http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/audios/geld_macht_werte/cd1/
abgelegt. (Bin ganz stolz, das hingekriegt zu haben! :-) )
Ich benoetige nun dringend Rueckmeldungen, ob diese
Audios verstaendlich von Dir und anderen Usern angehoert werden
koennen. Bitte Mail an mich oder Aussagen/Probleme hier ins
Notizbuch.
Dank sagt dafuer Wolfgang Roehrig
Sorry, wichtiges vergessen:
Heissen Dank an Michael Mente, der mich in die
Geheimnisse des RealProducers eingefuehrt hat! Ohne ihn haette ich das mit den Audios nicht gelernt.
folgender Artikel fand sich gestern in der Sueddeutschen Zeitung:
FEUILLETON Freitag, 17. Dezember 1999 --------------------------------------------------
Die neue Gefolgschaft des Silvio Gesell
So ähnlich wie beim Nahverkehr: Japan setzt an, seine Wirtschaft neu zu erfinden
„Wenn das heutige Geldsystem die Zinswirtschaft beibehalten wird, so wage ich heute schon zu behaupten, dass es keine 25 Jahre dauern wird, bis wir vor einem neuen, noch furchtbareren Krieg stehen werden.“ Diese geradezu hellseherische Einschätzung der Lage lieferte Silvio Gesell, der heute vergessene Erfinder der Freiwirtschaftslehre, dem Herausgeber der Berliner Zeitung am Mittag. Das war 1918.
Gesell ging davon aus, dass Geld eine öffentliche Dienstleistung ist, so ähnlich wie der Nahverkehr. Dafür, dass man die Dienstleistung in Anspruch nimmt, entrichtet man eine Gebühr – ein so genanntes Liegegeld oder eine Anti-Hortungs-Gebühr, wie sie bei den Freigeldwährungen in den 30er Jahren nach Gesells Ideen erhoben wurde. In der Inflationszeit brachten in Deutschland viele Gemeinden ihre eigenen Notwährungen heraus. Sie sollten gewährleisten, dass die Menschen ein Tauschmittel hatten, das es ermöglichte, die Wirtschaft in Gang zu halten und somit Arbeitsplätze zu sichern. Das Liegegeld war ein in die meisten dieser Komplementärwährungen eingebauter Mechanismus, der ein – die Krise noch verschlimmerndes – Horten von Geld verhindern sollte. Tatsächlich erwies sich dieses Liegegeld als wirkungsvolle Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Doch da die Reichsbank auf ihrem Geldmonopol beharrte, verschwanden diese Komplementärwährungen schon bald wieder.
Angesichts der weltweiten Depression in den 30-er Jahren versprach sich Irving Fisher von Gesells Freigeld die Lösung aller Probleme, und beinahe wäre Gesells Theorie in Amerika Praxis geworden. Auch John Maynard Keynes hielt viel von den Ideen Gesells. In seinem Hauptwerk „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ schrieb er, die Zukunft werde „mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen“. Mit Marx scheint die Zukunft nichts mehr im Sinn zu haben. Dass sie nun bei Gesell lerne – dafür tritt Bernard Lietaer, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Kalifornien in Berkeley, ein und zwar in seinem Buch „Das Geld der Zukunft“.
Das letzte offensichtliche Merkmal aller nationalen Währungen sind die Zinsen. Wieder einmal glauben wir, so Lietaer, dass Zinsen irgendwie naturgemäß dazu gehören, und vergessen dabei, dass die Geschichte über die längsten Zeiten hin keine Zinsen kannte. Alle drei Offenbarungsreligionen – das Judentum, das Christentum, der Islam – haben den Wucher ausdrücklich verdammt. Die Folgen von Zinsen für die Gesellschaft sind schwerwiegend. Mit drei von ihnen befasst sich Lietaer ausführlich.
Erstens: Der Mechanismus, mit dem die für die Giralgeldschöpfung unverzichtbare Knappheit erzeugt wird, bedingt, dass die Menschen miteinander um das Geld konkurrieren, das noch nicht geschaffen wurde, und bestraft sie im Falle des Misserfolgs mit dem Bankrott. Das moderne Währungssystem zwingt uns dazu, uns kollektiv zu verschulden und mit anderen zu konkurrieren, damit wir die Mittel erhalten, die Austausch ermöglichen. Zweitens: Zinsen verstärken die Notwendigkeit des unbegrenzten wirtschaftlichen Wachstums, auch wenn der tatsächliche Lebensstandard stagniert. Und drittens: Zinsen bewirken einen kontinuierlichen Transfer von Reichtum von der breiten Mehrheit auf eine kleine Minderheit.
