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"Jeder Jurist ist ein künstler!" - Ein Gespräch mit dem Beuysschüler Johannes Stüttgen

Johannes StÜttgen
geboren 24. Januar 1945
1966-1971 Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Beuys
1970 Gründung der Organisation für Direkte Demokratie durch Volksabstimmung
1971-1980 Kunsterzieher
1980-1986 Geschäftsführer der Free University (FIU)
seit 1987 Omnibus für Direkte Demokratie in die Deutschland
seit 1990 Unternehmen Wirtschaft und Kunst - erweitert; Aktion und Grundlagenforschung "erweiterter Kunstbegriff"


DEFO: Wir würden gern mit einer allgemeinen Frage anfangen. Was verstehen Sie unter Demokratie?

Stüttgen: Demokratie heißt, dass jeder an der Gestaltung des sozialen Ganzen teilnimmt.

DEFO: Welcher Zusammenhang besteht zwischen Demokratie und der Kunst?

Stüttgen: In der Gestaltung. Denn Kunst ist auch Gestaltung. Kunst ist eine besonders hohe und anspruchsvolle Form der Gestaltung, weil sie auf dem Freiheitsprinzip aufbaut und die Gestaltung der Gesellschaft jeden Menschen betrifft und da gilt der Satz von Joseph Beuys, der mein Lehrer war: "Jeder Mensch ist ein Künstler". Das heißt, jeder Mensch ist selbstbestimmter Gestalter des eigenen Lebens sowieso und darüber hinaus auch Gestalter der Gesellschaft und dieses Bewusstsein muss in Zukunft größer werden.

DEFO: Welches ist das Haupthemmnis, das viele Menschen davon abhält gestaltend tätig zuwerden?

Stüttgen: Das Haupthemmnis ist die Vergangenheit. Wir sind noch nicht an dem Punkt, wo es den Menschen wirklich bewusst ist. Aber dieser Punkt kommt immer näher, es ist die Zeit des Regiertwerdens, des immer-nur-die-Stimme-deligierens, diese Zeiten sind allmählich vorbei. Die Menschen merken, dass unsere Parteipolitiker auch nicht besser Bescheid wissen, als sie selbst. Sie merken immer deutlicher, dass die Gestaltungsfrage ganz unabhängig von der Machtfrage gesehen werden muss und auch gesehen werden kann. Es geht nicht darum, dass ich Macht erringe, sondern es geht darum, dass ich im Gespräch mit den Anderen meine Ideen ins Spiel bringe.

DEFO: Ich würde gerne über den Satz von Joseph Beuys sprechen, dass jeder Mensch ein Künstler sei. Ich persönlich kann diese Empfindung nicht teilen. Besonders während des Studiums der Rechtswissenschaft ergeben sich sehr wenige Möglichkeiten künstlerisch tätig zu werden-. Welche Möglichkeiten gibt es, dies selbst zu erfahren?

Stüttgen: Künstler ist man erst in dem Moment, wo man das Vorgegebene neu begründet und neu bestimmt. Gerade in ihrem Beruf, liegt es außerordentlich nahe Künstler zu sein. Zum Beispiel ein Richter, der nicht auf seinem eigenem Freiheitssinn aufbaut, der keinen Sinn für den anderen Menschen hat, die Dinge nicht richtig beurteilen kann, wie will er zu einem vernünftigen Urteil kommen. Also das ist für mich schon sehr künstlerisch.

DEFO: Jetzt könnte man einwenden, dass dies sehr willkürlich ist. Läuft es dann darauf hinaus, dass der Richter in seinem Gericht machen kann was er will?

Stüttgen: Nein, überhaupt nicht. Willkür ist das Gegenteil von Kunst. Willkür ist auch das Gegenteil von Freiheit, das wird immer verwechselt. Die Leute meinen immer, Freiheit sei, man tut was man will. Aber das ist nicht Freiheit. Freiheit ist, dass man das was man tut, innerlich vor sich selber begründen kann, dass man die Form in sich selber begründen lernt, Willkür ist Beliebigkeit. Aber Beliebigkeit, hat nichts mit Kunst zu tun. Kunst ist das Herausfinden der stimmigen, gültigen Form, dabei spielt es keine Rolle, von welchem Bereich man redet. Es gibt keinen Bereich, in dem es nicht um die Frage der gültigen Form geht!

