muzeum Brno, dem Deutschen Gartenbaumuseum Erfurt und dem Museum der Natur Gotha. Viele haben an der Herstellung dieser Modelle mitgewirkt: in Brno schnitzte Josef Rulisek Äpfel aus Lindenholz, in Olbernhau im Erzgebirge überzog Walter Dürfeld Papiermaché mit Gips, in Gröbming in der Steiermark bossierte Pater Constantin Keller Äpfel aus Wachs, in Weimar bemalte Christiane Vulpius Hohlformen aus Wachs für die Manufaktur Bertuch. Mit ihren Sortennamen beschriftet und im Maßstab 1:1 angefertigt vermitteln diese Modelle etwas von jener Faszination, der schon Eva im Paradies erlegen war.

Prof. Dr. Hans-Walter Lack

Der Autor ist Direktor am Botanischen Garten
und Botanischen Museum Berlin-Dahlem

Botanisches Museum Berlin-Dahlem, Königin-Luise-Str.6-8,
bis zum 3. Februar 2002,
täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr,
Eintritt: 2, - DM, kombiniert mit Garteneintritt: 8, - DM,
Plakat: 5, - DM.

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