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Wir haben (k)ein Ziel! - Ein Gespräch mit VP1 Prof. Dr. Dieter Lenzen

Prof. Dr. Dieter Lenzen
geboren 1947 in Münster (Westfalen)
Familie verheiratet, drei Kinder
Hobbys Jogging, Wassersport
Studium Erziehungswissenschaft, Philosophie, Deutsche, Englische und Niederländische Philologie in Münster, 1970 M.A.
1973 Promotion zum Dr. phil.
1975 Professor an der Universität Münster
1975/76 Dekan an der Universität Münster
seit 1977 Professur für Erziehungswissenschaft an der Freien Universität Berlin
1992-1995 Dekan des FB Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften
1994-1998 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft
seit 1999 Erster Vizepräsident der FU


DEFO: Die erste Frage ist etwas globaler gefasst. Was bedeutet die Einführung der Kosten-Leistungsrechnung (KLR) für die Universität? Unter diesem Begriff können sich sicher nur sehr wenige Studierende etwas vorstellen.

Lenzen: Öffentliche Einrichtungen werden normalerweise nach kameralistischen Prinzipien budgetiert. Das heißt, dass es einen Haushaltsantrag an das Landesparlament gibt, in dem in sehr differenzierter Weise notiert ist, was eine Einrichtung alles benötigt, und das Parlament entscheidet dann, ob sie das wirklich benötigt. Es werden dann die Mittel zugewiesen und genau dafür ausgegeben. KLR ist ein Element einer veränderten Haushaltsrechnung. Der Einrichtung wird ein Globalhaushalt zugewiesen. Sie stiftet aber in größerem Maße Freiheiten, mit diesen Mitteln in entsprechender Weise umzugehen. Das bedeutet natürlich, dass man sie nicht nach dem Gießkannenmodell verteilen kann, sondern man sich überlegen muss, wie man mit den immer geringer werdenden Mitteln möglichst weitgehende Effekte erzielt. Dazu sind KLRen ein Mittel unter weiteren. Im Grunde wird so etwas wie eine Minimum-Maximum-Rechnung gemacht und geschaut, in welcher Form von der Universität gewünschte Leistungen durch die Aufbringung welcher Kosten erbracht werden können. Das Ziel ist natürlich Kostenminimierung und Leistungsmaximierung.

DEFO: Können sie noch einmal kurz die Veränderungen für die Fachbereiche und die Universität zusammenfassen ?

Lenzen: Es ist so, dass man ökonomisch eigentlich unterscheidet zwischen Kostenstellen, Kostenträgern und Kostenarten. An einem Beispiel heißt das, wenn man irgendeinen Bleistift kauft, dann repräsentiert der Bleistift eine Kostenart - die Art Bleistift; also Schreibwerkzeuge. Ich habe dann eine Kostenstelle, das heißt, ich muss irgendwo schauen, wo ich die Kosten für den Bleistift notiere, sagen wir für das Institut XY-Wissenschaft. Dann gibt es Kostenträger. Das ist das Interessanteste, nämlich zu fragen, wozu ist das eigentlich notwendig, dass dieser Bleistift gekauft wurde und wem rechnen wir das eigentlich zu. Rechnen wir diesen Kauf des Bleistifts einer Forschungsleistung zu, dann wird diese teurer, rechnen wir den Kauf einem Absolventen zu, wird dieser teurer. Was bedeutet dies für die Fachbereiche? Die Fachbereiche müssen sich nun überlegen, wie sie bei der Produktion ihres Outputs - ökonomisch argumentiert - mit diesen Mitteln umgehen wollen. Wir haben uns entschieden, eine Kostenträgerrechnung nicht zu machen, weil das sehr schwierig ist in einer akademischen Einrichtung. Es hat keinen Sinn, Forschung und Lehre so zu unterteilen, dass man sagt, der halbe Bleistift wird einem Absolventen zugerechnet und der andere halbe wird einer Forschungsleistung zugerechnet. Für die Fachbereiche heißt das, kostenbewusster mit Mitteln umzugehen. Und kostenbewusst heißt leistungsorientiert damit umzugehen und so die Mittel dort unterzubringen, wo die Leistungen aufgrund des Einsatzes von Mitteln erwartet werden können.

