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[Kongress "Politik als Marke"]

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Von Oliver Trenkamp

Manchmal dienen Projektkurse des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft (OSI) der Vorbereitung von Demonstrationen – oder es wird gleich die Revolution geplant. Ganz anders ein Projektkurs aus dem letzten Semester: Die Studierenden gründeten unter dem Namen „Politikfabrik“ eine eigene Agentur für politische Kommunikation. „Wir wollen unsere Ausbildung praxisnäher und professioneller gestalten“, erklärte Politologiestudent Shamim Rafat.

In nur sechs Monaten organisierten er und seine Kommilitonen einen Kongress zum Thema „Politik als Marke“, an dem Ende April Referenten aus Politik, Medien, Wissenschaft und Werbebranche teilnahmen. Die Liste reichte von der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries bis zum früheren Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen, vom Tagesspiegel-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo bis zur TV-Journalistin Sandra Maischberger. Auf Podiumsdiskussionen und bei Impulsreferaten ging es darum, ob und wie „Politik zwischen Kommunikation und Inszenierung“ möglich ist.

Rund vierhundert Teilnehmer drängten sich auf der Eingangstreppe des dbb Forums in der Berliner Friedrichstraße. Viele trugen Anzug, manche Krawatte – mindestens aber ein gebügeltes Hemd. Die meisten Besucher waren Studierende der Politik- und Kommunikationswissenschaft. „Das ist professionell organisiert“, staunte die Publizistikstudentin Mareike Schodder, als sie ihre Tagungsunterlagen bekam. Politologiestudent Simon Sottsas freute sich auf die Referenten, war aber skeptisch: „Hoffentlich wird es nicht zu oberflächlich.“

Erstmals trafen während des Kongresses die Wahlkampfmanager der vier großen Parteien von 2002 aufeinander. Als Paradebeispiel für sinnentleerte Inszenierung, da waren sich alle einig, galt die FDP-Kampagne „Projekt 18“. Selbst FDP-Berater Fritz Goergen gestand fehlende Inhalte ein. Überhaupt gingen alle Referenten selbstkritisch mit den eigenen Parteien um: Mathias Machnig, Chef der SPD-KAMPA 02, sah bei den Sozialdemokraten „keinen Mut zur Programmatik“ und befand: „Die Topspieler in der Politik sind resistent gegen Beratung.“ Daraufhin betonte der Werber Bernd Heusinger, dessen Agentur für die Kampagnen der Grünen verantwortlich ist, wie wichtig „der Streit zwischen Politik und Agenturen“ sei.

Stoibers Berater Michael Spreng bemängelte die Abhängigkeit von Meinungsforschern: „Viele Politiker sind Umfrage-Junkies.“ Schließlich einigten sich die Experten darauf, dass Inszenierung ohne Inhalt nicht glaubwürdig ist und Politiker authentisch sein müssten.

Auch bei den Impulsreferaten war es die mal mehr, mal weniger stark formulierte Forderung nach Inhalten und Authentizität, die sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung zog. Der Agenturchef Rupert Ahrens mahnte: „Politik ist alles andere als vergleichbar mit Produktmarken.“ Die Justizministerin ergänzte später: „Politik als Marke braucht Bedeutung“, und nannte die Ostverträge Willy Brandts, die Wiedervereinigung und die Agenda 2010 in einem Atemzug, was zu einigen Lachern führte. Von einer „neuen Ernsthaftigkeit“ schwärmte der frühere Welt-Chefredakteur Wolfgang Weimer, der darin eine Chance für den Qualitätsjournalismus und die Rückbesinnung auf wirklich Wichtiges sah.

Unterhaltsam wurde es gegen Abend auf der Podiumsdiskussion „Mensch als Marke“: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Christian Ströbele, bekannte: „Ich bin leidenschaftlicher Autofahrer.“ Tagesspiegel-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo verglich Joschka Fischer mit Madonna, weil „er sich alle drei Jahre neu erfindet“. Die FDP-Europakandidatin Silvana Koch-Mehrin erklärte gar: „Weiblichkeit und Kompetenz schließen sich nicht aus“ – woraufhin sich die Diskussion zunächst um die Länge ihrer Beine drehte. Quintessenz: Plakative Sätze gehören zur Marke Mensch.

Beim anschließenden „Come Together“ im Foyer nutzten einige Teilnehmer die Chance und empfahlen sich bei Sekt und Brezeln den Referenten für Praktikumsplätze und Jobs. Kontakte sind nicht nur in der Politik wichtig.

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