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Baugeschichte Ortsgeschichte
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Baustruktur Die "ideale" oder
"vollständige" Baustruktur der mittelalterlichen
Dorfkirchen des Teltow ist aus dem Logo unserer Internet-Site
ersichtlich. Im "Idealfall" erfolgte eine Gliederung der
hochmittelalterlichen Dorfkirchen in Apsis, eingezogenen Chor,
Schiff und Querwestturm; im einfachsten Fall ist es eine
Rechteckkirche. Der Begriff "vollständig" oder
"ideal" impliziert natürlich eine gewisse Wertung,
die im Fall der Baustruktur einer Dorfkirche nicht angebracht ist.
Die Kirchen, die keine "vollständigen" Anlagen
sind, sind natürlich keine unvollständigen Anlagen im
wörtlichen Sinne. Ab etwa der 2. Hälfte des 13.
Jahrhunderts wird aufgrund eines Stilwechsels keine Apsis mehr
gebaut, weder an einen eingezogenen Chor noch direkt an das
Schiff; d.h. die Baustruktur Querwestturm, Schiff und eingezogener
Chor ist in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts eine
"vollständige" Anlage. Besser ist daher eine
Bezeichnung nach der ursprünglichen Untergliederung des
Baukörpers (vierteilig, dreiteilig, zweiteilig, einheitlich
oder nicht untergliedert). Da sich der Terminus "vollständige
Anlage" in der Fachliteratur allerdings eingebürgert hat
bzw. bekannt ist, wird er auch hier gelegentlich benutzt. Außerdem
muß noch einmal betont werden, daß wir uns hier auf
Dorfkirchen beschränken. Es gibt im Fläming und Barnim
einige Stadtkirchen aus Feldsteinen, die eine weitergehende
Untergliederung (Querschiffe etc.) als die Dorfkirchen haben. Wir
haben auch ein paar wenige Dorfkirchen im Barnim und Fläming
gefunden, die offensichtlich ursprüngliche Anbauten an eine
Chorseite haben bzw. hatten. Zur genaueren Erläuterung der
einzelnen Bauteile einer Feldsteinkirche, werden diese zunächst
näher erläutert. Die Bauteile einer mittelalterlichen Feldsteinkirche a. Apsis b. Chor c. Schiff d. Turm e. Anbauten
Besonders erwähnt werden muß
in diesem Kontext, daß die ursprüngliche Baustruktur
von vielen Kirchen im Laufe der Zeit auch durch Abriß von
Bauteilen verändert wurde. Wir kennen etliche Kirchen im
Fläming, die ihre Apsis durch Abriß verloren haben
(z.B. Lindow westlich von Jüterbog). Die Dorfkirche von
Werder bei Jüterbog hat ebenfalls ihre ursprüngliche
Apsis verloren, allerdings wurde der Chor dafür entsprechend
der Apsisauswölbung nach Osten verlängert und gerade
geschlossen. Die Dorfkirche von Kurzlipsdorf hat ihre westlichen
Teile verloren. Die Kirche erhielt verkürzt eine neue
Westwand. Die ursprüngliche Baustruktur einer mittelalterlichen Feldsteinkirche Unter ursprünglicher
Baustruktur verstehen wir die Untergliederung der Kirche nach der
ursprünglichen Bauplanung. Die Baustruktur vieler, wenn nicht
der meisten mittelalterlichen Kirchen wurden im Laufe der
Jahrhunderte, teils durch Anbauten ergänzt und/oder auch
durch Teilabrisse und Neuaufbauten völlig oder teilweise
verändert. Die heutige Baustruktur kann sich daher von der
ursprünglichen Baustruktur erheblich unterscheiden. In der
Baubeschreibung muß daher zunächst immer die heutige
Baustruktur beschrieben werden, aus der dann versucht werden muß,
die ursprüngliche Baustruktur zu rekonstruieren. Wie bereits
oben ausgeführt, zeigen die mittelalterlichen Dorfkirchen
eine maximale Untergliederung des Baukörpers in vier
Bauteile; Westquerturm, Schiff, eingezogener Chor und Apsis.