DEFO: Wie sehen die Schritte auf dem Weg zur Umsetzung dieses Plans?

Lenzen: Die Schritte sind vielfältig. Wir haben zu Beginn dieses Jahres eine Kommission ins Leben gerufen - die Planungsgruppe KLR. Daneben gibt es eine Arbeitsgruppe auf der Verwaltungsebene, die diese Kommission begleitet. Die Kommission hat die Aufgabe, den Vorschlag, den die Firma Kienbaum für uns gemacht hat, nämlich die Einführung dieser KLR, mit bestimmten Parametern und Einzelentscheidungen vorzubereiten. Zu diesem Zweck hat die Kommission sämtliche Fachbereiche und Einrichtungen angehört, weil abzuschätzen war, welche Elemente des Budgets künftig welche Leistungen abdecken sollen. Die Firma Kienbaum hat vorgeschlagen, fünf Budgetteile zu unterscheiden, nämlich einmal ein Grundbudget der Universität, da befinden sich alle zentralen Kosten drin. Dann ein Innovationsbudget, welches zentral anzusiedeln ist, wird ein Bestandteil des Haushaltes sein, aus dem man Innovationen für die Universität gesamt finanzieren kann, die einmalig sind und keine dauerhaften Kosten verursachen dürfen. Es gibt drei Elemente, die sich eher auf die Fachbereiche beziehen. Das ist einmal ein sogenanntes Grundbudget für Fachbereiche. Beispielsweise ist es so, dass jeder Fachbereich eine Bibliothek haben muss, also gehört dies in ein Grundbudget. Des weiteren gibt es zwei Leistungsbudgets. Das eine ist das Leistungsbudget I, das enthält eine ex-post-Rechnung von Leistungen. Was heißt das? Es wird auf Grund vorwegdefinierter Leistungsstandards und Leistungsparameter gemessen, was jeder Fachbereich an Output produziert hat und dementsprechend zugeordnet, wie sein Anteil an der Gesamtleistung der Universität ist. Das fünfte Teilbudget ist das Leistungsbudget II. Darin werden sich die Mittel befinden, die im Rahmen von Zielvereinbarungen auf die Fachbereiche vergeben werden, denn das Instrument der Zielvereinbarungen ist ein Bestandteil der Kostenleistungsrechnung. Das Leistungsbudget I ist nicht neu. Die Freie Universität hat bereits seit 10 - 15 Jahren einen kleinen Teil des Haushaltes an die Fachbereiche über solche Leistungsmittel vergeben. Wir liegen jetzt ungefähr bei zwanzig Prozent des Titelverbundes, den wir darüber vergeben, und werden dies über die Zeit vergrößern. Die Parameter, die sich darin befinden, waren ursprünglich sehr wenige, nämlich Drittmitteleinwerbung, Promotionen, Habilitationen und Absolventenzahlen. Diese Zahl der Parameter wird sich erhöhen müssen, weil der Senat von Berlin den Universitäten des Landes eigene Leistungsparameter vorgegeben hat, nach denen wiederum das Land Berlin Mittel auf die Universitäten leistungsorientiert verteilt. Wir müssen also soweit wie möglich diese Parameter selbst umsetzen, damit wir die Leistungen in den Fachbereichen erbringen, für die die gesamte Universität mehr Geld oder auch weniger bekommt. Diese Leistungen werden regelmäßig gemessen und dann entsprechend in die Rechnung mit einbezogen. Darunter befinden sich jetzt auf Wunsch des Senates von Berlin im Bereich der Lehre insbesondere solche Parameter, die etwas mit der Studiendauer zu tun haben.