DEFO: Jetzt würden die Juristen vielleicht einwenden, dass wir die gültige Form schon besitzen: Das sind Recht und Gesetze. Welche Möglichkeiten gibt es, außer diese Form auszufüllen.

Stüttgen: Aber das müssen doch die Juristen selbst wissen, ob sie sich mit dieser Vorstellung wohlfühlen: ein Leben lang nichts anderes tun, als irgendwelche Paragraphen zu repetieren. Die guten Juristen, die ich kenne, sehen das durchaus anders. Mit diesen müsste man sich dann unterhalten, ich glaube, dass sie sehr gut verstehen, was ich meine.

DEFO: Aber besteht nicht die Gefahr, dass sich alles auflöst, wenn Entscheidungen aufgrund eigener Freiheitsvorstellungen getroffen werden?

Stüttgen: Nein, dann besteht die Chance, dass wir endlich zu vernünftigen Formen kommen. Die Gefahr, dass sich alles auflöst, die haben wir jetzt im Moment, wo sozusagen nach Parteigesichtspunkten oder kurzfristigen Zielen irgendetwas entschieden wird, zum Beispiel nach dem Ziel die nächste Wahl zu gewinnen. Das ist doch wahrhaftig keine Garantie um interessante Formen entstehen zu lassen

DEFO: Wer sollte in die Rechtsgestaltung mit einbezogen werden? Wirklich jeder?

Stüttgen: Doch, doch, deswegen ja Volksabstimmung. Das bedeutet, dass alle einbezogen werden in die Gestaltung. Das heißt, dass das Volk im Ganzen der Souverän ist von dem die Legislative ausgeht. Und was die Exekutive angeht: dann geht es um die Frage der Selbstverwaltung. In Zukunft wird die Form der Selbstverwaltung, die primäre und wichtigste Form sein. Die Alternative ist Fremdbestimmung. Das wollen wir nicht!

DEFO: Ein häufiger Einwand gegen die Selbstverwaltung durch das Volk ist, dass das Volk dazu zu dumm ist.

Stüttgen: Wer wendet das ein? Derjenige, der das einwendet zählt sich meist nicht dazu. Wenn es wirklich dumm sein sollte, kann es nur an unserem erbärmlichen Schulsystem liegen. Und dieses Bildungssystem haben wir nicht dem Volk zu verdanken, sondern dem Staat. Ich wüsste sonst keinen Grund, warum das Volk dumm sein sollte. Der Mensch ist ja von Natur aus nicht dumm. Der Mensch ist von Natur aus ganz klug.

DEFO: Es handelt sich meist um sehr komplexe Vorgänge, die gesteuert werden müssen in der Politik.

Stüttgen: Man muss sich einarbeiten. Was die Feinheiten und differenzierten Fragen angeht, liegen die für eine Volksabstimmung nicht vor. Hier wird weiter parlamentarisch abgestimmt werden können. Es geht bei der Volksabstimmung um Grundsatzentscheidungen. Die direkte Demokratie soll das Parlament nicht einfach nur ablösen. Sie ist ein zusätzliches Instrumentarium, mit dem die Parlamentarier und Parlamente besser kontrolliert werden können. Wichtig ist das Instrument der Volksinitiative! Dass also Gesetzesinitiativen von der Basis möglich sind.

DEFO: Wird dadurch nicht die Kontinuität aufgehoben? Das sind doch oft sehr langwierige Prozesse. Das Interesse des Volkes könnte sehr kurzweilig sein

Stüttgen: Davor habe ich keine Sorge. Die Leute die es angeht, sollen das Volk eben entsprechend beraten. Sie sollen sich darum kümmern, dass die Kontinuität nicht verloren geht. Die permanente Diskussion ist dann angesagt. Im Übrigen: die Leidtragenden sind sowieso wieder die Menschen. Dann ist es besser, dass sie ihr Schicksal selbst bestimmen, als es sich von Anderen bestimmen zu lassen. Die Kontinuität ist eine Frage, die auch mit dem Bewusstsein dieses Vorganges zu tun hat. Solange die Menschen immer nur ihre Stimme alle vier Jahre abgeben, entwickelt sich eine Gewohnheit von "Wir-haben-sowieso-nichts-zu-sagen", also interessieren wir uns auch nicht weiter dafür und damit wird die Verantwortlichkeit ausgeblendet. Tatsache ist, jeder Mensch hat die Verantwortung, auch wenn er sie abgibt. Wenn man davon ausgeht, dass jeder Mensch, als mündiger Mensch das Grundrecht hat, das Schicksal der Gesellschaft mitzubestimmen und mitzuentscheiden, dann ist nur die Frage: Wieso haben wir das noch nicht? Die Antwort ist: weil es den meisten noch nicht so klar geworden ist. Aber es wird immer mehr Menschen klar, da mache ich mir keine Sorge.

