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Bildverarbeitung: Erfolgreiche Zusammenarbeit von Informatikern und Medizinern - Alltagswerkzeuge für die Mediziner

Von Jens Hübner

"Über viele Jahre wird sich die Informatik als Kerntechnologie in der Medizin etablieren und zum Alltagswerkzeug der Mediziner werden.", schätzt Prof. Dr. Thomas Tolxdorff. Seit er 1992 an den neu eingerichteten Arbeitsbereich Medizinische Informatik des Universitätsklinikums Benjamin Franklin (UKBF) berufen wurde, arbeitet man hier verstärkt an Projekten, die Informatik in der Medizin einsetzen. "Trotz dieser Entwicklung werden Mediziner aber nie Angst haben müssen, vom Computer verdrängt zu werden", beruhigt Tolxdorff. "Der Computer ist lediglich ein Hilfsmittel, genauso wie ein Fieberthermometer." Auch künftig wird der Arzt derjenige sein, der die Diagnose erstellt und über die Art der Behandlung entscheidet. An den Projekten, die am Arbeitsbereich Medizinische Informatik laufen, ist deshalb auch immer ein Mediziner beteiligt. Professor Dr. Michael H. Foerster, Geschäftsfüh-render Direktor der Augenklinik und Poliklinik, arbeitet zum Beispiel mit den Forschern am Arbeitsbereich Medizinische Informatik an einem neuen Verfahren zur Bestrahlung von Augentumoren.

Die in Deutschland bisher einmalige Behandlungsmethode setzt ein neues, von Diplom-Informatiker Sebastian von Klinski entwickeltes Bildverfahren ein, bei dem ein dreidimensionales Modell des Auges anhand von hochauflösenden Kernspinaufnahmen (MRT-Aufnahmen) berechnet wird.

Bis jetzt dient als Grundlage für die Berechnung der Strahlendosis und -richtung ein kugelförmiges Augenmodell, welches das reale Auge aber nur ungenügend nachbildet. Ein weiteres Problem ist die minimale Breite der Röntgenstrahlen, mit denen das Tumorgewebe bisher abgetötet wurde. Sie liegt bei ca. fünf Millimetern. Wichtige Strukturen des Auges, wie die Papille (Austrittspunkt der Sehnerven), die auch als blinder Fleck bezeichnet wird, oder die Fovea centralis, der Punkt mit der höchsten Sehschärfe, haben aber einen weit geringeren Durchmesser. Tumore, die nah an diesen beiden Strukturen lokalisiert sind, können deshalb nur schwer behandelt werden, ohne die Sehfähigkeit stark zu beeinträchtigen. Deshalb setzt man nun Protonenstrahlen ein, deren Vorteile bei der hohen Präzision der Strahlendosierung sowie ihrem charakteristischen Absorptionsverhalten liegen. Im Gegensatz zu Röntgenstrahlen gibt es nämlich einen so genannten bragg peak, den Punkt mit der höchsten Strahlenkonzentration, nach dem die Strahlung nicht weiter in das Gewebe eindringt. Gesundes Gewebe hinter diesem Punkt wird somit geschont. Um die Bilddaten später der Position des Auges zuordnen zu können, werden vor den MRT-Aufnahmen so genannte Marker auf den Augapfel aufgenäht. Anhand des auf Grundlage der Aufnahmen erstellten Augenmodells werden dann die Bestrahlungszeiten mit den Strahlenphysikern geplant. Die eigentliche Bestrahlung des Tumors wird im Hahn-Meitner-Institut durchgeführt. In Deutschland ist dieses Institut das einzige, das einen dazu benötigten Protonenbeschleuniger hat.

"Unterkiefer in das Operationsgebiet einblenden" – vornüber gebeugt mit einer futuristisch anmutenden 3D-Brille auf dem Kopf, steht ein Arzt vor dem Operationstisch. Über sein Kopfmikrofon gibt er Anweisungen an einen Computer, der ihm über die Brille Bilder von Knochensegmenten in das Operationsgebiet einblendet. So könnten schon bald Operationen am UKBF durchgeführt werden. Die drei Diplom-Informatiker Dirk Siebert, Patrick Neumann und Armin Schulz beschäftigen sich im Rahmen des Projektes "Kieferchirurgie – Intraoperative Navigationsunterstützung" unter der Leitung von Frau Dr. Ing. Gabriele Faulkner mit der Virtuellen Realität (VR) in der Kieferchirurgie. Ziel des Projektes ist es, die Präzision der Korrektur von Knochenfehlstellungen im Kieferbereich zu erhöhen und eine Kostenreduzierung zu erreichen. Bisher wurde bei der Planung eines kieferchirurgischen Eingriffes meistens ein 3D-Modell des Schädels mittels der Stereolithografie erzeugt. Bei diesem Verfahren kreist ein Laserstrahl um einen mit Kunstharzlösung gefüllten Behälter. An der Stelle, auf die der Strahl fokussiert ist, härtet das Kunstharz aus, und es entsteht Schicht für Schicht ein reales dreidimensionales Modell des Schädels. Dieses Verfahren ist allerdings nicht gerade billig – ein so hergestelltes Modell kostet ca. 6000 DM – außerdem lassen sich Änderungen, die durch bohren oder fräsen entstehen, nicht noch einmal korrigieren.