Das Leistungsbudget II, das für die Zielvereinbarungen herangezogen wird, dient eigentlich dazu, pointiert in Gesprächen mit den Fachbereichen Leistungen zu stimulieren. Es wird also eine Mittelverteilung im vorhinein sein. Wo man sagt, dass wir mit den Fachbereichen reden und fragen, was haben sie eigentlich vor, zur Verbesserung ihrer Leistungen zu tun. Es kann sein, dass ein Fachbereich sagt, wir würden gerne die Studiendauer verringern, dazu bräuchten wir ein Mentorensystem für die Studierenden. Das können wir nicht aus eigenen Mitteln anfinanzieren, könnt ihr als Zentrale dies über zwei Jahre machen und dann machen wir eine Evaluierung und schauen, ob das greift. Ein überzeugendes Beispiel würde man in einer Zielvereinbarung festlegen, weiterhin was erwartet wird - und entsprechend budgetieren für diesen Zweck. Nachher würde man messen, ob dabei wirklich Effekte herausgekommen sind.

Diese doppelte Leistungssteuerung ex ante und ex post soll also sehr stark stimulierend sein, der Universität eine erfolgreiche Richtung geben. Das Ganze hängt nun wiederum davon ab, daß man sich fragt, was ist eigentlich die Philosophie dieser Richtung, von Außengrößen, was der Senat von Berlin vorgibt, aber sicher auch von selbst gesteckten Zielen, also Profilzielen.

DEFO: Welche Ziele steckt sich die Universität noch selbst - außerhalb der vorgegebenen Ziele?

Lenzen: Der Spielraum ist aufgrund der Außenfaktoren kleiner geworden. Die Universität hat im Grunde zwei Möglichkeiten, selbstgesteckte Ziele zu verfolgen. Das eine wären Ziele, die in einem sehr allgemeinen Sinne einem Leitbild folgen; ob diese sich direkt haushaltspolitisch auswirken, mag man bezweifeln. Aber das Wesentliche sind eigentlich Profilziele in Forschung und Lehre. Also nehmen wir mal an, eine Universität setzt auf einen bestimmten Typ von Bioinformatik oder wir wollen Genomforschung, Demokratieforschung, Widerstandsforschung oder Internationales Recht machen, dann ist dies eine Entscheidung, die Konsequenzen haben muss. Insbesondere im Rahmen der Zielvereinbarungen müssen Mittel bereitgestellt werden, um dieses auch zu tun, um das Profil zu schärfen, um einem Fachbereich oder mehreren die Chance zu geben, das umzusetzen.

DEFO: Gibt es in der Universitätsleitung dazu schon konkrete Ziele?

Lenzen: Nein. Dem ist ein Prozess vorangegangen. Es ist so, dass der Wissenschaftsrat bei der Begutachtung, insbesondere der Geistes- und Sozialwissenschaften, deutlich verlangt hat, dass Profilierungen stattfinden sollen. Daraufhin hat der Senat von Berlin eine Reihe von zusätzlichen Expertenkommissionen eingesetzt, die ihre Voten abgeben mussten. Das letzte ist vor zwei Wochen eingetroffen, nämlich für die regionalwissenschaftlichen Institute. Jetzt muss die Universität aufgrund dieser Expertengutachten entscheiden, wie sie die Schwerpunkte, zumindest in den monierten Fächern, korrigieren, verändern oder schärfen will. Das ist der ganze Bereich der Lehrerausbildung, Erziehungswissenschaften, Psychologie, Recht, Wirtschaftswissenschaften und alle Regionalwissenschaften. Dieser Prozess steht uns jetzt bevor und wir werden ihn im Verlauf des nächsten Jahres zu Ende bringen müssen, um die Konsequenzen für die KLR zu ziehen.

DEFO: In Ihrem Artikel (FU-News 05/2001) sagen sie, dass es zu großen Verwerfungen bei der Umsetzung kommen kann. Welche konkreten Gefahren sehen Sie?

