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Freie Universität als Stiftung(?) und Interview mit Prof. Dr. Heintzen


Freie Universität als Stiftung?

Das Thema gehört zu den "Wiedergängern" in der Berliner Hochschulpolitik: die Idee, eine der drei Universitäten von einer Körperschaft öffentlichen Rechts zu einer Stiftung umzuwandeln. Offenbar sind es vor allem Reiseeindrücke aus den USA, die dem einen oder anderen Wissenschaftspolitiker diesen Gedanken nahelegen - eine Hochschule, die nicht in die Fesseln des öffentlichen Dienstrechts geschlagen ist, nicht alle Entscheidungen durch eine Vielzahl von Gremien bringen muß und von ihren Studenten Studiengebühren nehmen darf, scheint viel eher in der Lage, wissenschaftliche Spitzenleistungen zu erbringen, das belegen in jedem Herbst die Nobelpreise.

Es waren Klaus Landowsky und Monika Grütters, die das Thema in den letzten Jahren immer wieder aufbrachten. Das Modell, wie es Grütters in den Positionen der CDU für eine "zukunftsorientierte Hochschul- und Forschungspolitik" formuliert hat: Das Land Berlin sichert zu, den Staatszuschuß an diese "Stiftung öffentlichen oder privaten Rechts" auf 20 Jahre weiter zu zahlen, in derselben Höhe wie bislang an die Universität als Körperschaft öffentlichen Rechts - von privatem Kapital in dieser Stiftung ist fürs erste nicht die Rede. Die Universität kann auch weiterhin Fördermittel des Bundes aus der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau in Anspruch nehmen.

Dagegen würde die FU aus dem öffentlichen Dienst- und Haushaltsrecht herausgenommen und erhielte die Möglichkeit, "sozialverträgliche Studiengebühren" zu erheben. Mit diesem Organisationsmodell sollen "Staatsferne" und "Eigenverantwortung" gestärkt werden, so die CDU. Um die Verbindung mit der staatlichen Hochschulpolitik dennoch nicht gänzlich zu kappen, müßten Regierung und Parlament im Stiftungsbeirat vertreten sein.

Näher betrachtet, hat der Vorstoß einiges von Verzweiflung an sich: Das deutsche Hochschulrecht gilt als derart untauglich für die Wissenschaft, daß man es unbedingt abstreifen müßte; nur ändern kann man es leider auch nicht - hierfür fehlen die politischen Mehrheiten. Also bleibt nur die Möglichkeit, wenigstens eine der drei Berliner Universitäten durch das Zaubermittel "Stiftungsrecht" aus dem System herauszunehmen. Daß es nur eine sein soll, erklärt sich vermutlich durch § 58 des Hochschulrahmengesetzes: Danach sind Hochschulen in der Regel Körperschaften des öffentlichen Rechts und staatliche Einrichtungen; nur ausnahmsweise können sie auch in anderer Rechtsform errichtet werden.

Für diese "Ausnahme" hat Grütters sich die Freie Universität ausersehen. Darin liegt eine Abkehr von dem Kurs, den Wissenschaftssenator Manfred Erhardt Mitte der neunziger Jahre verfochten hatte (die Humboldt-Universität als Eliteuniversität von internationalem Rang, die FU ergänzend für die großen Massenfächer), aber auch eine Absage an die Politik, die dann von Peter Radunski bis zu Christoph Stölzl verfolgt wurde (gleiche Kürzungen für alle, ob in Ost oder West).

Ganz unverhofft tauchte das Thema "FU als Stiftungsuniversität" in der Liste von Sparideen auf, die Bürgermeister Eberhard Diepgen und Finanzsenator Peter Kurth kurz vor dem Regierungswechsel an die Öffentlichkeit gebracht haben. Der Vorschlag soll eben nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Hochschulmarkt verbessern, sondern auch dem Berliner Haushalt aufhelfen: "Der Staat allein kann eine leistungsstarke Ausbildung mit den vorhandenen finanziellen Ressourcen schon lange nicht mehr gewährleisten", stellt Grütters fest.

