DEFO an der FU - Sonstiges | |||||||
Es ist wohl kein Geheimnis: Berlin ist knapp bei Kasse. Dass Sparmaßnahmen deshalb unvermeidbar sind, lässt sich schwerlich bestreiten. Aber ein Sparen ohne Ende kann auch nicht die Lösung aller Probleme sein, denn was ist schon einen Hauptstadt mit keinem Stadtbad und drei Fachhochschulen. Die Frage ist also nur, wo lässt sich noch etwas einsparen? Die neu gewählte dunkelrote Berliner Regierung meinte im Dezember 2001, die ultimative Lösung gefunden zu haben: "Die medizinische Fakultät der FU wird aufgegeben." (so hieß es lapidar in der Koalitionsvereinbarung von SPD und PDS auf Seite 130). Nach Auffassung der gewählten Experten im Abgeordnetenhaus sollten sich damit locker 190 Millionen (damals noch DM) jährlicher Staatszuschuß ans Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) einsparen lassen - zuzüglich einmaliger 250 Millionen DM, die für eine Sanierung des Gebäudes notwendig wären. Der geneigte Leser könnte glauben, dass dies nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist: Schließt man eine Einrichtung, braucht man auch kein Geld mehr, sie zu unterhalten. Den Beschluss als blinden Aktionismus zu bezeichnen, ist noch sehr freundlich. Treffender sind eigentlich die Worte eines Studenten, den man auf den Demonstrationen am ICC und vor dem Rathaus Schöneberg antreffen konnte: "Hirnspende für Rot-Rot!" Die Probleme liegen doch wirklich auf der Hand: Die Professoren, das wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliches Personal und auch die Studierenden lassen sich doch nicht einfach an eine andere Universität verlagern, von den Drittmitteln mal ganz abgesehen. Im Gegenteil: die Studierenden haben sogar ein Anrecht darauf, an der FU ihr Studium zu Ende zu bringen. Von Einsparungen kann unter diesen "Umständen" kaum noch die Rede sein, verringern sich doch vor allem die Personalkosten allenfalls marginal - und natürlich auch nur unter der Aufgabe von etlichen Arbeitsplätzen. Noch im Sommer des vergangenen Jahres hatten FU und Senat die Hochschulverträge unterzeichnet, in denen schon die Berufung einer Expertenkommission zur Neuordnung der Hochschulmedizin in Berlin vorgesehen war. Wenn mich meine juristischen Lateinkenntnisse nicht vollkommen verlassen haben, gibt es das schöne Sprichwort "pacta sunt servanda", ob dies auch für die Berliner Politik gilt, werden sicher die Verwaltungsgerichte klären können. Der Wissenschaftsrat erklärte ausdrücklich seine Bereitschaft, neue Struktur- und Entwicklungspläne der beiden medizinischen Fachbereiche vor dem Hintergrund der dramatischen Haushaltslage des Landes zu erarbeiten.
Warum hat man in der Politik also mal wieder nicht zu Ende gedacht? Diese Frage wird wohl weithin ungeklärt bleiben. Vielleicht wollte man einfach einen "Big Point" erzielen. Man muss ja schließlich auch unpopuläre Maßnahmen vertreten. Das Sparen muss irgendwo anfangen. Oder sprechen vielleicht doch die Fakten gegen das UKBF? Natürlich nicht, denn die Hochschulmedizin ist nicht nur Motor für innovative Unternehmensgründungen in unmittelbarer Nachbarschaft, sondern darüber hinaus auch Katalysator für die gesamte biomedizinische Region Berlin-Brandenburg mit über 150 Firmen. Im Jahr 2001 waren am UKBF zwei Sonderforschungsbereiche, vier DFG-Forschungsschwerpunkte (Deutsche Forschungsgemeinschaft) und drei Graduiertenkollegs etabliert. Jeder Professor des UKBF warb im Jahr 2000 im Schnitt 620 TDM an Drittmittel ein. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 309 TDM je Medizinprofessor. Mit den Drittmitteln werden 550 Arbeitsplätze finanziert. Berlin hat somit die glückliche Ausgangssituation, zwei Hochschulkliniken zu haben, die im Wettstreit miteinander stehen. Die Ergebnisse zeigen obige Zahlen. Also kann dies kein Grund für die Schließung sein. Es bleibt die schwierige wirtschaftliche Lage. Mögliche Einsparungen tauchen immer wieder als Grund für die Schließung auf, also stellt sich die Frage, wie viel Geld die Stadt mit der Schließung spart. Die Personalkosten werden nicht so schnell entfallen, wie oben dargestellt wurde. Weiterhin müssen Bundeszuschüsse für den Hochschulbau in dreistelliger Millionenhöhe zurückerstattet werden (Hochschulbaufördermittel sind langfristig zweckgebunden). Auch die Länderfusion Berlin-Brandenburg steht vor der Tür und für diese müsste mit ungleich höherem Aufwand eine neue medizinische Fakultät eingerichtet werden, da Brandenburg bislang auf eine eigene Medizinausbildung wegen des Existenz zweier medizinischer Fachbereiche in Berlin verzichtet. Von den Folgeeffekten für die Wirtschaft nach dem Wegfall des größten Arbeitgebers im Südwesten Berlins ist ganz zu schweigen. Nach ersten Berechnungen des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) entzieht die Schließung des UKBF dem regionalen Wirtschaftskreislauf bis zu einer halben Milliarde Euro jährlich. Im Ergebnis zahlt Berlin für die Schließung noch drauf.
