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An der Ausstellung "Sieben Hügel" sind FU - Wissenschaftler massgeblich beteiligt

Udo Steinbach spricht über die multireligiöse Zukunft Europas

Sieben Hügel –
Bilder und Zeichen
des 21. Jahrhunderts

bis 29. Oktober,
Di bis So 10-20 Uhr,
Sa 10-22 Uhr,

Eintritt 10 DM,
ermäßigt 7 DM, Katalogpaket 68 DM,
Einzelband 12 DM.

Sieben Hügel Logo

Sieben Hügel...

   

Von Felicitas von Aretin

"Je größer die Insel unseres Wissens, desto größer das Ufer unseres Nicht-Wissens", hat der Physiker John Wheeler einst bekannt, ohne zuvor über die im Martin-Gropius-Bau sinnbildlichen "Sieben Hügel – Bilder und Zeichen des 21. Jahrhunderts" gewandert zu sein. Wie in einer Wunderkammer der Renaissance werden assoziativ Mikroskope, Naturalien, Kunstwerke sowie Computerinstallationen zu einer "Kathedrale des Wissens" zusammengebaut. In Kooperation mit High-Tech-Unternehmen, Forschungsinstituten und Künstlern will die Ausstellung "ahnungsweise den Blick in die Zukunft der Menschheit jenseits der Jahrtausendwende" eröffnen. Visualisierungstechniken in den Naturwissenschaften wollen den Dualismus von Kunst und Wissen aufheben, naturwissenschaftliches Denken sinnlich erfahrbar machen.

Eindrucksvoll haben sich in der Ausstellung FU-Wissenschaftler/innen präsentiert. Dies beginnt in dem zum futuristischen Raumschiff umgebauten Lichthof. Im Mittelpunkt rotiert eine glühende Kugel aus Schalen aufgebaut, von Magmakanälen durchzogen, von Vulkanen übersät. Die Erde, so die Installation, ist ein dynamisches System aus kosmischen Teilchen mit dem ungeklärten Wunder intelligenten Lebens. Wie sehr die Dynamik der Erde wirkt, zeigt eine 160 cm hohe Mineralstruktur "Black Smoker", die der FU-Geologe Peter Halbach auf einer Tiefsee-Expedition 1998 im Nord-Fidschi-Becken aus 2000 Meter Wassertiefe heben ließ. Erzschlote, flüchtige Erscheinungen, die nach einer Wachstumszeit von bis zu 100 Jahren erkaltend zerfallen, entstehen, wenn Meereswasser in die tiefliegende Magma eindringt. Durch die hydrothermalen Aktivitäten werden aus der aufsteigenden Lösung bei Berührung mit dem Wasser Mineralien ausgefällt, die als Schornsteine aufsteigen.

"Flaschenpost vom Urknall", heißt die Sektion, die sich mit dem befasst, was die Welt im Innersten zusammenhält, den Atomen, Elektronen und Quarks. Hier ist der Blick nach innen, in das Innerste der Materie gerichtet. Ein "atomares Kupferstichkabinett" von Prof. Dr. Rieder vom Institut für Experimentalphysik der FU, lässt einzelne Atome sichtbar werden. Ein Experimentaufbau von Prof. Dr. Hamprecht zeigt die Paradoxien der modernen Physik, wonach Materie sowohl als eine Zusammensetzung von Teilchen, wie auch als Konglomerat von Wellen beschrieben werden kann.

Um die "Kultur der Natur", das heißt, um eine vom Menschen berührte Natur, geht es in der Abteilung "Dschungel". Ein künstliches Paradies in Form eines Gemäldes von Johann Melchior Roos, das die Menagerie des Landgrafen Carl von Hessen-Kassel zeigt, setzt die Idee gekonnt ins Bild. Anstelle der Natur tritt ein künstlicher Dschungel mit "Vitrinen-Bäumen". Die Vielfalt des Lebens demonstriert eine Leuchtwand mit zahlreichen Insekten, die zu einer herunter gefallenen Lebensgemeinschaft eines einzigen Baumes zählen. Der "Dschungel in uns selbst", so der Beitrag des FU-Verhaltensbiologen Dietmar Todt, ist anhand einer Installation zur Kommunikation von Delphinen ertastbar. Als würden die Delphin-Figuren dem Wasser entspringen, ragen sie in den Ausstellungsraum hinein. Sobald der Zuschauer einen Delphin-Kopf streichelt, zeigt eine Serie von Videoclips Delphine beim Jagen, Flirten und Spielen – unterlegt mit visualisierten Pfiffen und Lauten in Form von Computergrafiken. "Delphine besitzen ein hochentwickeltes Gehirn und leben in sozialen Gemeinschaften", erklärt Todt. Auch wenn Delphine im herkömmlichen Sinne nicht miteinander sprechen, verfügen sie über ein Repertoire an Lauten, mit denen sie sich in bestimmten Situationen verständlich machen können.

