2021. Immer mehr junge Frauen studieren Architektur. Die Anzahl an mit Frauen besetzten Führungspositionen in diesem Beruf steigt jedoch nicht im gleichen Tempo mit. Für das MedienLabor erzählt uns Irina von ihrem Alltag als Chefin eines Architekturbüros in Kapstadt – und von ihrem Wunsch nach mehr Anerkennung.
von Karla Kubica
Guten Tag, könnten Sie sich bitte vorstellen und uns kurz erzählen was Sie studiert haben und was Sie beruflich machen?
Ja klar. Also, ich heiße Irina und komme aus der Nähe von Hamburg. Ich habe Architektur an der Universität der Künste in Berlin studiert. Ich habe eine zeitlang auch in Kopenhagen studiert und habe schlussendlich meinen Master an der UDK absolviert. Seit einigen Jahren habe ich mein eigenes Architekturbüro in Kapstadt und wir arbeiten größtenteils mit kleineren Kunden an Wohnungsbauanträgen.
Würden Sie sagen, dass in Ihrem Studium der Anteil an weiblichen und männlichen Studenten ausgeglichen war?
Ja, ich würde schon sagen, dass das Studium ausgeglichen war, vielleicht ein bisschen mehr Männer?
Arbeiten Sie im Alltag meistens mit Männern oder Frauen?
Fast nur mit Männern, besonders auf der Baustelle. Die Ingenieure, Bauleiter und Bauarbeiter sind meistens männlich. Architekten mit denen ich manchmal zusammenarbeite sind auch größtenteils männlich, aber ich habe auch ein paar Kolleginnen.
Glauben Sie Ihr beruflicher Alltag würde anders sein, wenn dies nicht der Fall wäre?
Ich glaube zu einem gewissen Grad würde ich wahrscheinlich ernster genommen werden, wären auf der Baustelle nur Frauen oder zumindest mehr Frauen. Ich glaube es würde auch dazu führen, dass Frauen auf der Baustelle nicht als was Seltenes oder Abnormales gesehen werden. Heutzutage ist es leider immer noch relativ selten, dass eine Frau die Baustelle führt.
Inwiefern werden Sie im Berufsalltag manchmal nicht ernst genommen?
Also, wie gesagt, manchmal glaube ich schon, dass manche meiner männlichen Kollegen meine Entscheidungen nicht so ohne weiteres annehmen wie sie es bei den männlichen Architekten machen. Grundsätzlich sind meine Kollegen sehr respektvoll, aber manchmal grenzt es schon an ein bevormundendes Verhalten. Es ist auch schon öfters vorgekommen, dass ein Klient mich vor meinen Kollegen für mein Aussehen komplimentiert hat, was ich sehr unprofessionell finde und was natürlich meine Autorität untergräbt.
Was sind Ihrer Meinung nach Gründe dafür, dass Frauen nur sehr selten Führungspositionen im Bereich Architektur innehaben?
Ich glaube das ist ein sehr vielfältiges Problem. Grundsätzlich verdienen Frauen weniger als ihre männlichen Kollegen und sie sind nicht oft in Führungspositionen zu finden. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass man als Mutter Aufstiegschancen und Gehaltserhöhungen verpasst. Diese Problem besteht natürlich in fast jedem Beruf. Dazu ist es relativ ungewöhnlich weiblich Führungspositionen als Vorbilder zu finden. Ich glaube auch, dass manche männlichen Architekten keine Frau als Chefin haben möchten.
Welche Veränderungen müsste es geben, damit sich dies ändert?
Ich glaube jede Firma sollte darauf achten, dass ihre Quoten an Architektinnen und Architekten sich mit der Zeit ausgleichen. Zudem braucht man mehr Frauen in Führungspositionen, die als Vorbild fungieren. Gleiche Gehälter und Aufstiegschancen sind natürlich zentral. Auch müsste man sich mehr mit dem Thema der Schwangerschaft und Familie auseinandersetzen. Väter sollten die gleiche Elternzeit erhalten und man müsste an veralteten Stereotypen arbeiten. Und man muss sich im Büro bzw. im Arbeitsalltag mit dem Thema Sexismus gründlich auseinandersetzen.
Glauben Sie, dass Männer anders führen als Frauen?
Ich höre oft, dass Männer viel transaktionaler, hierarchischer und risikoreicher führen, wohingegen Frauen einfühlsam, kollaborativ und risikoscheu führen. Meiner Meinung nach ist das Quatsch. Ich glaube, das ist einfach eine Aussage die mal wieder Gender-Stereotype stärkt. Die Frau ist emotional und risikoscheu und der man emotionslos und risikoreich. Für mich ist der Führungsstil aber einfach auf den Charakter, das Setting und die Geschichte einer Person zurückzuführen.
Haben Sie etwas aus Ihrem Berufsleben gelernt, das Sie nun auch ins Privatleben übertragen haben?
Also ich glaube ich kann nicht genau ein Sache nennen, die ich in meinem Privatleben anwende, aber ich glaube schon, dass mich mein Beruf in meiner Rolle als Frau sehr sicher gemacht hat. Auf Englisch würde man sagen, “I don’t take crap”. Mir ist auch leider mit der Zeit sehr bewusst geworden, wie weit verbreitet Sexismus noch ist – nicht nur im Beruf, sondern auch im Privatleben.
Hat sich während der Corona-Krise etwas geändert in diesem Bereich?
Die Corona-Krise hat leider dazu geführt, dass wir einen Schritt nach hinten gemacht haben. Ich merke das schon in meinem persönlichen Freundeskreis. Meistens waren es die Mütter, die das Homeschooling und das Betreuen der Kinder übernommen haben. Natürlich hat dies auch gravierende Folgen für die Karriere. Leider ist es 2021 immer noch in vielen Haushalten selbstverständlich, dass die Mutter diese häuslichen Tätigkeiten übernimmt.
Was empfehlen Sie Frauen in Führungspositionen?
Man muss Selbstbewusstsein haben. Spiele Deine Stärken aus. Ich glaube vielen Frauen müssen aufpassen, dass sie nicht die ganze Zeit darauf achten, dass andere sich wohlfühlen. Was ich damit meine, ist dass man seine Entscheidungen durchziehen muss, auch wenn sie nicht jedem passen. Ich sehe auch viel zu oft, dass Frauen sich ständig entschuldigen, damit der oder die andere sich wohlfühlt. Das untergräbt nach einiger Zeit die Autorität. Natürlich sollte man fair sein, auf seine Kolleginnen und Kollegen hören, sich ständig informieren. Aber diese Punkte gelten ja schließlich für beide Geschlechter.
Karla Kubica studiert im 4. Semester Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und BWL an der FU Berlin. Ursprünglich kommt sie aus Südafrika, dort ist sie
an eine internationale Schule gegangen. Sie würde gerne irgendwann selbstständig sein.