Der Ku’damm im Coronaschlaf

Der Ku’damm im Coronaschlaf

Der Ku’damm befindet sich aktuell wieder im Lockdown. Was es von den Bezirksfraktionen aktuell für mögliche Pläne für die Zukunft des Boulevards gibt und wie ein Gastronom die Krise mit seinem Restaurant vor Ort erlebt.

von Jonas-Joshua Leibig

Corona überall – auch wenn die aktuelle Berichterstattung zur Pandemie und ihren Folgen ermüdend sein kann, so kann man andererseits gar nicht genug berichten über die historische Episode, die derzeit auf der ganzen Welt Menschen vor große Herausforderungen stellt.

Zur (Wahl-)Heimat Berlin gehört eine Straße, die kaum einer anderen auf der Welt gleicht: der Kurfürstendamm – oder auch kurz Ku’damm genannt. Hier trifft Dekadenz des letzten Jahrtausends im Antlitz des KaDeWes und den vielen edlen Boutiquen auf frischen Wind in Form von Fast Food, Bubble Tea und Primark. Doch der Wind weht spätestens seit dem 2. Lockdown sehr ruhig an der Lebensader „Upper West“. Nicht nur für Gastronomen gelten die aktuellen Beschränkungen, sondern bekanntermaßen auch für alle anderen Konsumstätten, man könnte fast sagen: alles, was der Ku’damm zu bieten hat(te) befindet sich gerade im „Coronaschlaf“.

Ohne Angebot und mit einer Maskenpflicht auf dem Ku‘damm, der sich vom Breitscheidplatz mit der Gedächtniskirche, bis hin zum Rathenauplatz am Halensee zieht, fallen auch viele Gründe für einen Besuch weg. Die vielen Besucher:innen Berlins, an dessen Ausbleiben wir uns schon diesen Sommer gewöhnt haben, tun ihren Rest.

Zum Winter 2020 hin setzte sich die Gemeinschaft aus am Ku’damm angesiedelten Geschäften erneut für die Finanzierung der am Ku’damm traditionell in den Baumkronen angebrachten Weihnachtsbeleuchtung ein, im Februar 2021 tauchte der Schnee den schlafenden Boulevard komplett in Weiß, mit Stand 12.02. wird der Lockdown bis in den März hinein verlängert. Das sind heruntergebrochen die wichtigsten Ereignisse, die sich in den vergangenen 6 Monaten auf der Shoppingmeile abgespielt haben.

Ein menschenleerer Ku’damm – normales Bild derzeit. Foto: Jonas-Joshua Leibig

Der Handelsverband informierte schon nach dem ersten Lockdown im Tagesspiegel über die finanziellen Einbußen des Berliner Gewerbes, insbesondere am Ku’damm. Dieser hält sich nämlich bereits schon seit Jahren mit seinen mehr als 200.000 Quadratmetern Verkaufsfläche als größter und umsatzstärkster Einzelhandelsstandort Berlins. Die Lage für die vielen Geschäfte, darunter wie eingangs bereits erwähnt viele Betriebe der Gastwirtschaft, also vor allem Hotels, Restaurants, Kneipen, Bars und Kaffees, Kosmetikstudios, Friseure, Warenhäuser wie das vor einigen Jahren eröffnete Bikini-Berlin oder das des angeschlagenen Karstadt-Konzerns und natürlich die vielen Modeläden finden sich aktuell häufig in einer katastrophalen Lage wieder, wie zuletzt Jan Kopatz von der Friseur-Innung Berlin in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung über die Friseure der Stadt verriet. Fast jede Branche ist betroffen. Bis auf die Friseure bleiben die Geschäfte weiterhin geschlossen. Da treibt sich einem schnell die Frage auf: Wie geht es Geschäftstreibenden und deren Angestellten aktuell in dieser Situation?

Dazu konnte ich mit dem Gastronomen Dave Sung sprechen. Herr Sung betreibt seit 2018 unweit des Lehniner Platzes sein asiatisches Restaurant mit einem besonderen Anspruch an frische und Authentizität. Auch deshalb könne er gerade, so Sung, sein Angebot nicht per Lieferdienst fortführen. Herr Sung erklärt ruhig, dass er Maßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie dienen, nicht schlecht heißen möchte, allerdings ist es für ihn tragisch, dass es besonders das Gewerbe von seinen Kolleg:innen und ihm so hart trifft, denn Herr Sung hat, so wie viele Betriebe während der Pandemie, alle geforderten Hygienemaßnahmen in seinem Geschäft ausgearbeitet und konsequent durchgezogen. Die Gastronomie wurde nach seinem Empfinden immer besonders intensiv auf die Einhaltung der Bestimmungen kontrolliert, beispielsweise im Gegensatz zu Büros, die in der Stadt immer noch „in Betrieb“ sind. Für Herrn Sung war es ein langjähriger Traum, den er sich, als sich ihm die Gelegenheit bot, nach 17 Jahren Leben und Studium in Berlin erfüllte. Die Stammkundschaft baute sich langsam auf, das Geschäft lief 2019 erstmals gut an und sein Konzept eines modernen und „kiezigen“ Restaurants mit einer Mischung aus loungiger Atmosphäre und gehobenem asiatischen Essen machte es ihm als Alleinstellungsmerkmal in der Gegend dann möglich, Fuß zu fassen. Vom Timing her konnte Corona da nicht ungünstiger einsetzen als im Frühjahr 2020. Herr Sung zeigt sich trotzdem optimistisch: ihm und vielen Kolleg:innen geht es finanziell gerade schlecht, aber er sieht auch die Bemühungen der Politik, die finanzielle Notlage der Gastronomen zumindest teilweise aufzufangen. Auch wenn Herrn Sung die Bürokratie manchmal noch ein wenig zu langsam dauere: „Auf die Unterstützung vom November 2020 warte ich leider immer noch“, verrät der Gastronom (*Nachtrag: Die Hilfen sind inzwischen vollständig angekommen). Er behält dabei aber eine ruhige Stimme und einen kühlen Kopf. Dass die Situation auch für die Politik neu sei, verstehe er und umstrittene Maßnahmen wie die Einführung der Maskenpflicht am Ku’damm sieht er als Signalwirkung an anderen Städten als verschmerzbar.

