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Der Stand der Verhandlungen über die Hochschulverträge für die Jahre 2003 bis 2005 gibt Anlass zu erheblicher Sorge. Ursprünglich sollten die Verträge Ende Mai – vor den Beratungen des Berliner Senats für den Haushalt 2001 – unter Dach und Fach sein. Aber alles kam anders.
Nachdem wir wochenlang mit der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung verhandelt hatten und schließlich im April ein Vertrag von allen Hochschulen paraphiert wurde, begann ein zähes Ringen zwischen der Wissenschafts- und Finanzverwaltung, bei dem – wie hier und da bekannt wurde – wesentliche Aspekte der Finanzierung kontrovers blieben: Tarifvorsorge, Inflationsausgleich, unzureichend ausgeglichene Pensionslasten der Vorjahre, investive Zuschüsse, vor allem aber die Finanzierung der Hochschulmedizin waren offenbar die wichtigsten Dissenspunkte zwischen den beiden Senatsverwaltungen. Wissenschaftspolitiker beider Senatsfraktionen schalteten sich ein, Äußerungen von Vertretern der Koalition in der Öffentlichkeit erzeugten wachsende Irritation auf allen Seiten, die Berliner Wirtschaft stellte sich öffentlich hinter die Forderungen der Universitäten, aber dennoch ging es nur mühsam weiter. Dann aber brachte der sich abzeichnende Zerfall der Großen Koalition urplötzlich Bewegung in die Sache: Den Universitäten wurde am 5. Juni von der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung eine neue Version des Hochschulvertrags vorgelegt, die in Teilen von der schon im April paraphierten Fassung abwich. Trotz erheblicher Bedenken hat die Freie Universität Berlin, vertreten durch den Ersten Vizepräsidenten, Prof. Dr. Dieter Lenzen, diese Fassung akzeptiert – unter großem politischem Druck und angesichts völlig fehlender Aussichten auf Verbesserung des Ergebnisses. Es war ein Gebot der Vernunft, in einer Lage der politischen und wirtschaftlichen Verwahrlosung Berlins der Freien Universität die Alternative einer ungeregelten, keinerlei Planungssicherheit enthaltenden finanziellen Situation zu ersparen.

Kritik an Vertragstext

Die Kritik der Freien Universität an dem derzeitigen Vertragstext richtet sich – von Einzelheiten abgesehen – vor allem gegen drei Punkte:

  1. Der „Strukturfonds zur Stärkung der Fachhochschulen“ wurde zu Lasten der Universitäten von ursprünglich 3,2 Millionen DM auf 5 Millionen DM aufgestockt. Unverantwortlich ist, dass die Universitäten sich nunmehr, anders als die Fachhochschulen, nicht mehr um diese Mittel zur Einrichtung neuer praxis- und berufsnaher Studiengänge bewerben können. Diese Vertragsänderung macht Absichten der Politik erkennbar, die wir deutlich kritisieren. Einerseits soll der Ausbildungstypus der anwendungsbezogenen Fachhochschulen deutlich von dem der grundlagenorientierten Universitäten getrennt werden – das ist der Sache nach falsch, weil es eine so scharfe Trennung zwischen Grundlagen und Anwendung gar nicht gibt. Andererseits will die Politik offenbar den Wettbewerb zwischen den Hochschulen verhindern – das ist leistungs- und reformfeindlich, weil die Konkurrenz zwischen den Hochschultypen die Etablierung neuer Ausbildungsformen fördern würde.
  2. Die Hochschulverträge sehen eine Absenkung der Zuschüsse für die Hochschulmedizin in den Jahren 2003 bis 2005 schrittweise um eine Gesamtsumme von 90 Millionen DM vor. Das Präsidium kritisiert die daraus resultierenden 18 Millionen DM Einsparungen für das UKBF auf das Schärfste, weil das UKBF bereits in den vergangenen Jahren einseitig durch vielfache Kürzungen an den Rand der Existenzfähigkeit geführt wurde – schon vor Jahren hat der Wissenschaftsrat angemahnt, die kritische Situation des Klinikums nicht weiter zu belasten. Das UKBF hat seine Leistungen in Lehre und Forschung erheblich gesteigert und steht heute hinter anderen Klinika mit einem deutlich grösseren finanziellen Dispositionsvolumen nicht zurück – jetzt aber werden massive Auswirkungen auf Lehre, Forschung und Krankenversorgung zu befürchten sein.
  3. In der Summe zahlreicher kleinerer Änderungen in der neuen Vertragsversion belaufen sich die Kürzungen für die Freie Universität auf insgesamt 33 Millionen DM. Derzeit ist für das Präsidium nicht ersichtlich, wie diese Kürzungen umgesetzt werden können, ohne Lehre und Forschung erneut massiv zu belasten: Wir haben schon vor Verhandlungsbeginn auch in der Öffentlichkeit deutlich gemacht, dass es nicht nur darum gehen werde, die politisch garantierte Zahl von Studienplätzen auszufinanzieren, sondern auch darum, den weiteren Verfall des baulichen, technischen und Ausstattungsrückstands aufzuhalten und eine in dieser Form noch nie dagewesene Welle von Neuberufungen auf hohem Qualitätsniveau und im Wettbewerb mit anderen Universitäten zu realisieren. Mit weiteren Kürzungen werden diese Aufgaben kaum zu lösen sein.

