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[100 Jahre Bptanischer Garten]

[Foto]

Das Große Tropenhaus im Bau.

Von Anke Assig

Die Geschichte des Berliner Botanischen Gartens ist wechselvoll wie das zurückliegende Jahrhundert. Seine Vorläufer eingerechnet, blickt er gar auf rund 420 Jahre zurück, mindestens bis zum Jahr 1573. Damals bestand im Lustgarten in der heutigen Stadtmitte ein Küchen- und Kräutergarten. Etwas mehr als hundert Jahre später richtete dann der Große Kurfürst einen landwirtschaftlichen Mustergarten auf dem Gelände des heutigen Kleistparks in Schöneberg ein. Der königliche Garten entwickelte sich ab 1679 vom Küchen-, Obst- und Lehrgarten zu einem höfischen Lustgarten. Der Kurfürst war ein großer Freund des Gartenbaus, Tulpen liebte er besonders. Unter seiner Hand machten hugenottische Gärtnerfamilien Berlin-Brandenburg zu einer Hochburg des Blumenzwiebelanbaus. Die geschickten Einwanderer gaben seinem Garten wichtige Impulse. Berlins erste Kartoffeln sollen hier gewachsen sein.

Botanische Forschungen waren um 1800 weitestgehend Privatsache – und ein Privileg der gehobenen Schichten. Die Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts beeinflussten den Gartenbau Berlins entscheidend. Sie brachten Samen und Pflanzen aus Übersee und dem Orient mit. Alexander von Humboldt etwa sandte 1803 Dahliensamen aus Mexiko nach Schöneberg und löste damit ein Wettzüchten unter Berliner Gärtnern aus. Mehr als 160 neue Sorten, darunter die „Auguste Victoria“ und die „Heinrich Zille“ entstanden in den folgenden Jahrzehnten. Lange bevor Humboldt in die Neue Welt aufbrach, war er als junger Mann dem Direktor des Botanischen Gartens begegnet. Das Treffen mit Carl Ludwig Willdenow hatte Humboldt tief beeindruckt. Gemeinsam spazierten sie durch den Tiergarten, sammelten und bestimmten Pflanzen. Keine 150.000 Einwohner zählte die Stadt damals. „In drei Wochen war ich ein begeisterter Botanist“, schrieb Alexander von Humboldt rückblickend. Die Pflanzen, die er in Südamerika sammelte und herbarisierte, vermachte er später seinem Förderer Willdenow. Einige sind noch heute im Botanischen Museum in Dahlem erhalten.

Zu dieser Zeit hatte Berlin noch keine Universität. Wohl aber beinhaltete die Ausbildung der Militärärzte am Berliner Collegium medico-chirurgicum bereits die Heilpflanzenkunde. Willdenow lehrte hier, bevor er 1810 als erster Professor für Botanik den Ruf an die neu gegründete Berliner Universität annahm. Neben Alexander von Humboldt war der Dichter Adelbert von Chamisso ab 1812 einer seiner bekanntesten Schüler. In kürzester Zeit brachte es der gerade erst für Medizin Immatrikulierte zum kommissarischen Leiter des Botanischen Gartens. Dann brach auch er auf, um die Welt per Schiff zu umrunden. Von den vielen tausend Herbarpflanzen, die er mitbrachte, sind heute nur einige wenige Exemplare erhalten.

Mit der Universität entwickelte sich Berlin im 19. Jahrhundert zu einem wissenschaftlichen Zentrum von Weltrang. Die Stadt war ein Magnet auch für Botaniker aus ganz Europa. Der Naturwissenschaftler Humboldt setzte sich nach seinen Reisen mit aller Kraft für neue naturwissenschaftliche Disziplinen ein. Er befand: „Berlin sollte mit der Zeit die erste Sternwarte, die erste chemische Anstalt, den ersten botanischen Garten [...] besitzen“. Die Geburt des Gartens in Dahlem hat er nicht mehr erlebt. Wohl aber, wie die wachsende Stadt dem Vorgänger in Schöneberg immer näher rückte. Bald umschlossen Wohnhäuser den Garten dort fast ganz.

