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[50. Geburtstag der Universitätsbibliothek]

Ein Ort intellektueller Erleuchtung: Der Lesesaal der Universitätsbibliothek der Freien Universität bietet nach der Renovierung wieder eine angenehme Arbeitsatmosphäre.

Prof. Dr. Ulrich Naumann arbeitet seit fast zwanzig Jahren an der Universitätsbibliothek der Freien Universität, die er seit 11 Jahren leitet. In dieser Funktion hat der aus Hessen stammende Bibliotheksdirektor zahlreiche Änderungen erlebt und aktiv mit gestaltet, wie die Neuordnung des Bibliothekssystems 1998, die Ausweitung auf elektronische Medien oder die Umgestaltung des Lesesaals, um nur ein paar Beispiele aus den vergangenen Jahren zu nennen. Mit Prof. Dr. Naumann sprach Felicitas v. Aretin.


Die Universitätsbibliothek der Freien Universität feiert am 1. März ihr fünfzigjähriges Namensjubiläum. Wie kam es, dass die UB erst vier Jahre nach Gründung der FU entstand?

Dies liegt an der besonderen Geschichte der Freien Universität, die spontan und dezentral gegründet wurde. Bereits im September 1948 begann ja der Vorlesungsbetrieb in einzelnen Instituten. Und da Literatur bekanntermaßen die Basis jeden wissenschaftlichen Arbeitens ist, rührten die Amerikaner und die Professorenschaft die Werbetrommel, damit möglichst viele Bürger Bücher für die neu gegründete Universität stifteten, die zum Teil auf Leiterwägen, zum Teil in Kästen gebracht wurden. Ein amerikanischer Offizier wollte sogar Bücher in Dahlem beschlagnahmen lassen, aber das hat sich auf Anraten der Universität dann doch nicht durchgesetzt. Als Folge der dezentralen Organisation in einzelne Seminare und Institute mit ihren eigenen Bibliotheken gab es zunächst keine Universitätsbibliothek, sondern eine sogenannte Bibliotheksleitstelle.

Was war die Aufgabe dieser Stelle?

Die dort tätigen Bibliothekare haben zunächst einmal die gespendeten Bücher aufgenommen und an die einzelnen Bibliotheksstandorte verteilt. Gleichzeitig wurde ein zentraler Katalog aufgebaut und die dringend notwendige Fernleihe organisiert. Außerdem übernahm die Bibliotheksleitstelle schon bald übergreifende Aufgaben und diente als Referenzzentrum.

Wollte die damalige Hochschulleitung denn zunächst keine eigene Universitätsbibliothek?

Doch. Aber es gab nach dem Krieg zunächst keinen entsprechend großen Raum in Dahlem. Später war der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter gegen den Bau einer eigenen Universitätsbibliothek. Denn er hatte sich in den Kopf gesetzt, in West-Berlin eine zentrale wissenschaftliche Stadtbibliothek in der Podbielskiallee einzurichten; da zu befürchten stand, dass die Berliner Stadtbibliothek in Mitte der Bevölkerung im Westen nicht mehr lange zur Verfügung stehen würde. Wie in Frankfurt am Main sollte es auch in Berlin eine gemeinsame Stadt- und Universitätsbibliothek geben.

Und dann kam alles anders?

Ja. Die Amerikaner wollten den Durchhaltewillen der Berliner Bevölkerung belohnen und Berlin eine public liberary direkt in Kreuzberg an der Mauer stiften, die spätere Amerika Gedenkbibliothek. Außerdem stellte die Henry-Ford-Foundation Anfang der fünfziger Jahre eine Million Dollar für die junge Universität im Villenvorort Dahlem zur Verfügung, um ihr eine architektonische Mitte zu geben. Mit diesen Mitteln konnte dann auch die von der Universität immer als notwendig angesehene Universitätsbibliothek errichtet werden. In den Jahren 1952 bis 1954 entstand so der Henry-Ford-Bau mit dem Audimax und der anschließenden Universitätsbibliothek.

Alles im Blick, aber ungestört: Auf der Galerie im Lesesaal.

Welche Bedeutung hat der 1. März als Namenstag?

Der erste Bibliotheksdirektor, Wieland Schmidt, bat den damaligen Kurator Friedrich von Bergmann, die Bibliotheksleitstelle in Universitätsbibliothek umzubenennen, da dies auf dem Briefkopf den Funktionen gerechter werde und durfte selbst den 1. März als Namenstag bestimmen. An der räumlichen Situation hat das zunächst nichts geändert: Erst 1954 zog man mit 140.000 Bücher in das von den Architekten Franz Heinrich Sobotka und Gustav Müller entworfene Gebäude. Besonders stolz war Schmidt damals, dass er sowohl die Privatbibliothek von Max Stein, einem schlesischen Großindustriellen, als auch von Prof. Dr. Friedrich Meinecke, dem ersten Rektor der Freien Universität, erwerben konnte.

Wie feiern Sie denn das 50-jährige Jubiläum?