Lenzen: Wenn man ad hoc Leistungsparameter einführt, die bisher nicht gegolten haben, und dann Proberechnungen macht, stellt man sehr schnell fest, dass es sein kann, dass ein Fachbereich eine Million Mark verliert zugunsten eines anderen. Das kann nicht sein. Die neuen Leistungsparameter müssen eine Zeit lang gelten, damit die Fachbereiche die Chance haben, sich darauf einzustellen und um zu vermeiden, dass durch die Umstellung ein Fachbereich ökonomisch so schlecht gestellt wird, dass er nicht mehr weiter existieren kann.

DEFO: Sie haben die Zielvereinbarungen als Mittel für die Belohnung zukünftiger Aufgaben angesprochen. Wie soll die Beteiligung aller Statusgruppen bei der Erstellung und Durchsetzung erreicht werden?

Lenzen: Wir erwarten von den Fachbereichsdekanaten, dass sie selbst mit ihren Einheiten Zielvereinbarungen festlegen. Es hat wenig Sinn, dass der Dekan verspricht, was seine Kollegen halten müssen. Insofern muss er auf der Ebene des Fachbereichs das Gleiche tun. Die Beteiligung der Statusgruppen muss auf der Fachbereichsebene geschehen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Indem beispielsweise in den Instituten bei der Festlegung, was ein Arbeitsbereich künftig tun will, in Forschung und Lehre eine solche Beteiligung stattfindet. Es kann aber auch im Fachbereichsrat sein. Die Fachbereiche verfahren da offensichtlich unterschiedlich. Einige Dekanate haben gewissermaßen pro cura diese Entscheidungen getroffen. Andere Dekanate betreiben eine Rückversicherung bei den Fachbereichsräten. Rechtlich ist es so, dass der Dekan oder das Dekanat im wesentlichen entscheiden kann.

DEFO: In einigen Fachbereichen schließt das Dekanat Zielvereinbarungen ab, die nicht eingehalten werden. Welche Möglichkeiten der Sanktionen für Verstöße gegen die Zielvereinbarungen sollen eingeführt werden?

Lenzen: Das ist ein schwieriges Problem, das übrigens auch Firmen haben. Die Firmen können dies über die Beteiligung eines Bereichs am Gewinn lösen. Dies können wir natürlich nicht, weil wir nichts gewinnen, sondern nur etwas kosten. Mit anderen Worten: Sanktionierungsmechanismen sind sehr schwierig. Wir haben jetzt vorgeschlagen, dass zu tun, was wir als die vorherige Vereinbarung einer Sanktion betrachten. Das heiß, wenn ein Fachbereich etwas nicht tut, was er verspricht, dann muss dies Konsequenzen bei der Zuweisung von Mitteln etwa in der nächsten Runde haben oder es müssen Mittel vorgehalten werden, die erst nach Erreichen einer bestimmten Schwelle tatsächlich ausgeschüttet werden. Sonst bewegen wir uns weiter auf der Ebene, auf der bereits die Ankündigungsrhetorik belohnt wird.

DEFO: Da das Dekanat eine solch herausragende Rolle spielt - wäre es nicht eine Möglichkeit, den Studiendekan obligatorisch mit einem Studierenden zu besetzen, um die Studierenden besser zu integrieren.