Die Zukunft in der Vergangenheit will die Sektion "Wissen" im Obergeschoss des Martin-Gropius-Baus finden. Dank einer Multimedia-Installation, die in enger Zusammenarbeit mit den FU-Archäologen Prof. Dr. Wolf-Dieter Heilmeyer und Prof. Dr. Wolfram Hoepfner entstand, wandert der Betrachter, einem Bürger des 3. Jahrhunderts vor Christus gleich, über die Akropolis von Pergamon und findet sich am Ende in der längst zerstörten Bibliothek wieder. Das Innere der Bibliothek wurde nach einer der möglichen Theorien ausgestattet. Danach standen die Zedernholz-Buchschränke im Hauptsaal auf Sockeln. Die Bibliothek von Pergamon und die noch bekanntere alexan-drinische Bibliothek waren in ihrer Zeit Vorläufer einer alle Kulturen umfassenden künftigen virtuellen Weltbibliothek.

In dem gleichen Maße, wie das Wissen in der heutigen Gesellschaft wahl- und uferlos wird, findet eine Umdeutung von Religion und Werten statt. Anstelle des in den 50-er Jahren prognostizierten "Todes Gottes" scheint "Gott" inzwischen zurück gekehrt, wenn auch in der Diffusität verschiedener religiöser Gefühle. In seinem Artikel "Anno ab incarnatione domini – Christliche Zeitrechung als säkulares Medium", weist der FU-Theologe Prof. Dr. Rainer Kampling auf die Paradoxie hin, die kalendarische Berechnung der Welt an den Namen Christi zu knüpfen, "der seinen Anhängern doch gerade die Befreiung aus dieser Welt und ihrer Zeitläufte versprach".

Die Schau endet mit "Träumen". Es geht um Sinne, Spiele, Leidenschaften und damit um die Nachtseite der Vernunft. Stellvertretend für die fünf Sinne rückt der Geruchssinn als der subjektive Sinn in das Zentrum. Schon bei Marcel Proust rief der Duft einer frischgebackenen "Madeleine" Erinnerungen hervor. Neuere Forschungen weisen nach, dass uns "der Geruchssinn mehr regiert als uns bewusst ist". Wie nahe Geruch und Gedächtnis beieinander liegen, zeigt eine anschauliche Computeranimation, die Forschungsergebnisse von Prof. Dr. Menzel zum Merkvermögen von Honigbienen erklären. Die Biene ist als Versuchsobjekt besonders geeignet, da sich die Gehirntätigkeit beim Riechen und Duftenlernen der Bienen von Gehirnforschern im Experiment beobachten lassen. Mit Hilfe eines interaktiven Spiels kann der Zuschauer in die Rolle einer Biene schlüpfen und beim Flug über eine blühende Wiese den Zusammenklang von Düften und ihre Einprägung in das Gedächtnis erleben.

Unerwartet gehen die sogenannten "Nase-Weisheiten" in die Sektion "Das Spiel ist eröffnet" über. Hier finden sich Fortuna, das älteste Kartenspiel, steinerne Spielbretter und ein "taktisches Kriegs Spiel" aus dem 17. Jahrhundert. "Der Weltlauf ist ein spielendes Kind, das hin und her Brettsteine setzt", lässt man Heraklit sagen. Als Spielstein mag sich mancher Besucher der Ausstellung fühlen, der fasziniert von dem einzelnen Objekt sehr viel Wissenswertes und Spannendes aus der neueren Forschung erfährt, doch den roten Faden zwischen all den Molekülen, Spielfiguren und Raumfahrtmodellen vermisst. Das Spiel geht bis Ende Oktober, und wir wünschen einen schönen Sommer!

 
 
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