DEFO: Sie sprachen von dem Bildungswesen. Welche Möglichkeiten gibt es für die Universität, umgeben von Sparzwängen, sich zu verändern?

Stüttgen: Nach meinem Dafürhalten darf es gar kein staatliches Hochschulwesen geben. Aber es soll nicht heißen, dass ich für das private Hochschulwesen wäre. Sondern ich bin für das öffentliche, selbstverwaltete Hochschulwesen. Der Staat hat sich darum zu kümmern, dass diese Freiheit garantiert wird. Und außerdem hat er sich solange bei uns noch Steuern eingezogen werden um eine gleichberechtigte Finanzierung zu kümmern. Über die Höhe der Zuwendungen für die Schulen und Hochschulen entscheidet das Volk. Das ist ganz einfach. Ich plädiere nicht für die katastrophale Ausbildungssituation, die wir im Moment haben, denn die ist verstaatlicht. Das sind praktisch DDR-Verhältnisse, die wir in Schulen und Hochschulen haben. Ich bin für radikale Selbstverwaltung, radikale Selbstbestimmung, mit der entsprechenden Finanzierungsgrundlage, die eine gesellschaftliche Gesamtfrage ist und mit der es im Moment ganz miserabel steht. Wir wissen ja, unser Hochschulwesen ist unter aller Kanone. Man schämt sich über die Zustände die einem entgegenrauschen. wenn man ein Universitätsgebäude betritt. Diese uninteressante anonyme unmenschliche Atmosphäre, in der Lernen nicht möglich ist - in der der Geist gar nicht weht. Das spürt man dort mit jedem Atemzug. Da gehe ich rückwärts wieder raus. Und wenn ich in ein Seminar komme, das mag hier und da sehr interessant sein. Aber die gesamten Prüfungsordnungen!! Wenn ich mir überlege, dass die Leute letztendlich nur studieren um irgendwelche Scheine zu machen und die sind dann auch noch vorgeschrieben. Wo bleibt der kreative Geist? Der ist nirgendwo mehr zu finden. Das Studium ist heute nicht mehr als eine Massenabfertigung, wie eine Hühnerfarm. Das hat mit Studieren und kreativer Erforschung nichts zu tun. Das ist eine Katastrophe.

DEFO: Sie sprachen von der Selbstverwaltung. Ich bin selbst in dieser aktiv. Die Wahlbeteiligung an studentischen Wahlen ist sehr gering. Welche Ursachen sehen sie für das Desinteresse vieler Studierender?

Stüttgen: Sind die Studenten wirklich beteiligt an der Gestaltung der Hochschule? Real?

Es reicht wahrscheinlich nicht aus. Sie sitzen in irgendwelchen Gremien, wo dann zwei Studenten auch noch dabei sitzen. Zu sagen haben sie gar nichts. Das steht alles nur auf dem Papier. Da waren wir 1967/68 schon weiter. Ich komme von der Kunstakademie und wir hatten ja richtig was zu sagen. Wir hatten immerhin ein Drittel der Sitze in der Vollkonferenz. Das ist nachher alles wieder rückgängig gemacht worden. Ich würde wieder kämpfen. Aber auf der Grundlage, die wir im Moment haben, ist es relativ aussichtslos.

DEFO: So eine Grundlage hat man mehr oder weniger in allen Bereichen.

Stüttgen: Aber wer gibt einem die Grundlage? Ich finde es schon interessant, wer einem solche Grundlagen gibt. Die Grundlagen die einem serviert werden von oben sind das eine, aber das andere ist zu prüfen: Was will ich überhaupt? Ich habe nicht den Eindruck, dass die Studenten im Moment darüber nachdenken. Ich kann mich täuschen, eigentlich wäre es die Sache aller an der Hochschule Beteiligten darüber wirklich nachzudenken..