Lenzen: Ich denke, dass muss ein Fachbereich selbst entscheiden. Man darf natürlich eines nicht übersehen. Die Erwartungen, die wir im Augenblick an einen Studiendekan richten, sind schon so weitgehend, dass sie im Grunde mindestens ein halbes Amt ausfüllen. Wenn sie nur einmal an die Evaluierungen, die Aufbereitung und die Entwicklung von Konsequenzen daraus denken. Dies setzt natürlich einen Sachverstand voraus, den die Studiendekane erst einmal erwerben müssen, da dieses Amt neu ist. Ich habe keinen grundsätzlichen Einwand dagegen, aber ich denke schon, dass bei der hohen Fluktuation bei Studierenden Professionalität nicht gebildet werden kann. Es muss ein richtiges Hauptamt werden. Die Grundvorstellung bei der Umwandlung der deutschen Universität geht dahin, dass die Dekanate - also die Dekane und Prodekane -, ein solches Amt als Hauptamt annehmen und auch entsprechend bezahlt werden und nicht mehr als Professoren bezahlt werden. Daran sehen sie, wie hoch die Einschätzung der Bedeutung dieser Tätigkeit ist. Wenn sie nicht mehr als Professoren tätig sein müssen, dann können es Experten aus allen möglichen Richtungen sein. Es können Ökonomen oder Angehörige anderer Disziplinen sein. Aber man wird doch wahrscheinlich einen Hochschulabschluss zur Voraussetzung machen bei einem solch hochdotierten Amt.

DEFO: In der Übergangszeit könnte die Besetzung mit Studierenden sinnvoll sein, da die Professoren stark überlastet sind und das Interesse teilweise sehr gering ist, so dass es Probleme bereitet, überhaupt einen Kandidaten zu finden.

Lenzen: Ich gehe davon aus, dass Studenten genau so belastet sind wie Professoren. Man muss hier unterscheiden, da hier die Wahrnehmung von Interessen im Vordergrund steht. Diese muss man in Gremien oder in der Kommunikation mit Personen wahrnehmen. Das Andere ist die Wahrnehmung von Dienstverpflichtungen. Der Studiendekan ist beispielsweise der Dienstvorgesetzte in Bezug auf die Lehre der Professoren. Dazu können sie nun keinen Studenten machen, der kein Beamter ist und entsprechend so eine Funktion auch nicht wahrnehmen kann.

DEFO: Das Leistungsbudget I wird nach verschiedenen Kriterien verteilt, hierbei bildet die Lehre einen Unterpunkt. Es findet zwar die Bemühung um die Verkürzung der Studienzeiten entsprechend dem Vorschlag der Planungskommission Berücksichtigung, warum aber bleiben die Veranstaltungen und ihre Qualität als wichtigster Punkt für die Studierenden außen vor?

Lenzen: Diese Aufstellung ist ein Vorschlag, der aus der Planungskommission hervorgegangen ist, die damit selbst die Vorschläge der Fachbereiche umsetzt. Die Lehrqualität ist etwas, was sehr schwer in quantitative Parameter umsetzbar ist. Ich würde es deshalb bevorzugen, so etwas nicht ex post sondern eher ex ante zu beurteilen. Wenn ich weiß, dass in einem Fachbereich ein Qualitätsdefizit besteht, dann gebe ich lieber in den Zielvereinbarungen Mittel rein, um das zu verbessern, als im Nachhinein einen ganzen Fachbereich dafür zu bestrafen, dass womöglich bei der Qualität ein schwer messbarer positiver oder negativer Effekt herausgekommen ist. Das Interessante ist, wenn sie sich die Bewertung von Lehrveranstaltung ansehen, dass sich die Bewertungen im Mittelfeld befinden. Das heißt, sie können es gar nicht als rechnerisch ausschlaggebendes Moment verwenden, da es keine Veränderungen nach sich ziehen würde. Wichtig ist, dass der Studiendekan mit einem Lehrenden, der offensichtlich qualitativ ausfällt, ein klärendes Gespräch führt und man über diesen Mechanismus versucht, eine Verbesserung herbeizuführen. Und nicht eine Art Kollektivhaftung herbeigeführt wird, denn dies ist nur sehr schwer zu rechtfertigen. Allerdings kann man das auf der Ebene des Fachbereiches lösen. Da kann man feststellen, ob ein bestimmter Teil bei der Lehre aktiver ist und das besprechen. Zielvereinbarungen heißen nicht, dass Ziele verabredet werden, für die dann Geld bereitgestellt wird. Es können auch Ziele verabredet werden, die gar nichts kosten.