Zum Geld wird hier die Zeit
Eine Untersuchung dieses Kapitaltransfers analysiert die Situation in Deutschland im Jahr 1982. Der Nettoeffekt sah damals so aus, dass die Spitzengruppe der reichsten Haushalte (10 Prozent) allein in jenem Jahr netto 34,2 Milliarden Mark als Zinszahlungen vom Rest der Gesellschaft entgegen nehmen konnte. Das oberste eine Prozent der US-Bevölkerung besitzt heute mehr als die unteren 92 Prozent zusammen. Die 447 Milliardäre auf der Welt haben ein Vermögen angehäuft, das größer ist als das gesamte Jahreseinkommen der Hälfte der Weltbevölkerung. Selbstredend geht dieser Transfer von immer mehr Reichtum auf immer weniger Menschen mit immer mehr Arbeitslosen einher. In den letzten 20 Jahren konnten die 500 führenden Konzerne ihre Produktion und ihren Absatz um 700 Prozent steigern – und gleichzeitig Personal abbauen. Heute soll es 700 Millionen Menschen auf der Welt ohne Arbeit geben.
Inzwischen gibt es rund 2000 Komplementärwährungen, die in Umlauf gesetzt wurden, um die mit dieser Entwicklung verbundenen Probleme zu steuern. Diesen Versuchen ist eines gemein: Sie bieten Menschen, die Zeit, aber wenig Geld haben, die Chance, sich in die Wirtschaft zu integrieren, denn man kann Zeit in Geld verwandeln. So erfolgreich auf kommunaler Ebene sehr viele dieser Versuche auch waren, es fehlte bisher das ganz große Beispiel – der Einstieg einer bedeutenden Wirtschaftsmacht in das Experiment eines alternativen Währungssystems.
Mit dem neuen Entwicklungsmodell, das unter der Federführung von Japans Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI) gerade getestet wird, hat das Schattendasein dieser Alternativwirtschaft aufgehört. Drei Jahre durfte Toshiharu Kato, MITI-Direktor im Dienstleistungssektor, sich in der Welt umsehen, um Reformvorschläge für Japans Wirtschaft zu machen. Das Ergebnis mutet zugleich modern und traditionell an – jene Mischung, auf die Japan schon zweimal mit Erfolg gesetzt hat, als es galt ein marodes Staatswesen zu sanieren: vor 150 Jahren bei der Meiji-Restaurierung und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Das Entwicklungsmodell heißt Silicon Valley. Für MITI sind die engmaschigen Verbindungen zwischen hunderten von kleinen Unternehmen – ohne einen patriarchalisch organisierten Großkonzern in ihrer Mitte – das Zukunftsmodell für Japan. Die dicht besiedelten Täler des über 2000 Kilometer sich erstreckenden japanischen Archipels, die mit ihren gewachsenen Agrargemeinschaften trotz einer zentralistischen Regierung ihre Autarkie weitgehend bewahrt haben, weisen dennoch große Unterschiede auf. Auf diese Vielfalt, diese regionale Selbstständigkeit, will MITI bauen. Das bedeutet eine Absage an das bisherige Modell zentraler Führung durch Großkonzerne und Banken. Stattdessen soll eine duale Struktur von regionaler Wirtschaft und Gemeinschaft entwickelt werden.
Regionale Dienstleistungen mit Informationstechnologien als neuer Wirtschaftsbasis sollen durch regionale Währungen mit der Bezeichnung Ökogeld unterstützt werden. Für unterschiedliche Bereiche wie Sozialfürsorge, Bildung, Umweltschutz und Gesundheitswesen soll Ökogeld als Zahlungsmittel eingesetzt und in ein Smartcard-System integriert werden. Das zinslose Ökogeld soll den direkten Tausch von Waren und Dienstleistungen ermöglichen, ohne dass es von jenen Übeln wie Inflation oder Geldknappheit befallen wird, die der weiterhin parallel laufenden Landeswährung eigentümlich sind.
Komplementärwährungen bekommen damit die Chance, sich zu bewähren, Stabilität in eine höchst labile Weltwirtschaftslage und damit in die einzelnen Gemeinschaften des Landes zu bringen. Das könnte der Schub sein, den nicht nur Japan braucht. Überall auf der Welt wird man während der nächsten Jahre dieses Experiment mit großem Interesse verfolgen – nicht zuletzt in Deutschland, wo sich wahrscheinlich nur wenige Menschen an Silvio Gesell erinnern.
JOHN DAVID MORLEY
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SZ - Feuilleton 17.12.1999
Es macht Sinn, der Sueddeutschen zu schreiben; hier die Adresse des Chefredaktuers:
Süddeutsche Zeitung
Dr. Johannes Willms
Sendlingerstraße 8
80331 München
Der erste Eintrag im neuen Jahrtausend ist von mir! Gut, daß der y2k-bug nur eine Medienhysterie war!
http://www.allgaeu.org/omnibus/
Keine Ahnung, wie weit die jetzt sind. Vielleicht finden sich aktualisierte Angaben unter o.g. URL.
Masse statt Klasse: Mein Ziel ist es, hier UMFANGREICHE Informationen anzubieten. Eine Konzentration auf die Highlights traue ich mir nicht zu. Eine Selektion betreibe ich zwar aus Ressourcenmangel, aber wenn dieser nicht bestehen wuerde, waere mein Ziel, hier ein moeglichst vollstaendiges Archiv zum Zinsthema anzubieten!
Selber auswaehlen, beurteilen + denken ist schon noch gefordert!
Freundlich gruesst Wolfgang Roehrig