Bei der Visualisierung der mit einem Computertomographen (CT) gemessenen Bilddaten hat der Arzt die Möglichkeit, sich die Bilder mit einer 3D-Brille anzusehen und seinen Eingriff vorher zu planen. Später im OP-Saal wird er bis jetzt noch von zwei Informatikern unterstützt. Der eine kümmert sich um die Ermittlung der Raumkoordinaten von Patient und mobilisierten Knochenteilen und der andere um den Abgleich der Planungsdaten mit der Operation. Später soll es möglich sein, dass dem Chirurgen über eine sogenannte "See Throu"-Brille die Bilddaten direkt in das Operationsgebiet eingeblendet werden. Bis jetzt wurden bereits 20 Operationen mit der neuen Technik durchgeführt. Obwohl das Verfahren zur Darstellung der 3D-Bilddaten das bisher schnellste in Deutschland ist, dauert die Berechnung der 3D-Bilder aus einem CT-Datensatz – je nach Umfang – noch vier bis acht Stunden. Bei einer Zeitspanne von einem Monat zwischen CT-Aufnahmen und Operation fällt dies aber nicht weiter ins Gewicht.

Ein weiteres Anwendungsgebiet der Bildverarbeitung ist die Schlaganfalldiagnostik. Bei einem Schlaganfall kann unter bestimmten Vorraussetzungen eine neuartige Therapie – die Lyse – eingesetzt werden. Dabei werden Blutgerinnsel, die ein Gefäß blockieren, durch Medikamente aufgelöst. Diese Therapie verbessert die Prognose und damit die Aussicht auf Besserung für die Patienten beträchtlich, muss jedoch innerhalb der ersten drei bis sechs Stunden erfolgen. Infarkte lassen sich auf normalen MRT-Bildern zuverlässig allerdings erst nach einigen Stunden erkennen. Die Forscher des Projektes "Image Processing and Experimental Magnetic Resonance Tomography" machten sich daher zunutze, dass sich als Folge der reduzierten Sauerstoffversorgung die Wasserbeweglichkeit in den Zellen sehr schnell verändert. Bei dem neuen Verfahren wird eine spezielle Messtechnik der Magnetresonanztomographie (MRT) eingesetzt, die diese Wasserbeweglichkeit sichtbar machen kann. Diese so genannte diffusionsgewichtete Bildgebung wurde in den USA anhand von Tiermodellen entwickelt. Als man es dann 1995 im Rahmen des Projektes auch in Deutschland einsetzen wollte, gab es noch keine kommerziell erwerbbaren MRT-Geräte, die mit der neuen Messtechnik Bilder erzeugen konnten. Also machten sich Dr. Dr. Johannes Bernarding und Dr. Jürgen Braun daran, ein handelsübliches MRT-Gerät genau dafür neu zu programmieren. Ab 1998 konnte diese neuartige Messtechnik in Zusammenarbeit mit der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, deren Direktor Prof. Dr. Karl-Jürgen Wolf ist, für die Frühdiagnostik von Schlaganfällen eingesetzt werden. Inzwischen sind vergleichbare Geräte zwar auch schon auf dem Markt erhältlich, haben aber nicht die Möglichkeit der Bildnachbearbeitung. Für die Diagnose werden nämlich Bilder aus drei verschiedenen Verfahren miteinander zu einem Histogramm kombiniert. Die unter der Leitung von Dr. Dr. Johannes Bernarding entwickelte Software stellt dem behandelnden Arzt dann ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem Abweichungen der Gewebeeigenschaften von Schlaganfallpatienten gegenüber gesunden Patienten in dem Histogramm sichtbar gemacht werden können. Damit können Mediziner Schlaganfälle schon in einem sehr frühen Stadium diagnostizieren.

Bei den vielen Aktivitäten im Bereich der Forschung kommt es Professor Tolxdorff aber auch immer darauf an, "nah am Arbeitsalltag zu arbeiten und eine ,Elfenbeinturm-Wissenschaft, zu verhindern." So kümmern sich die Mitarbeiter des Arbeitsbereiches zum Beispiel auch um so alltägliche Aufgaben wie die Einrichtung der Arbeitsplatzrechner im UKBF, deren Wartung und Beschaffung, als auch die Beratung vor allem bei Neueinführungen von Hard- und Software. Darüber hinaus halten die Forscher und Mitarbeiter auch Lehrveranstaltungen im Pflichtbereich des Medizinstudiums und Vorlesungen im Fachbereich Mathematik und Informatik ab. Bei so vielen Verpflichtungen "ist der Arbeitsalltag am Institut zwar spannend, aber anstrengend" gibt Bernarding zu bedenken. "Man ist allerdings auch immer glücklich, wenn man weiß, dass man mit seiner Arbeit Menschen geholfen hat."

 
 
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