[Freie Universität Berlin] [FU-Nachrichten - Zeitung der Freien Universität Berlin]
 
  
TitelAktuellAktuellInnenansichtenLeuteWissenschaftStudierendeDie Letzte
FU Nachrichten HomeFU-Nachrichten ArchivFU Nachrichten SucheLeserbrief an die RedaktionImpressumHomepage der FU Pressestelle
Vorheriger Artikel...
Nächster Artikel...

 

[Kunsthistorisches Institut beteiligt sich an internationalem Multimedia-Projekt GIOVE]

Was haben Giove, der italienische Jupiter, Vincenzo und Benedetto Giustiniani, ein fürstliches Brüderpaar im Rom des 17. Jahrhunderts, und Schinkels Altes Museum in Berlin gemeinsam? Sie haben mit einem internationalen Multimedia-Projekt zu tun, das das Kunsthistorische Institut der Freien Universität Berlin zusammen mit Partnern in Berlin, Potsdam, Rom und Wien durchführt. Der Name GIOVE mag suggerieren, dass sich das Projekt vor allem der antiken Göttergestalt Jupiter widmet. Doch weit gefehlt, GIOVE ist schlicht die Abkürzung des Projekttitels: The Giustiniani Collection in a Virtual Environment. Tatsächlich wird das Projekt auf einer Website Informationen zu einer bedeutenden römischen barocken Kunstsammlung liefern. Für ihre Programmierung ist die IT-Abteilung des Kunsthistorischen Instituts der Freien Universität Berlin verantwortlich.

Die Sammlung Giustiniani

Die einflussreichen Brüder Benedetto und Vincenzo Giustiniani trugen ihre großartige Kunstsammlung Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts zusammen. Neben Werken des 15. und 16. Jahrhunderts umfasste die Kollektion insbesondere Gemälde der Italiener Caravaggio und der Carracci sowie niederländischer Maler, die in Rom ansässig waren und aufgrund ihrer großen stilistischen Nähe zu Caravaggio auch unter dem Begriff „Utrechter Caravaggisten“ geführt werden. Die Genueser Brüder bewahrten die Kunstschätze (etwa 600 Gemälde und 1800 antike Skulpturen) in ihrem römischen Stadtpalast auf. Zahlreiche Künstler aus ganz Europa arbeiteten für sie, besuchten ihre Sammlung oder kopierten Kunstwerke daraus, so dass diese Sammlung einen außerordentlichen Einfluss auf die Herausbildung einer gemeinsamen europäischen Kultur hatte und den Geschmack einer ganzen Epoche prägte. Viele der Giustiniani-Gemälde sind heute noch erhalten. Doch inzwischen sind sie in der ganzen Welt zerstreut, da die ursprüngliche Sammlung im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts aufgelöst wurde. Anhand wieder gefundener Inventare konnten 76 Gemälde der ursprünglichen Sammlung wieder zusammengeführt werden. Bis Mitte Mai waren sie in einer viel beachteten Ausstellung an ihrem ursprünglichen Aufbewahrungsort im Palazzo Giustiniani zu sehen. Am 15. Juni kommt die Ausstellung ins Alte Museum nach Berlin. 157 Gemälde der Giustiniani-Kollektion hatte sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. 1816 auf dem Pariser Kunstmarkt gesichert. Sie wurden zum Ursprung der Berliner Gemäldegalerie im ersten öffentlichen Museum der Stadt. 42 dieser Gemälde befinden sich noch heute dort, 25 weitere in der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in Potsdam. Etwa die Hälfte der Bilder aus diesem einst reichen Bestand wurden im und nach dem zweiten Weltkrieg zerstört oder gelten als verschollen. Nun kehren die Gemälde für die Ausstellung „Caravaggio in Preußen“ an ihren zweiten Aufbewahrungsort zurück.

