Kültepe/Kanesch/Nescha in Zentralanatolien.
Der Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin hat am 15. Mai die Ehrendoktorwürde an den Archäologen Tahsin Özgüç verliehen. Der 85-jährige entstammt der ersten Generation von in der Türkei ausgebildeten Archäologen. Zu seinen Lehrern gehörten drei deutsche Wissenschaftler, die zwischen 1935 und 1948 an der neu gegründeten Universität Ankara unterrichteten: der Archäologe Hans Henning von der Osten sowie die Altorientalisten Hans Gustav Güterbock und Benno Landsberger. Güterbock und Landsberger waren 1935 wegen ihres jüdischen Glaubens in Deutschland aus ihren Universitätsstellungen entlassen worden und gehörten zu den Exilanten, zu denen auch der politisch Verfolgte und spätere Erste Regierende Bürgermeister West-Berlins, Ernst Reuter, zählte.
Das Hauptwerk Tahsin Özgüçs ist zweifellos die 1948 begonnene Ausgrabung auf dem Kültepe, der althethitischen Stadt Nescha, in deren Vorstadt die altassyrische Handelsniederlassung Kanesch lag. Seine mehr als fünfzigjährige Forschung an diesem Projekt hat dazu geführt, dass die altassyrische Epoche ins Licht der Geschichte gerückt worden ist und der Name Kültepe-Kanesch gleichbedeutend neben Ebla und Mari in Syrien, Assur, Babylon oder Uruk im Irak oder Susa im Iran steht. Erst im vorigen Jahr ist ein weiterer Band der Publikationsreihe dieser Ausgrabung erschienen, der die Tempel und Paläste von Kültepe behandelt.
Eindrucksvoll an Özgüçs akademischer Laufbahn ist nicht zuletzt die Verknüpfung seiner wissenschaftlichen Forschungsarbeit mit den Aufgaben der akademischen Selbstverwaltung. Tahsin Özgüç war von 1969 bis 1980 Rektor der Universität Ankara. Trotz dieser erfüllenden Aufgabe hat seine wissenschaftliche Leistung in diesen Jahren nicht nachgelassen. Im Gegenteil: Neben seinen fast jährlich durchgeführten Ausgrabungen auf dem Kültepe fand er noch Zeit, neue Ausgrabungen in Altintepe im Nordosten des Landes oder in Maschat Höyük zu unternehmen. Andererseits hat er als Mitglied der Regierungskommission für die Reform des Erziehungswesens maßgeblich an dem Ausbau der Universitätslandschaft in der Türkei mitgewirkt.
Tahsin Özgüç ist der Nestor der Vorderasiatischen Archäologie in der Türkei. Seine Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft haben zahlreiche ausländische Kollegen dankbar erfahren. Vor allem der deutschen Archäologie hat er immer wieder seine Verbundenheit bekundet. Er tut dies auch gegenwärtig: Die für Ende des Jahres geplante Eröffnung der Hethiter-Ausstellung in Köln/Bonn ist auf seine Initiative zurückzuführen. Die Freie Universität ehrte in Tahsin Özgüç einen hervorragenden Wissenschaftler und Freund.
FU-N