Auch das Restaurant von Herrn Sung am Ku’damm muss vorerst geschlossen bleiben. Foto: Jonas-Joshua Leibig

Auch wenn Herrn Sung die Bürokratie manchmal noch ein wenig zu langsam dauere: „Auf die Unterstützung vom November 2020 warte ich leider immer noch“, verrät der Gastronom (*Nachtrag: Die Hilfen sind inzwischen vollständig angekommen). Er behält dabei aber eine ruhige Stimme und einen kühlen Kopf. Dass die Situation auch für die Politik neu sei, verstehe er und umstrittene Maßnahmen wie die Einführung der Maskenpflicht am Ku’damm sieht er als Signalwirkung an anderen Städten als verschmerzbar. Herr Sung betont allerdings, dass ein System wie er es hier in Deutschland erlebt, welches Menschen wie ihn und seine 12 Angestellten seiner Gaststätte in dieser Krise versucht aufzufangen und nicht „sich selbst überlässt“, ihn als vielgereisten Mann nach wie vor dankbar macht und ihn entlastet.

Auch aus der Lokalpolitik gibt es derzeit eine Aufmerksamkeit rund um den Ku’damm. Grün und teilweise autofrei, aber auf jeden Fall mit weniger Autos und mehr Platz für Fuß- und Fahrradfahrer, so stellen sich beispielsweise die Grünen und die SPD eine Modernisierung des Ku’damms vor. Insgesamt soll so und durch eine Ausschreibung für einen Wettbewerb für die Neuaufteilung des öffentlichen Raumes des Boulevards mehr Aufenthaltsqualität für die Besucher:innen der Post-Pandemie Ku’damms entstehen. Die FDP bezeichnet eine gesteigerte Aufenthaltsqualität ebenfalls für sinnbringend, auch wenn sie angesichts ihrer Auto-befürwortenden Sicht auf den Ku’damm nicht ausführt, inwiefern diese geschaffen werden soll, die Fraktion würde jedoch mit der Verlängerung der U-Bahn Linie eventuell einige Anreize für die Anreise schaffen, die sie befürwortet.

Während B’90 sich auch mehr Unterstützung der ansässigen Unternehmen am Ku’damm und den anrainenden Kiezen z. B. bei der Digitalisierung und Mietenbremse vorstellt hat, stellt sich der CDU nicht die Frage, wie der Ku’damm „aufgehübscht“ werden kann oder sollte, sondern wo man noch Potentiale wecken kann. Eine konkrete Idee wäre hierbei für die Christdemokraten ein neues Konzept für den Hardenbergplatz. Das Konzept des autofreien Boulevards wäre für die Partei dabei kein Potential, was bei dem Ku’damm „geweckt“ werden sollte, in Hinblick auf die aktuell autofreie Friedrichstraße verweist die Partei auf eine Gefahr für die ansässigen Unternehmen durch die wegfallende direkte Anreise per privatem Kraftfahrzeug. Es fehlen hier jedoch parteiübergreifend noch konkrete Modelle oder Pläne, um sich die geplante Beschäftigung der Parteien – oder auch nicht-Beschäftigung – mit dem Boulevard vorstellen zu können. Es bleibt abzuwarten, was gestalterisch und auch in Bezug auf Grünen-Pläne wie die autofreie Innenstadt nach Madrider Vorbild mit dem Kurfürstendamm passieren wird oder auch nicht.

Wenn die Pandemie vorüber ist können wir uns erst einmal nichts Schöneres vorstellen, als ein von Menschen-durchfluteter Kurfürstendamm, der wieder mit all seinem Angebot und Leben das Herz Charlottenburgs zum Leuchten bringt.


Jonas-Joshua Leibig studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und freut sich sehr auf die Zeit, in der der Ku’damm wieder belebter ist.


2021-04-14T17:31:52+02:00 Kategorien: Berlin + Brandenburg, Lesen|Tags: , , , , , |