Wir feiern das ganze Sommersemester: Den Auftakt bildet der Festakt am 1. März, das Ende ein „Tag der Offenen Tür“ am 28. Juni mit vielerlei Benutzerveranstaltungen. Außerdem wird es vier Ausstellungen geben: Die Geschichte der UB wird im Eingangsbereich in die Vitrine gebannt; die beiden Künstler Oliver Neulist und Aldona Gustas vermitteln eine ganz persönliche Sicht auf die Bibliothek. Ein großer Erfolg war auch das „Fest der weißen Rose“, mit der wir Einblicke in die besonderen Schätze der UB gegeben haben. Zudem wird ein interaktives Suchspiel gestartet und wir werden zum Semesterende eine dickleibige Festschrift herausgeben.

Sie blicken also froh nach vorne. Haben Universitätsbibliotheken im 21. Jahrhundert denn überhaupt eine Zukunft?

Natürlich. Bibliotheken gehören neben Wohnbauten und Gotteshäusern zu den ältesten Bauten, die sich seit 5000 Jahren nachweisen lassen und die die Zivilisation jeder Gesellschaft auf unterschiedliche Weise geprägt haben. Bibliotheken sind dabei einem ständigen Wandel unterworfen, wie wir es ja auch an den neuen Aufgaben der Universitätsbibliothek erkennen können. Würde eine relativ arme Universität wie die Freie Universität drei Millionen DM für die Sanierung des Lesesaals aufwenden, wenn diese Bibliothek keine Zukunft hätte?

Inwieweit hat das Internet die Arbeit der UB verändert?

Das Internet ist aus unserer täglichen Arbeit nicht mehr wegzudenken. Wir sind mit mehreren tausend Seiten im Netz präsent und zwar auf einer dauerhaft organisierten Basis, die nicht davon abhängt, dass einige sich selbst ausbeutende Freaks die Nacht zum Tage machen, um das Angebot sicherzustellen. Wir betreiben ein internet-gestütztes Bibliothekssystem, mit dem wir für unsere Benutzer einen Service bieten, der mit konventionellen Mitteln nicht möglich gewesen wäre.
Das Internet ist aber nicht das Wichtigste im Rahmen wissenschaftlicher Arbeit. Wer wissenschaftlich mit der Vorstellung aufwächst, das Netz der Netze sei alles, wo er sein Wissen erwerben und vervollständigen kann, baut auf einem Promille des in der UB bereitstehenden Fundus.

Welche Ziele wird die Universitätsbibliothek künftig verfolgen?

Unsere wichtigste Aufgabe ist die optimale Literaturversorgung der Angehörigen unserer Einrichtung. Sie müssen sich vorstellen, dass jährlich weltweit eine Million neuer Bücher erscheinen und wir im Jahr 20.000 ankaufen, das heißt zwei Prozent der Weltproduktion. Die gesamte FU kommt mit ihren Erwerbungen auf etwa 10 Prozent. Das verlangt eine klare Auswahlentscheidung, aber auch besondere Bemühungen, das von uns nicht Beschaffte zu vermitteln. An der Freien Universität haben sich die zuständigen Gremien für das „Prinzip der dezentralisierten Zentralisation auf mittlerer Ebene“ entschlossen. Das bedeutet: die Universitätsbibliothek sammelt keine spezielle wissenschaftliche Fachliteratur mehr, sondern interdisziplinäre Literatur und erweitert vor allem das Angebot an elektronischen Informationen wie Datenbanken und Zeitschriften. Auch hieran sehen Sie das notwendige Änderungspotential einer Universitätsbibliothek.

Foto: Dahl



Herr der Bücher: Prof. Dr. Naumann

Prof. Dr. Ulrich Naumann, geb. 1946 in Marburg, studierte Volkswirtschaftslehre in Marburg, wo er 1974 mit einer Arbeit über Kommunikationsprobleme in Filialbetrieben promoviert wurde. Weitere Stationen waren eine Dozentur an der Bibliotheksschule in Frankfurt am Main, mit gleichzeitigem Fachreferat, die Herstellung der Hessischen Bibliographie, die Leitung der Benutzerabteilung der Universitätsbibliothek der FU und schließlich seit 1991 die Leitung der UB. Seit 1976 in der Ausbildung tätig, erhielt er 1995 eine Honorarprofessur an der Humboldt-Universität zu Berlin.





Bilder, Fotos, Bilder

1. März bis 26. April
Oliver Neulist: Zitternde Zettelkästen
Der Studierende und Fotograf Oliver Neulist wirft besondere Blicke auf die Universitätsbibliothek und lässt dabei Zettelkästen zittern.

1. März bis 26. April
50 Jahre Universitätsbibliothek
Briefe vom ersten Direktor der Bibliothek, Fotos von Bücherstapeln, Plakate und Raria bietet die Ausstellung
„50 Jahre Universitätsbibliothek“ im Foyer derselben.

2. Mai bis 28. Juni
Aldona Gustas: Asyl im Gedicht
Die Berliner Autorin und Grafikerin kombiniert Lyrik und Bild. Ausgestellt wird das gesamte buchkünstlerische Werk.


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