DEFO: Wie sollte ein möglicher Kampf aussehen? Wir hatten vor einigen Jahren einen großen Studentenstreik. Die Studenten waren hochmotiviert, aber es verpuffte einfach. Sollten die Studenten radikaler werden in ihren Aktionen?

Stüttgen: Ja! Auf jeden Fall radikaler im Denken. Einfach radikaler in ihrer Begriffsbildung. Radikal ist ganz wichtig. Radikal hat nicht unbedingt etwas zu tun mit Prügelei oder Gewalt. Ich finde es interessant, wenn man radikale Begriffe formuliert. Interessante Alternativen formuliert und in die Diskussion einbringt. Das wäre für mich radikal. Zu fragen, welche Rolle spielt die Schule und die Hochschule überhaupt in der Gesellschaft? Ist sie nichts anderes als der Lieferant für eine Industrie, ist sie nur Lieferant für Wirtschaftsexperten, oder was ist die Schule und Hochschule? Das wären radikale Fragen, die mich interessieren würden. Wenn es um die Bestimmung der Universität geht, dann ist klar, dass diejenigen, die in der Universität arbeiten, lehren und lernen, sich ihre eigene Verfassung geben müssen.

Die andere Frage ist, dass die Gesellschaft im Ganzen ein Interesse haben muss an solchen selbstverwalteten Unternehmen des Geistes. Das ist ein ganz einfacher Gedanke. Wie der konkret mit Inhalt gefüllt wird, welche Formen entwickelt werden sollen, das ist die Frage, derjenigen, die da arbeiten. Für mich wäre wichtig, dass die Bedingung die absolute Freiheit wäre und die Einsicht in die Tatsache, dass von diesem kreativen Freiheitsvermögen, der Fortbestand der Gesellschaft abhängen muss. Das ist das wahre Kapital der Gesellschaft: die Kreativität der Menschen. Aber ich meine jetzt damit nicht nur die Hochschulen, vor allen Dingen auch die Schulen, in denen schon in den ersten Schuljahren die Kreativität systematisch vernichtet wird.

DEFO: Sehen sie schon Perspektiven, die vorhanden sind?

Stüttgen: Ich sehe die Grundfertigkeit die in jedem Menschen vorhanden ist. Aber ich habe eher das Gefühl, als würde die grundsätzliche Frage immer zur Seite gerückt, ausgeblendet. Die Frage der Gesellschaft im Ganzen und ihr Verhältnis zur Natur. Also die Frage nach einem neuen Wirtschaftswesen, die Frage nach einer neuen Kreditordnung. Wohin sollen die Gelder fließen? Die Frage nach einer neuen Einkommensordnung. Die völlig unglaubliche Frage der Arbeitslosigkeit, die nur zeigt, wie unfähig unser System ist mit den Fragen fertig zu werden. Oder dass mal der ganze Kapitalismus in Frage gestellt wird. Diese dämliche Ideologie, dass Motivation oder Kreativität nur auf der Grundlage der Profitmaximierung möglich wäre. Das ist alles Quatsch!

DEFO: Die Frage taucht nicht so konkret auf, wie Sie sie jetzt formulieren.

Stüttgen: Das ist richtig. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, auf den man hinwirken muss, man muss lernen, ein Bewusstsein für die noch nicht ausgesprochenen Fragestellungen, also eine gewisse Hellsichtigkeit muss man schon sich aneignen lernen. Man muss einen Blick dafür entwickeln und diesen Blick entwickelt man zunächst einmal an sich selber. Denn die Beobachtung macht man ja auch an sich tagtäglich, wenn man die herrschende Struktur sieht. Man stößt überall auf Ausweglosigkeit. Man stößt überall auf die Unmöglichkeit relevant in das Geschehen eingreifen zu können. Das merkt heute jeder Mensch und das ist natürlich erst einmal die Erfahrung der Ausweglosigkeit. Aber es muss ja nicht die letzte bleiben.

DEFO: Ich nehme an, dass viele Menschen sich dann fragen, was soll denn eigentlich kommen? Was ist das Zukünftige, auf das ich mich hinbewege?