Von den anderen Parteien denken nur die Freien Demokraten in diese Richtung: "In einem Modellprojekt will die F.D.P. die Freie Universität einschließlich des Klinikums Steglitz als Stiftungsuniversität privatisieren", heißt es in den "18 Punkten" für die Wahl zum Abgeordnetenhaus. Ansonsten findet der Vorschlag keinen Beifall. Zwar freundet sich auch die SPD mit dem Gedanken an, daß der Staat sich von gewohnten Aufgaben trennen müßte (so unlängst Schulsenator Klaus Böger bei einer Diskussionsveranstaltung in der FU); aber die Hochschulen will man in der alten Form einer Körperschaft öffentlichen Rechts belassen. "Es geht gar nicht um eine Stiftung", macht der wissenschaftspolitische Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Abgeordnetenhaus, Peter Schuster, seinem Unmut Luft, "es handelt sich darum, mit staatlichen Geldern eine kleine und feine Elitehochschule aufzuziehen - ohne Mitbestimmung, dafür aber mit Studiengebühren".

Mit Grütters Wünschen zu einer "Deregulierung" geht auch Benjamin Hoff von der PDS hart ins Gericht: "Es ist nicht einzusehen, warum sich der Gesetzgeber dafür einsetzen sollte, faktisch rechtsfreie Räume zu schaffen." Auch den Blick auf das amerikanische Vorbild hält Hoff für Augenwischerei: Trotz der erheblichen Zuschüsse vom Staat werden amerikanische Eliteuniversitäten zu einem großen Teil von privatem Engagement getragen. Seine Befürchtung: Mit einer Sonderstellung der FU würde der Wettbewerb zwischen den Berliner Hochschulen verzerrt. Zwar ist in dem Modell vorgesehen, daß der Staat mit der FU wie mit den anderen Hochschulen "Ziele und Leistungen" vereinbart, zugleich aber wird die Zuschußsumme auf zwei Jahrzehnte vertraglich "festgeschrieben". "Das Modell einer zu 100 % staatlich finanzierten Stiftungshochschule bleibt unklar", zieht Hoff das Fazit.

Josef Tutsch


Interview mit Prof. Dr. Heintzen

Zu den Möglichkeiten und Grenzen eines solchen Experiments im folgenden ein Interview mit Markus Heintzen, Professor für Öffentliches Recht an der Freien Universität.

Tutsch: Herr Heintzen, da sich in Berlin zur Zeit alles ums Sparen dreht - könnte das Land mit einer "Stiftungsuniversität" Geld einsparen?

Heintzen: Stiften und sparen - das kann ich schwer in einem Satz unterbringen. Aber lassen Sie mich zunächst nachfragen - um welche Art von Stiftung geht es, die öffentlichen Rechts oder die privaten Rechts?

Tutsch: Die Idee ist offenbar aus den USA übernommen; worum handelt es sich denn bei den berühmten Universitäten dort?

Heintzen: Die großen Universitäten entsprechen wohl eher unseren Stiftungen privaten Rechts. Also: Für eine privatrechtliche Stiftung braucht man zunächst einmal viel Geld, nämlich ein Stiftungsvermögen, das dann nicht mehr angetastet werden darf. Aus den Erträgen, sagen wir sehr optimistisch 10 % pro Jahr, werden die laufenden Ausgaben gedeckt. Bei einer Universität von der Größe der FU müßte das Vermögen somit ca. 7 Mrd. DM betragen.

Tutsch: In der Tat, sehr viel Geld, etwa der Betrag, den die Banker des Landes Berlin gerade in den Sand gesetzt haben.

Heintzen: Können Sie sich vorstellen, daß die Berliner Landeskasse diese Summe mal eben locker macht? Da Berlin zur Zeit gern nach Hilfe durch den Bund ruft, will ich gleich hinzusetzen: Der Bund darf das Geld nicht zur Verfügung stellen, das gibt die Rahmengesetzgebungskompetenz nicht her. Natürlich kann man darauf hoffen, daß sich auch private Stifter anbieten; aber gleich 7 Mrd., und zwar für Universitäten, die gewohnheitsmäßig als öffentliche Aufgabe angesehen werden? Sie wissen ja, wie schwierig es sein kann, privates Geld für eine einzige Stiftungsprofessur einzuwerben, selbst in Fächern, wo die Wirtschaft an der Ausbildung großes Interesse haben müßte, wie z. B. im Steuerrecht.

Tutsch: Ließe sich dem nicht durch höhere steuerliche Freibeträge abhelfen?

Heintzen: Das will ich nicht ausschließen; aber man darf sich da nicht in die Tasche lügen: Über die Steuerausfälle, die sich ergeben, wären die Stiftungen zum Teil doch wieder öffentlich finanziert. Nebenbei bemerkt: Mit einer privatrechtlichen Stiftung verabschiedet das Land sich von dieser Universität als einer öffentlichen Aufgabe. Würde das Land Baden-Württemberg, das soviel Geld vermutlich aufbringen könnte, das mit der Universität Heidelberg machen?