Die Typisierung der ursprünglichen Baustruktur mittelalterlicher Dorfkirchen in Brandenburg Bisherige Vorstellungen Bereits früh wurde versucht, die mittelalterlichen Dorfkirchen zu typisieren. In der "Beschreibende(n) Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Kreise Jerichow" von Ernst Wernicke aus dem Jahre 1898 wurden die mittelalterlichen Dorfkirchen auf zwei Schemata verteilt: Schema I: "das meist
ziemlich quadratische Altarhaus mit gewölbter Halbkreisapsis
ist schmaler als das Schiff, der rechteckige Westturm ist dagegen
der ganzen Breite desselben vorgelegt und halb so tief"
Es ist interessant, daß hier eine Unterscheidung nach der Ausbildung des Turmes zugrundegelegt worden ist. Es ist lediglich eine sehr grobe Typisierung, die heute nicht mehr brauchbar ist. Sie ist hier nur noch aus historischen Gründen angefügt. Eine der neueren Typisierungen ist in der Arbeit von Viola Pfeifer (1997) zu finden. Sie stellte das folgende, wesentlich differenziertere Schema vor: 1. Rechteckkirche
Ibbeken (1999) stellt dann das folgende, noch etwas weiter differenzierte Schema vor:
Die hier verwendete Typisierung der Baustruktur Wir haben folgende Typen der Baustruktur beobachtet: 1. einfache Rechteckkirche
2. Querwestturm, einfache
Rechteckkirche. 3. Rechteckkirche mit Apsis (auch
Apsissaal genannt) 4. Querwestturm, Rechteckkirche
mit Apsis 5. Rechteckkirche (Schiff) mit
eingezogenem (schmalerem) Chorbereich 6. Querwestturm, Rechteckkirche
(Schiff) mit eingezogenem (schmalerem) Chorbereich 7. Schiff mit eingezogenem Chor
und Apsis (ohne Querwestturm) 8. Querwestturm, Schiff,
eingezogener Chor mit Apsis Die querturmlosen Kirchen haben in der Regel unterschiedliche Formen von Dach- und Giebeltürmen sowie Dachreitern. Da diese Türme sich nicht im Grundriß dokumentieren, werden sie im speziellen Kapitel "Türme" abgehandelt. Vor allem in der Prignitz lassen
sich ursprüngliche "Anbauten" am Chor (bei Kirchen
mit eingezogenem Chor oder einfachen Rechteckirchen). Sie können
streng genommen nicht als Anbauten bezeichnet werden und müßten
eigentlich unter der ursprünglichen Baustruktur aufgeführt
werden. Jedoch werden sie in allen einschlägigen Werken als
Anbauten bezeichnet. Ein- und mehrphasige Kirchen Wie bereits oben dargelegt, muß
die heutige Baustruktur nicht unbedingt auch die ursprüngliche
Baustruktur gewesen sein. Durch Um- und Fastneubauten kam es bei
vielen Kirchen zur völligen Umgestaltung der Baustruktur. Am
häufigsten sind noch Sakristeianbauten und/oder
Patronatslogen sowie Anbauten von Türmen. In Thyrow
beispielsweise wurde die Apsis, die ursprünglich direkt an
das Schiff anschloß (Apsissaal) relativ früh abgerissen
(ca. Anfang 14. Jh.) und durch ein Chorquadrat ersetzt. Relativ
häufig wurden die Kirchen auch in der Höhe verändert,
etwa durch eine oder mehrere Steinreihen oder Ziegel aufgestockt.
Sehr oft kann beobachtet werden, daß die Giebel (oder auch
die Türme) in einer völlig anderen Mauerwerksausführung
hochgemauert sind. In Thüringen haben wir mittelalterliche
Dorfkirchen beobachtet, die aus Platzmangel nicht in der
Horizontalen erweitert werden konnten. Sie wurden "einfach"
auf die doppelte Höhe aufgestockt. Dann wurden im Inneren
zwei Emporen übereinander eingebaut. Solche kleinen
"Kirchenhochhäuser" sind uns bisher nur aus
Thüringen bekannt. Ein weiterer sehr wichtiger
Gesichtspunkt, der in der bisherigen Literatur kaum berücksichtigt
ist, ist die primäre Planung. Es gibt Feldsteinkirchen, deren
ursprüngliche Baustrukturplanung ganz offensichtlich in einem
Zuge ausgeführt worden ist ("einphasig"). Häufig
ist dagegen auch zu beobachten, daß einzelne Teile der
Baustruktur zwar bereits zu Anfang geplant waren, aber erst in
mehreren Bauabschnitten dann auch verwirklicht wurden
("mehrphasig"). Im letzteren Falle sind vertikale und
leicht abtreppende Baunähte zwischen den einzelnen
Bauabschnitten erkennbar. Während die Kirche in Stahnsdorf
(Schiff, eingezogener Chor, Apsis) in "einem Zuge"
gebaut worden ist, ist die in der Baustruktur ähnliche Kirche
in Groß Ziethen mindestens in zwei, zeitlich wahrscheinlich
um etliche Jahrzehnte getrennten Bauabschnitten entstanden. Die
beiden Bauabschnitte werden durch eine deutliche Baunaht auf der
kleinen Fläche an der Ostseite des Schiffes nahe der Ecke zum
eingezogenen Chor und durch die unterschiedliche
Mauerwerksausführung von Apsis/Chor und Schiff dokumentiert.