Vielleicht werden mit der Schließung notwendige Strukturreformen vorweggenommen und der Koloss der Hochschulmedizin wird endlich einmal in Bewegung gesetzt? Natürlich zeigt sich hier nur eine weit verbreitete Fehleinschätzung, denn schon die Abgabe des Virchow-Klinikums an die HU führte zu einer gewaltigen Strukturreform der Hochschulmedizin an der FU. Weiterhin wurden die Kosten für die Studienplätze reduziert, die Soll-Zahl der Professuren um ein Drittel von 164 auf 110 gesenkt und durch Personalabbau die Voraussetzungen für die Absenkung der Studierendenzahlen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben geschaffen. Letztendlich kann von verkrusteten Strukturen innerhalb der Medizin nicht mehr die Rede sein.
Eine weitere Argumentationslinie könnte die große historische Bedeutung des UKBF für die Insel der Freiheit hinter dem Eisernen Vorhang sein. Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass das mit amerikanischer Hilfe aufgebaute Klinikum vom rot-roten Senat geschlossen wird. Aber wir wollen die Linie der rationalen Argumentation nicht verlassen und diesen gefährlichen Strang der Argumente sofort links liegen lassen.
Die Politik verließ erstaunlicherweise auch nicht den rationalen Diskurs, obwohl ein Einlenken so schnell nicht erwartet wurde. Aber die Expertenkommission für die Hochschulmedizin, welche in den Hochschulverträgen fixiert ist, wurde einberufen. Ziel soll eine dauerhafte Struktur der Universitätsmedizin sein, die angesichts sinkender Landeszuschüsse die Leistungsfähigkeit der Universitätsmedizin in Forschung und Ausbildung sichert. Uns ist unbegreiflich, wie die Politik mit nur so wenigen Worten solche philosophischen Höhen erreichen kann. Denn das Paradoxon, die Leistungsfähigkeit zu steigern und die Mittel zu senken, muss erst einmal aufgelöst werden. Die Politik verlangt das Unmögliche und schafft es nicht, ihre Versprechen zu halten. Allein der Rufschaden durch die drohende Schließung vertreibt viele Koryphäen aus Berlin. Wie trotzdem die Leistungsfähigkeit gesteigert werden soll, bleibt uns ein Rätsel. Aber es wird endlich auch Zeit, eine dauerhafte Struktur zu schaffen. Was soll dieses ewige Rumgewurschtel? Wir finden es schön, dass endlich jemand die Sache in die Hand nimmt und erledigt. Nur können wir nicht glauben, dass dieser Traum in Erfüllung gehen soll. Die SPD hat zumindest die bisher nur vorübergehenden Strukturen mitzuverantworten. Es wirkt unseriös, sich nun hinzustellen und zu sagen, dass das Rad neu erfunden wird. Wir leben natürlich in einer schnelllebigen Zeit, aber dass die Hochschulverträge aus dem Sommer kurze Zeit später schon wieder in Frage gestellt werden, spricht nicht für eine langfristige Planung. Eine bittere Pille bleibt für die Hochschulmedizin am Ende noch zu schlucken, denn nach Auslaufen der Hochschulverträge Ende 2005 sollen die konsumtiven Zuschüsse für die Universitätsmedizin um ca. 98 Mio. Euro sinken. Wie die Einsparungen ungefähr in Höhe eines Drittels der Zuschüsse erbracht werden sollen, steht in den Sternen. Dort findet Ihr auch die Zukunft der Hochschulverträge. Es kommen schwierige Zeiten auf die Freie Universität zu und frei nach Brecht möchten wir enden: "Wer nicht kämpft, hat schon verloren." Jörn Hökendorf und Lars Lehmann (erschienen im DEFO-Info Nr. 45 vom SS 2002) |
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