Tutsch: Vielleicht versuchen wir es doch einmal mit der anderen Rechtsform, der Stiftung öffentlichen Rechts.

Heintzen: Da ist es mit dem Kapital weniger schwierig, das Abgeordnetenhaus müßte die Summe nicht auf einen Schlag hinterlegen, sondern könnte in seinem Stiftungsgesetz einen bestimmten Geldbetrag jährlich zusagen, müßte sich allerdings verpflichten, bei Zahlungsunfähigkeit der Stiftung haftend einzutreten. Außerdem bestünde die Möglichkeit, Sachwerte in das Vermögen einzuberechnen (ich sehe davon ab, daß darüber gestritten werden müßte, welchen Immobilienwert z. B. die Rost- und Silberlaube hat). Ich bezweifle aber, daß an einer öffentlich-rechtlichen Stiftung jemand großes Interesse hätte.

Tutsch: Wieso?

Heintzen: Eine solche Universität wäre weiterhin Teil des öffentlichen Dienstes, nicht anders als etwa die Stiftung Preußischer Kulturbesitz - nichts mit mehr Flexibilität. Und Studiengebühren dürfte sie nicht erheben, weil das Verbot im Berliner Hochschulgesetz auch für eine öffentlich-rechtliche Stiftungsuniversität gelten müßte. Das Land hätte also nicht einmal die Aussicht, das Geld, das zunächst einmal aufgewendet werden muß, demnächst über Gebühren wieder hereinholen zu können.

Tutsch: Also gar kein Vorteil gegenüber der jetzigen Konstruktion?

Heintzen: Es könnte immerhin sein, daß ein Stiftungsmodell den sachlichen Erfordernissen einer Hochschule eher entgegen kommt als die gewohnte Körperschaft öffentlichen Rechts. Da müßte allerdings vieles erst noch durchdacht werden; schließlich gibt es zum Thema "Stiftungsuniversität" in Deutschland noch keinerlei Erfahrungen und übrigens auch keine Literatur. Nehmen Sie nur die Gruppenuniversität: Die Mitglieder der Körperschaft Universität sind in Gruppen eingeteilt, und denen sind abgestufte Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte zugeteilt. In einer Stiftung gäbe es keine Mitglieder und Gruppen - wie sollte man also gewährleisten, daß die Studenten überhaupt irgend einen Einfluß auf den Lehrbetrieb haben?

Tutsch: Sie über Studiengebühren mit einer Art "Kundenmacht" auszustatten, wäre ja, wie Sie bereits dargestellt haben, bei einer Stiftung öffentlichen Rechts derzeit gar nicht möglich ...

Heintzen: Noch ein Beispiel: das Kapazitätsrecht. Ob nun als Körperschaft oder als Stiftung, eine öffentlich-rechtliche Universität hat in jedem Fach je nach Zahl des wissenschaftlichem Personals eine bestimmte Zahl von Studenten auszubilden, und dann wird es mit den Spitzenergebnissen in der Forschung eben schwierig.

Tutsch: Das bedeutet: eine Stiftung öffentlichen Rechts führt nicht zu den gewünschten "amerikanischen" Verhältnissen, und eine Stiftung privaten Rechts ist nicht finanzierbar ...

Heintzen: Selbst wenn sie finanzierbar wäre, gäbe es beim Übergang einige Probleme. Professoren sind heute zum allergrößten Teil Beamte; sie würden sich nicht so ohne weiteres ins Angestelltenverhältnis überführen lassen. Ich erinnere an die Lösung, die vor einigen Jahren der Bund gefunden hat, als Bahn und Post privatisiert wurden: Die neuen privaten Firmen haben in ihrem übernommenen Personal Beamte! Die Konstruktion ist reichlich inkonsequent, war aber politisch kaum zu vermeiden; man hat hierzu sogar das Grundgesetz geändert. Das heißt analog: Um die FU zur Stiftungsuniversität privaten Rechts zu machen, müßte das Abgeordnetenhaus mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Landesverfassung novellieren. Ich warne aber generell vor dem Versuch, Sachfragen - Wie komme ich zu höheren wissenschaftlichen Leistungen, modisch ausgedrückt: zu mehr Exzellenz im Hochschulwesen? - durch Organisationsänderungen beantworten zu wollen. Dadurch würden erhebliche Arbeitskapazitäten gebunden; der sachliche Ertrag steht dazu oft in keinem angemessenen Verhältnis.

Die Fragen stellte Josef Tutsch.

(erschienen im DEFO-Info Nr. 44 vom WS 2001 / 2002)



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