Baunähte Baunähte erkennt man an Inhomogenitäten im Mauerwerk. Baunähte auf Schiff und Turm lassen durch ihr mehr oder weniger deutliches Abtreppen in Richtung des späteren Bauabschnittes in der Regel eine sichere Entscheidung zu, welcher Bauabschnitt der jüngere ist. Gelegentlich ist es jedoch schwierig, Baunähte von Setzungsschäden zu unterscheiden. Es ist auch zu beobachten, daß Setzungsschäden auch an Baunähten besonders angreifen. In der Regel sind jedoch Baunähte von Setzungsschäden gut zu unterscheiden. Vorgängerbauten Es ist damit zu rechnen, daß
auch die mittelalterlichen Kirchen des Teltow hölzerne
Vorgängerbauten gehabt haben. In der Lausitz hatten neun von
zehn Kirchen, die durch den Braunkohletagebau zerstört wurden
und die vorher bauarchäologisch untersucht werden konnten,
hölzerne Vorgängerbauten. Es gibt dort Mischbauten, bei
denen Teile der Baustruktur aus Holz, andere Teile aus Feldsteinen
ausgeführt sind. In Wolkenberg war die Steinkirche jünger
als deren Holzturm, folglich also angebaut bzw. ein Ersatzbau für
ein hölzernes Schiff. Die Aussagekraft der Baustruktur für die Datierung der Kirche Ein in der Literatur etwas
kontrovers diskutiertes Thema ist die Aussagekraft der Baustruktur
zur Datierung der Kirche. Während der "Dehio" und
die "Bau- und Kunstdenkmale in der DDR" der Baustruktur
eine sehr hohe Priorität einräumen, lehnt Frau Pfeifer
dies in ihrem Buch über die Feldsteinkirchen des Fläming
ab und gesteht der Mauerwerksausführung einen höheren
Datierungswert zu. Dies führte bei etlichen Flämingkirchen
zu beachtlichen Diskrepanzen in der Datierung, die durchaus 200
Jahre betragen können. Die Bedeutung der Mauerwerksausführung
für die Datierung wird im Kapitel "Mauerwerksausführung"
ausführlich diskutiert. Jedoch ist hier festzustellen, daß
der Baustruktur ein eindeutig höherer Stellenwert für
die Datierung zukommt als der Mauerwerksausführung. Die
Mauerwerksausführung allein kann nicht zur Datierung der
Kirchen benutzt werden, obwohl es auch hier "Modetrends"
gibt, die in einem gewissen Rahmen zur Datierung herangezogen
werden können. Die meisten Kirchen mit
eingezogenen Rechteckchören dürften wohl in der 2.
Hälfte des 13. Jahrhunderts gebaut worden sein. Der Chor ist
nun nicht mehr quadratisch, sondern meist längsrechteckig.
Bei der Kirche von Heckelberg (Barnim) mit Querwestturm, Schiff
und eingezogenem Chor wurde der Holzrahmen eines Chorfensters
dendrochronologisch auf 1255 datiert. Die Ostung der Kirchen und das Patrozinium Die Kirchen sind alle mehr oder weniger präzise "geostet", d.h. mit dem Chor bzw. der Apsis nach Osten, mit dem Turm nach Westen ausgerichtet. Dies entspricht der alten Glaubensvostellung, daß Jerusalem generell im Osten lag. Der Querwestturm diente nach den alten Vorstellungen der Abwehr des Bösen, das aus dem Westen kam. Allerdings fallen immer wieder Kirchen auf, die seltsam verzerrt sind, d.h. daß die Langhaus- und Chorwände nach Osten konvergieren oder divergieren (z.B. Groß Ziethen, Genshagen). Zudem ist kaum eine Kirche präzise Ost/West ausgerichtet. Konnten unsere Altvorderen etwa keine rechten Winkel bestimmen oder die Ostrichtung nicht bestimmen? Ganz im Gegenteil, die mittelalterlichen Baumeister konnten die Winkel sehr exakt bestimmen. Die Abweichung der Kirchen von der exakten Ost-West-Richtung liegt daran, daß das Patrozinium bzw. der Titelheilige (oder auch mehrere Titelheilige) häufig in die Ausrichtung des Kirchenbaus miteinbezogen worden ist. Die erste Baulinie der neu zu erbauenden Kirche wurde am Tage des Patroziniums nach dem Punkt des Sonnenaufgangs ausgerichtet. Hatte die Kirche zwei Titelheilige, wurden entweder die Winkel gemittelt oder nördliche und südliche Langhauswand wurden unterschiedlich ausgerichtet und konvergieren oder divergieren nun. Leider sind die Patrozinien der meisten Kirchen in Brandenburg nicht mehr bekannt. Die Bestimmung des Sonnenaufgangspunktes mit Hilfe der Ausrichtung der Seitenwände läßt aber möglicherweise Rückschlüsse auf die Patrozinien zu. Bisher haben wir diese Idee nicht weiterverfolgt. Bei manchen Dorfkirchen läßt sich beobachten, daß die Längsachsen von Chor und Schiff nicht übereinstimmen (z.B. in Großziethen). Dies führte zu verschiedenen Deutungen (Neigung des Hauptes Christi). Vielleicht handelte es sich aber eine Neuvermessung der Nordrichtung. Eine sehr detaillierte Arbeit zum Thema Ostung und Abweichung der Baulinie von der Ost-West-Ausrichtung haben R. Eckstein, Franziskus Büll und Dieter Hörning 1995 in den Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige (Band 106, Heft 2) veröffentlicht, aus der die obigen Ausführungen zusammengefaßt entnommen sind. |
Letzte Änderung: 16.4.2005
©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Jühnsdorf, 1999-2005