DEFO: Könnte vielleicht die Möglichkeit bestehen, dass die Planungsgruppe diese Aspekte einfach übersieht, da kein Studierender beteiligt ist, und das Hauptanliegen der Studierenden an einer qualitativen Lehre einfach übersehen wird?

Lenzen: Nochmals: Ich glaube, dass an der Universität sehr wohl gesehen wird, dass die Lehrqualität in etlichen Bereichen verbesserungsfähig ist. Ich bin der Auffassung, dass wir davon ausgehen können, dass die Fachbereichsdekane die Parameter, die dort für wichtig gehalten werden, uns auch nennen werden. Das ist bisher nicht immer der Fall gewesen. Kein Fachbereich hat bisher gesagt, wir möchten gerne, dass die Lehrqualität mit einbezogen wird. Insofern konnten wir es auch nicht mit aufnehmen. Aber ich sage es noch einmal: Ich halte es für sehr schwierig, so etwas rechenbar zu machen.

DEFO: Wann wird die Einführung der KLR abgeschlossen sein?

Lenzen: Wir müssen die Empfehlung im Wintersemester fertig haben, so dass wir im wesentlichen im nächsten Jahr umschalten auf die neuen Berechnungsmechanismen. Also ist Jahr 2002 ist nicht nur das Jahr, in dem der Euro kommt, sondern auch die KLR.

DEFO: Ich würde gern noch einige allgemeine Fragen stellen. Wo sehen sie die FU in zehn Jahren - als Außenstelle der HU oder als eigene Kraft in Berlin?

Lenzen: Ich bin der Meinung, dass die ökonomische Situation des Landes es wahrscheinlich nicht erlauben wird, Universitäten und Hochschulen nur aus Staatsmitteln zu finanzieren, wie das im Augenblick der Fall ist. Die Universitäten werden sich zunehmend Gedanken machen müssen, ob sie auf zusätzliche Einnahmequellen abstellen können. Die Freie Universität ist, dass kann man bedauern oder nicht, in die Debatte geraten als mögliche Stiftungsuniversität. Auf der einen Seite sagt man, wenn wir Euch zu einer Stiftungsuniversität machen, dann habt Ihr auch die Freiheit mit dem Geld umzugehen, wie Ihr wollt. Auf der anderen Seite heißt es natürlich auch: "Seht selbst zu, wie Ihr zurecht kommt; von uns gibt es nichts mehr!" Da diese Debatte existiert, bin ich der Überzeugung, dass wir uns ihr stellen und fragen müssen, ob wir Stiftungselemente in die Universität mit hineinnehmen können, um ihre Eigenständigkeit zu sichern. Wenn wir das nicht tun, dann ist die Möglichkeit, Außenstelle einer Humboldt- oder Berliner Universität zu werden, nicht ganz ausgeschlossen. Man kann sich im übrigen auch andere Varianten denken, zum Beispiel ein Zusammenschluss mit der Technischen Universität oder andere Formen des Zusammengehens.

DEFO: Welche Realisierungschancen geben sie dem Vorschlag, aus der Freien Universität eine Stiftungsuniversität zu machen - insbesondere in Hinblick auf die riesigen finanziellen Mittel, die eingesammelt werden müssten?

Lenzen: Wenn Sie eine Universität auf dem bestehenden Kostenniveau weiterführen wollen, brauchen sie zwischen 10 und 15 Milliarden Mark Stiftungskapital. Dieses Stiftungskapital wird aus der Privatwirtschaft definitiv nicht kommen - das ist ganz klar. Niemand hat so viel Geld und ist so wahnsinnig, eine Universität davon zu kaufen, die selbst keine Gewinne machen kann. Eine Stiftungsuniversität müsste zu einem erheblichen Teil, etwa zu 90%, ihr Kapital aus öffentlichen Mitteln bekommen, die einmal oder in größeren Zeiträumen hineingegeben werden. Es hat verschiedene Vorschläge gegeben, zum Beispiel die Freie Universität zehn Jahre lang überzubudgetieren und ihr immer einige hundert Millionen Mark mehr zu geben als sie benötigt, damit sie ihr Kapital anlegen kann. Das ist aus meiner Sicht der einzige Weg.