GIOVE ergänzt Ausstellung

Da in beiden Ausstellungen nicht der gesamte nach heutigem Forschungsstand zu rekonstruierende Bestand an Gemälden gezeigt werden kann, bietet GIOVE eine virtuelle Ergänzung mit zusätzlichen Informationen. Die Internetveröffentlichung hat das Ziel, alle wissenschaftlichen Ergebnisse der internationalen Forschung zur Sammlung Giustiniani zusammenzuführen und leicht verständlich anzubieten. Gleichzeitig soll aber auch der Forschung ein effektives Arbeitsinstrument in Form von Datenbankmodulen zur Verfügung gestellt werden. Objekte, Personen und Ereignisse werden neben historischen Dokumenten und dem heutigen Sammlungszusammenhang erfasst. Kunstwerke in vielen Museen der Welt werden so in ihrem historischen Zusammenhang erfahrbar. Von der Analyse der Sammlungsstrategie, der Geschmacksurteile und der internationalen Orientierung führender Sammler und Mäzene und dem Wissen um das Schicksal ihrer Kunstwerke in späterer Zeit wird ein entscheidender Beitrag zum Verständnis der gemeinsamen europäischen Kultur erwartet. Das seit 1999 laufende und für drei Jahre angelegte Forschungsprojekt wird von der Abteilung für Informations- und Kommunikationstechnik der Staatlichen Museen zu Berlin koordiniert und mit Mitteln der Europäischen Kommission gefördert. Neben den Staatlichen Museen zu Berlin beteiligen sich das Kunsthistorische Museum in Wien und die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in Potsdam, sowie das Istituto di Storia dell’Arte der Università degli Studî di Roma „La Sapienza“ und das Kunsthistorische Institut der Freien Universität Berlin an dem Multimedia-Projekt. Die fünf Partner erfüllen dabei unterschiedliche Aufgaben.

Arbeitsbereiche der Partner

Die Staatlichen Museen zu Berlin entwickeln gemeinsam mit der Firma Dynix das Kernstück der Internetpräsentation: Mit „WebConnect“, einer Web-Datenbank, sollen alle wissenschaftlichen Daten zur Sammlung Giustiniani im Kontext der Berliner Museumsgeschichte vereint werden. Unterstützt von den zwei deutschen Projektmitgliedern erstellt die Abteilung für Informations- und Kommunikationstechnik der Staatlichen Museen parallel zur deutschen Ausstellung eine virtuelle Rekonstruktion des Alten Museums, um die ursprüngliche Hängung der Giustiniani-Gemälde in der Berliner Gemäldegalerie von 1830 zu veranschaulichen. Der Potsdamer Partner liefert Forschungsergebnisse und Bildmaterial zu jenen Giustiniani-Werken, die im Laufe des 19. Jahrhunderts in die königlichen Schlösser gelangten. An der „Sapienza“ in Rom entsteht ein weiteres Datenbankmodul, das die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur barocken Sammlungsgeschichte präsentiert. Mit der Auswertung der Familienarchive der Giustiniani wird eine Lokalisierung der Gemälde innerhalb der Räumlichkeiten bis zur Auflösung der Kunstsammlung im Palazzo Giustiniani möglich sein. Das Kunsthistorische Museum in Wien bereitet eine multimediale Dokumentation der Restaurierungskampagne für eines der bedeutendsten Werke der Sammlung, Caravaggios „Dornenkrönung“, vor. Beispielhaft soll auch dem nicht spezialisierten Besucher der Website Einblick in diesen wichtigen Bereich der Museumsarbeit gewährt werden. Das Kunsthistorische Institut der Freien Universität Berlin schließlich ist unter der Leitung von Prof. Rudolf Preimesberger und Prof. Eberhard König dafür zuständig, mit Seminaren zur Sammlung Giustiniani, zur römischen und europäischen Sammlungsgeschichte sowie zur systematischen Datenbankerfassung Studierende in das Projekt mit einzubeziehen. Es werden nicht nur Seminararbeiten auf der Website veröffentlicht, sondern Studierende eines Datenbank-Kurses können als Praktikanten der Staatlichen Museen zu Berlin aktiv an GIOVE mitarbeiten. Im Juni 2000 führte das Kunsthistorische Institut eine zweitägige internationale Fachtagung zur Sammlung Giustiniani durch, die in der Presse starke Resonanz fand. Durch die Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Digitale Medien der Freien Universität wurde es möglich, die Vorträge der Tagung audiovisuell auf der GIOVE-Website zu übertragen. GIOVE wurde bereits in seiner ersten Projektphase ins Netz gestellt. Sukzessive wird die Seite nun mit Inhalt gefüllt. Mit dem Projektende im März 2002 sollen schließlich alle Informationen zur Verfügung stehen. Trotzdem lohnt sich schon jetzt ein Blick auf die Seiten unter www.fu-berlin.de/giove. Doch nicht zu vergessen: Am 15. Juni wird die Ausstellung „Caravaggio in Preußen“ eröffnet. Auch wenn sie von GIOVE im Internet virtuell begleitet wird, bietet sie bis September den unvergleichlich größeren Reiz, die einmaligen Gemälde im Original zu bewundern.

Maximilian Benker
Der Verfasser ist Akademischer Rat am Kunsthistorischen Institut der FU Berlin und für die Internetpräsentation von GIOVE zuständig.

Zum Anfang des Artikels...