Zwischen 1897 und 1910 zogen die Mitarbeiter dann auf das 43 Hektar große Gelände vor die Stadt nach Dahlem um. Gartendirektor Heinrich Engler ließ hier die bis heute größte pflanzengeografische Abteilung bauen. Geld spielte in der Reichshauptstadt fast keine Rolle. Um den Pflanzen aus den verschiedenen Gebirgsregionen der Erde optimale Bedingungen bieten zu können, ließ Engler Zugladungen von Steinen aus den deutschen Mittelgebirgen nach Dahlem bringen. Ihm zu Ehren heißt die von Nordost auf den Garten zulaufende Straße heute Englerallee.

1904 wurden die Freilandanlagen fertig gestellt. Unter Berlins Himmel wuchs ein Park- und Wildrosensortiment heran, das als das bedeutendste Deutschlands galt. Die Gewächshäuser beherbergten viele neue Pflanzen, vor allem aus den Tropen. Europaweit wetteiferten die Gärtner um Zuchterfolge bei den exotischen Neuentdeckungen. Im Botanischen Garten in Dahlem befand sich die „Botanische Zentralstelle für die Kolonien“, von der aus die noch unbekannte tropische Flora wissenschaftlich erschlossen wurde. Damals wie heute galt das 1910 fertig gestellte Große Tropenhaus als größte Attraktion. Auch das Viktoriahaus mit der Riesenseerosse Victoria amazonica zog die Besucher scharenweise an.

Die Bomben des Zweiten Weltkrieges richteten schwere Schäden an. Aufzeichnungen und Sammlungen von unschätzbarem Wert gingen verloren. Nach Kriegsende nutzten die Berliner die Gartenflächen, um mit Obst und Gemüse ihr Überleben zu sichern. 1948 eröffnete das erste kleine Schaugewächshaus. Das Große Tropenhaus – das Wahrzeichen des Botanischen Gartens – konnte erst 1968 fertig gestellt werden. Heute ziehen die Sammlungen und Herbarien Besucher aus aller Welt an. Aus den kleinen Stämmchen von 1904 sind mächtige Bäume geworden. Seit 1995 gehört der Garten zur Freien Universität. Er ist als Naturdenkmal geschützt.


Foto: BGBM

Mit dem Wahlspruch „Berliner Gartenfest für hundert Cent“ lädt der Botanische Garten die Berlinerinnen und Berliner am Sonnabend, dem 13. Juni 2004, zum Jubiläumsfest nach Dahlem ein. Auf dem Gartengelände erwartet die Gäste ein vielfältiges Programm. Dazu zählen Führungen hinter die Kulissen des Gartens ebenso wie musikalische Darbietungen und abwechslungsreiche Angebote für Kinder. Bereits um 10 Uhr eröffnen Jagdbläser von der Balustrade am italienischen Garten das Fest, zu dem mehr als 10.000 Besucher erwartet werden. Für einen symbolischen Eintritt von einem Euro erhält jeder Gast einen Gartenplan und das Festprogramm. „Es ist ein Fest für die Berliner, für alle, die uns mit ihren Unterschriften und Spenden unterstützt haben“, sagt Brigitte Zimmer, Professorin für Botanik und die Sprecherin des Botanischen Gartens. Die Feier endet um 20 Uhr.

Die Spenden der Gartenfreunde helfen, im Jubiläumsjahr die Väter des Gartens zu ehren. Im Gedenken an Heinrich Gustav Adolph Engler, den Gründungsdirektor, wurde das Areal der Pflanzengeografie erneuert. Es war seine Idee, die Pflanzen nach ihrer geografischen Herkunft anzuordnen. Insgesamt 13.000 Pflanzen wurden nun neu gepflanzt und warten auf interessierte Besucher.

Anke Assig

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