DEFO: Würde die Umwandlung nicht zum Zusammenbruch der Fächervielfalt führen?

Lenzen: Diese Gefahr ist sehr groß. Deswegen kann man so etwas nur diskutieren, wenn Verhältnisse herrschen wie zum Beispiel in den USA. Wenn dort ein Institut oder ein Fachbereich eine Dienstleistung für den privaten Sektor übernimmt, dann setzt er die Kosten so an, dass er sich 25% über den Marktkosten bewegt. Um aus diesen zusätzlichen Mitteln die Fächer zu bezahlen, für die es schlicht keinen Markt gibt, sei es Archäologie oder Theologie. Genau so muss man verfahren, denn sonst wird man am Ende zu einer Berufsuniversität, an welcher der Gesichtspunkt der Allgemeinbildung und der "Universitas" verloren geht.

DEFO: Auch der Fachbereich Rechtswissenschaft kommt häufiger in der Diskussion einer möglichen Zusammenlegung mit der HU vor. Gibt es hierfür konkrete Pläne?

Lenzen: Es gibt überhaupt keine Pläne in dieser Richtung - jedenfalls nicht im Präsidium der Freien Universität. Ich meine, dass immer zu befürchten ist, dass so etwas vorgeschlagen wird, dass die Fachbereiche, die sich sehr ähneln, zusammengelegt werden können. Ich denke, es ist eine grundlegende Fehlannahme, dass man dadurch Geld sparen kann. Sie können nur Geld sparen, indem sie die Zahl der Studienplätze verringern. Die bloße strukturelle Veränderung spart vielleicht einen Verwaltungsleiter, wohingegen der Personalbestand im übrigen gleich bleiben muss, um die Zahl der Studienplätze zu sichern. Sie können dadurch gar keinen Gewinn haben. Strukturelle Gewinne entstehen auch nicht. Also kurzum: Die Zeit der großen Systeme ist vorbei. Der Freien Universität wurde sehr oft vorgeworfen, dass sie als großer Tanker unbeweglich sei. Wenn man dann durch neue Fusionen neue große Tanker schafft, hat man die gleiche Situation - nur mit einem anderen Nummernschild.

DEFO: Eine Frage möchte ich noch zu den Änderungen der Satzung für Studienangelegenheiten stellen. Ist die Einführung der Möglichkeit der Zwangsexmatrikulation nach den Aussagen der Senatorin, Frau Goehler, die sich entschieden gegen eine Kürzung der Studienzeiten ausgesprochen hat, noch aktuell?

Lenzen: Das Thema ist so lange aktuell, als daß die Budgetierung der Universitäten einen Parameter enthält, der mit einer so hohen Effizienz versehen ist. Dass eine schlechte Universität im Verhältnis zu einer guten Universität [im Hinblick auf die Studiendauer, J.H.] 5 bis 10 Millionen Mark verlieren kann. Wer politisch daher kommt und sagt, uns ist die Studiendauer eigentlich egal, der muss auch die haushaltspolitische Konsequenz ziehen und sagen, dann ist dies auch kein Leistungsmerkmal. Das ist das wesentliche.

DEFO: Zum Schluss möchte ich gern wissen, wer der nächste Präsident der Freien Universität wird?

Lenzen: Das ist viel zu weit entfernt, als dass man sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt darüber Gedanken machen könnte. Warten wir es mal ab.

Mit Prof. Dr. Lenzen sprach Jörn Hökendorf, Vorsitzender des Demokratischen Forums und Mitglied des Akademischen Senats

(erschienen im DEFO-Info Nr. 44 vom WS 2001 / 2002)



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