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[Heiner Geißler verabschiedete Absolventen des Otto-Suhr-Instituts]

Heiner Geißler und FU-Vizepräsidentin Prof. Gisela Klann-Delius bei der Absolventenfeier

Es ist noch gar nicht so lange her, da mieden CDU-Politiker das Otto-Suhr-Institut wie der Teufel das Weihwasser. Schließlich hatten sie auch allen Grund dazu, denn den linken Studierenden waren sie nicht sonderlich willkommen. Heutzutage ist das Verhältnis zwischen ihnen und den FU-Politologen weitaus entspannter. Als Heiner Geißler am 25. Januar im OSI zu Gast war, empfingen ihn die Studierenden und Professor/innen mit lebhaftem Beifall, und der Festredner der Diplomabschlussfeier enttäuschte seine 350 Zuhörer/innen nicht. Seinem Ruf als „Querdenker“ der eigenen Partei machte er alle Ehre. „Wir haben den jungen Leuten, die als Kinder türkischer Eltern hier geboren wurden, verwehrt, mit ihrer Geburt auch die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. Das ist vor allem ein Fehler meiner Partei. Dadurch wurde der Boden mitbereitet für die Predigt fundamentalistischer Mullahs.“ Eine Vergangenheitsschelte, die man im Konrad-Adenauer-Haus vermutlich nicht gern hört; aber Geißler ließ dem gleich die Befürchtung folgen, die Union könnte diesen Fehler wiederholen mit einem Wahlkampf, der sich auf Parolen von „nationaler Identität“ und „deutscher Leitkultur“ stützt und auf den „Stolz, ein Deutscher zu sein“. „Warum soll ich mich eigentlich mit jemandem identifizieren, bloß weil er in Castrop-Rauxel oder in Kyritz an der Knatter geboren ist?“, fragte Geißler. Schließlich sei Deutschland seit Jahrzehnten das abhanden gekommen, was man früher „völkische Identität“ nannte.

Den „irrationalen“ Parolen setzte Geißler seinen „Verfassungspatriotismus“ entgegen. „Das bedeutet selbstverständlich auch, dass jemand, der zum Beispiel die Gleichberechtigung von Frauen nicht akzeptiert, nicht eingebürgert werden kann.“ Unverzichtbar sei auch die Beherrschung der Landessprache. Auf die Frage, wer denn die Kosten für diese Integrationsmaßnahme tragen soll, ging der Festredner allerdings nicht ein. Integration auch durch Symbole, also zum Beispiel Fahnen oder Hymnen? „Ich habe gar nichts dagegen“, meinte Geißler, „aber man soll nichts übertreiben. Es gibt da ein ukrainisches Sprichwort: Wenn die Fahne weht, sitzt der Verstand in der Trompete.“ Manchmal allerdings, machte Geißler deutlich, sind sogar Waffen legitim: „Man muss zwischen Terroristen und Freiheitskämpfern unterscheiden, zum Beispiel im südlichen Sudan.“ Und hier in Deutschland, wo doch eine freiheitlich-demokratische Grundordnung gilt? Geißler mochte keinen Zweifel über seine Prioritäten aufkommen lassen: „Sollte es einmal zum Konflikt kommen, dann ist Christ und Demokrat zu sein für mich wichtiger als Deutscher zu sein.“

Josef Tutsch

Foto: Dahl


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