Abgeordnetenhaus entscheidet

Die Politik in dieser Stadt ist jetzt gefordert, ihrer Verantwortung für die Wissenschaft gerecht zu werden – im Augenblick scheint noch völlig offen, wie es weitergehen wird: Die paraphierten Verträge müssen noch das Abgeordnetenhaus passieren, und niemand kann derzeit vor Überraschungen sicher sein. Schon in den vergangenen Wochen haben wir erlebt, wie die Koalitionsfraktionen den der jeweils der anderen Partei zugehörigen Senatsressorts die größeren Kürzungen zuschoben. Das muss anders werden, denn bei der Finanzierung der Hochschulen geht es um eine Zukunftsaufgabe der Stadt, mit der man nicht parteipolitisch umgehen kann. Ich appelliere daher an die Mitglieder des Abgeordnetenhauses, die Hochschulverträge nicht zum Gegenstand eines anstehenden Wahlkampfes zu machen, sondern sich parteiübergreifend für ein „Bündnis für die Wissenschaft“ einzusetzen. Schließlich geht es um nichts weniger als um die Glaubwürdigkeit der wiederholten Zusagen der Politik – diese waren Voraussetzungen dafür, dass die Berliner Hochschulen dem rasanten Strukturabbau zugestimmt haben, der in diesem Umfang seinesgleichen in Deutschland sucht. Es ist daran zu erinnern, das selbst die bisherigen Oppositionsparteien stets für eine bessere Ausfinanzierung der Hochschulen argumentiert haben, die erforderlich ist, wenn Berlin wenigstens auf diesem Gebiet wettbewerbsfähig bleiben will. Es darf nicht sein, dass die einstimmigen Beteuerungen, das es sich bei Bildung und Wissenschaft um Zukunftsaufgaben handle, plötzlich nicht mehr gelten, sobald es um Mandate und Posten geht.
Wenn es keine Fortschreibung der Verträge und keine gesicherte Ausfinanzierung der Strukturpläne geben sollte, werden die Hochschulen in einen Zustand unplanbaren Strukturabbaus zurückfallen. Dann kann weder der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen aufrechterhalten, noch können die zugesagten Studienplätze realisiert werden. Unsere Berufungspolitik, die auf Qualitätsgewinn setzen muss, wäre zum Scheitern verurteilt: Weil niemand mehr von einer Zukunftsperspektive in Berlin zu überzeugen wäre, könnte der jetzt anstehende Generationswechsel nur mit deutlichem Qualitätsverlust vollzogen werden. Die Berliner Wissenschaft wäre auf Jahrzehnte nicht mehr konkurrenzfähig. Berlin würde beim Wissenschaftsrat vollends unglaubwürdig. Dessen Empfehlungen könnten die Hochschulen nicht einmal in Teilen umsetzen.

Die Freie Universität hat unter den schwierigen Bedingungen der letzten Jahre Erstaunliches geleistet und stellt sich selbstbewusst dem Leistungsvergleich – auch über die Landesgrenzen hinaus. Sie ist weit über Berlin hinaus eine „erste Adresse“ und zusammen mit den anderen Hochschulen eines der wesentlichen Argumente, auf denen die Reputation Berlins als „Stadt der Wissenschaft“ beruht. Die Politik hat sich in den letzten Monaten einiges geleistet – der Tragödie des massiven Abbaus der letzten Jahre darf sie jetzt nicht auch noch das Satyrspiel chaotischer Planungsunfähigkeit folgen lassen.

Prof. Dr. Peter Gaehtgens
Präsident der Freien Universität Berlin

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