Stüttgen: Das ist doch der einzige Sinn weswegen wir überhaupt auf der Erde sind, etwas Zukünftiges zu entwickeln. Wenn alles so bleiben soll, wie es ist, dann ist ja gut, dann brauchst du mich aber nicht mehr zu fragen, weil die Konzeption interessiert mich nicht. Mich interessiert auch nicht die Konzeption der bloßen privaten Glückserfüllung, die überall weit verbreitet ist. Die interessiert mich nicht, wenn ich um mich herum sehe, dass alles zusammenbricht, dass mit den Dingen nicht vernünftig umgegangen wird. Weder mit der menschlichen Substanz, noch mit der Natursubstanz wird vernünftig umgegangen. Und aus all dem heraus kann ich doch ablesen, dass das Weiterwirtschaften nach diesen Gesichtspunkten in eine Katastrophe mündet. Ich meine, wir brauchen gar nicht von den äußeren Katastrophen reden, es reicht schon aus, wenn wir von den seelisch-geistigen Katastrophen reden. Der Sinnlosigkeit in der Arbeit, die viele Menschen heute empfinden.. Das hängt alles damit zusammen, dass die wirkliche menschliche Natur, die ich als eine Freiheitsnatur beschreibe, noch verdeckt bleibt. Und wo soll sie anders in Erscheinung treten, als zuerst einmal in einem selber? Aber natürlich auch in der Beobachtung anderer Menschen tritt sie in Erscheinung.

DEFO: Ich würde gerne noch mal auf Beuys zu sprechen kommen. Es gibt von Beuys den Ausspruch, er sei auf der Suche nach dem Dümmsten. Aber da liegt in der Dummheit auch wieder eine Qualität.

Stüttgen: Aber das ist eine andere Dummheit. Man muss den Begriff Dummheit in seiner Doppeldeutigkeit sehen. Die Dummheit, die der Beuys meint ist die selbstverständliche, noch gar nicht ausgebildete Grundfähigkeit, die jeder Mensch mit sich bringt. Das sieht man auch an der alten Funktion des Hofnarrens, des Clowns, da wird die Dummheit gerade in ihrer Funktion des Gegenbildes vorgeführt. Oft ist die Dummheit nur der Spiegel der Dummheit, und dahinter steckt die eigentliche Intelligenz. Es gibt diesen schönen Satz von Beuys: Wo wären wir hingekommen, wenn wir intelligent gewesen wären. Durch unser kapitalistisches Wirtschaftssystem wird eine merkwürdige Intelligenz nach oben gespült, die eine wirkliche Menschenintelligenz eher zu Grunde gehen lässt. Es wird sehr vieles als Intelligenz verkauft, meistens ist es eine sehr kopflastige, bloß abstrakt-theoretische Intelligenz, gepaart mit einer kriminellen Energie, nämlich auf Deubel komm raus, sich gegenüber seinem Nebenmann durchzusetzen, mit allen faulen Tricks. Diese kriminelle Energie wird auch schon in den Schulen gelernt.

DEFO: Gehört nicht zur künstlerischen Gestaltung auch ein Material in dem man sich ausdrückt? Dieses Material fehlt den Juristen doch.

Stüttgen: Jeder Jurist hat es doch mit Menschen zu tun, mit menschlichen Problemen. Jeder Jurist hat es mit der Formulierung von bestimmten Rechtsformen zu tun. Der ganze Rechtsbereich ist ein Bereich der geformt werden muss. Und wenn wir gerade von Volksabstimmung gesprochen haben, dann ist das auch schon ein erster Formvorgang, von dem wir gerade gesprochen haben, an dem jeder Mensch beteiligt ist. Und der Jurist ist derjenige, der diesen Formvorgang in den Einzelheiten, in den Spezialitäten weiterverfolgt, also aufgerufen ist, Vorschläge zu machen für Veränderungen, der aber auch aufgerufen ist, Recht zu sprechen, also dem Menschen gerecht zu werden, der ihm gegenüber steht, der Situation gerecht zu werden. Und dann ist es auch wichtig, ob man die Sache künstlerisch meint, also wirklich echt und in ihrer Stimmigkeit meint oder nur rumtricksen will. Denn Rumtrickserei ist Quacksalberei.

Das Interview mit Johannes Stüttgen wurde am 23.02.2001 in den Hackeschen Höfen geführt. Die Fragen stellten Axel Lambrette und Jörn Hökendorf.

(erschienen im DEFO-Info Nr. 43 vom SS 2001)



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