Am Arbeitsplatz freundlich zu sein, obwohl man sich nicht danach fühlt, kann unglaublich kräftezehrend sein und Schmerzen verursachen. Besonders Frauen sind davon betroffen. Ob auf Arbeit oder Zuhause, von Frauen wird verlangt für emotionales Wohl zu sorgen.
Von Matti Ullrich
„I worked as a banquet server. I would always be told to smile more, very aggressively by my managers even tho it felt so unnatural and forced. It really made me feel like a docile idiot. I feel like people dread going to work because we feel forced to put on this happy facade but in the name of perfection and convenience. I feel like emotional labour isn’t needed in order to provide good costumer service. For me to forcibly smile every time i fill up someones water, it unconsciously denies my real emotions and opinions. I recently got laid off because „every body could see I wasn’t happy working there“. Well… “ A., weiblich, 21 Jahre alt
Emotional Labour – zu deutsch: Emotionsarbeit – so nennt man die Anstrengung im Job Emotionen zeigen zu müssen, die man eigentlich aber gar nicht fühlt. Es ist im Grunde eine Dissonanz zwischen den gefühlten und den vorgeschriebenen Emotionen. Vom gezwungenen Lächeln, wenn man doch eigentlich schlecht gelaunt ist, bis hin zum strengen Handeln, obwohl man Mitleid hat – Emotionsarbeit gibt es in vielen Facetten. Es gehört bei vielen zum Arbeitsalltag dazu und ist auch erstmal nichts Ungewöhnliches. Trotzdem wird diese Form von Arbeit oft unterschätzt, sowohl von Kund*innen, Arbeitgeber*innen aber auch Arbeitnehmer*innen, denn die Auswirkungen von tagtäglicher zusätzlicher emotionaler Belastung können psychisch und physisch Spuren hinterlassen. Das kann ganz einfach eine Unzufriedenheit im Job sein, aber auch Müdigkeit, Erschöpfung und körperliche Schmerzen. Psychosomatische Beschwerden wie Schlafstörungen und Kopfschmerzen fallen bei Menschen, die eine hohe Emotionsarbeit leisten, häufig auf. Auch deshalb taucht der Begriff Emotional Labour in Forschungen und Untersuchungen der letzten Jahre immer öfter auf.
Ein nettes Gesicht gehört einfach dazu
„I was being told to be happy at work as a supervisor at a bar while dealing with drunk men who thought they could sleep with me the drunker they got. When they are drunk they think they can do anything.“ S., weiblich, 23 Jahre alt
Vor allem im Service und Bereichen der Gastronomie ist ein Lächeln aufzusetzen mehr als nur normal. Kund*innen müssen wie König*innen behandelt werden, denn dann sind sie glücklicher und geben mehr Geld aus. Ein nettes Gesicht führt zu höherem Umsatz. Am Arbeitsplatz zu lächeln gehört nicht nur dazu, sondern es ist oftmals sogar Bedingung. Doch auch darüber hinaus; für viele sind extra Einnahmen wie Trinkgeld überlebensnotwendig. Und diese fallen nun mal höher aus, wenn man freundlich ist, wenn man den Kunden zuzwinkert oder sogar mit ihnen flirtet. Wenn du im Callcenter nicht genügend Anrufer*innen befriedigst, bekommst du nicht ausreichend Punkte und kannst deshalb einfach entlassen werden. Kund*innen-Zufriedenheit geht anscheinend ohne ein freundliches Lächeln nicht. Viele wählen einen solchen Beruf freiwillig und mit dem Wissen, dass dieser mit zusätzlichen emotionalen Belastungen daher kommt. Allerdings macht das die physischen und psychischen Auswirkungen nicht weniger real und gefährlich. Berufe mit geringer Bezahlung sind oft die, bei denen die emotionale Arbeit am höchsten ist. Diese Form der Arbeit wird daher kostenlos geleistet. Und in Deutschland arbeiten besonders Frauen im Niedriglohnsektor.
Emotionsarbeit ist Frauensache
„I’m working as a nurse and it is super stressful. When I have to start at 6 in the morning I’m always tired. Some people don’t understand that it’s a hospital and not a hotel. They treat me like they would treat a waitress or cleaning personal – just without tipping me in the end. They expect from me to be in a good mood all day and make them feel happy but still to work like a machine. I have to care first and foremost about their health. This should be more important than everything else.“ L., weiblich, 20 Jahre alt
Auch außerhalb von Gastro und Service ist Emotionsarbeit ein Teil vom Arbeitsalltag, vor allem bei Frauen. Egal ob Lehrerin, Journalistin oder Krankenschwester, nett und freundlich zu sein ist etwas, was bei Frauen mit einer viel höheren Erwartungshaltung verknüpft ist. Deshalb wird der Begriff Emotional Labour in den letzten Jahren auch immer wieder mit dem Feminismus in Verbindung gebracht. Nicht nur am Arbeitsplatz sondern auch Zuhause ist es immer noch die Aufgabe der Frau für emotionales Wohl in der Familie zu sorgen. Frauen trösten und ermuntern – irgendwie altmodisch und unfair so zu denken, doch leider ist eine solche Einstellung noch weit verbreitet. Laut einer Studie der University of Leeds haben 87 % der befragten heterosexuellen Frauen bereits einen Orgasmus vorgetäuscht, um ihren Partner zu befriedigen. Ja, auch das ist Emotionsarbeit. Wenn Frauen also zu Hause für Harmonie und emotionales Wohl sorgen müssen, dann ist es nicht weit zu behaupten, sie tun dies ebenfalls am Arbeitsplatz. Vor allem bei Berufen mit meist männlicher Chefetage sind es die Sekretärinnen und Krankenschwestern, die mit unbezahlter Emotionsarbeit den Laden am Laufen halten.
*Die Namen der Stimmen sind verborgen, um eine Privatsphäre zu gewährleisten. Die Stimmen sind in Originalsprache und -wortlaut abgebildet.
Matti Ullrich studiert im 4. Semester Filmwissenschaft und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Er war Jugendjournalist bei Flensborg Avis und arbeitet nun in der Berliner Kinoszene.